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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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wiederholen, ohne bald an dem Punkt anzugelaugen, wo der Mangel an
groben Silbermünzsvrten sich in dem Maß für den täglichen Verkehr fühlbar
machen wird, daß auf die eine oder die andere Weise die Negierung Ma߬
regeln ergreifen muß. um der Verlegenheit durch Aufhebung oder wesentliche
Modification der bestehenden Doppeltwährung abzuhelfen. Man muß Herrn
Chevalier darin vollkommen Recht geben, daß sich hier eigentlich nur zwei
rationelle Auswege darbieten, entweder das Gold muß in der Art, wie es in
Holland und Belgien geschehen, demonetisirt werden, d. h. den Goldmünzen
muß die Geltung als gesetzliches Zahlmittel zu einem unveränderlichen festen
Werth entzogen und künftig die Annahme derselben lediglich der freien Ueber-
einkunft der Parteien überlassen werden, oder aber die Goldwährung muß
als die allein gesetzliche für alle einen gewissen Betrag übersteigenden Zah¬
lungen anerkannt und dem Silbergeld, bei leichterer Ausprägung, welche das
Einschmelzen verhindert, der Charakter der Scheidemünze beigelegt werden,
wie solches alles in Großbritannien seit 1816 stattfindet.

Herr Chevalier bekämpft, wie wir im ersten Aufsatz gesehen haben, dies
letztere Auskunftsmittel als rechtlich unstatthaft und außerdem mit den man¬
nigfachsten und tiefeingreifendsten Nachtheilen für das Gesammtwohl verbun¬
den, während er das erstere als eine unzweifelhafte Forderung des Rechts
geltend macht und die Ausführung als unbedenklich ansieht.

Wir sind in beiden Beziehungen ganz entgegengesetzter Ansicht und wollen
diese durch nachstehende Andeutungen zu rechtfertigen versuchen.

Wenn man auch einräumen muß, daß bei Erlaß des französischen Münz-
gesetzes vom Jahre 1803 der Frank, als Silbermünze von 5 Gramm Silber
von °/-,o Feinheit, als die dem gesammten Münzwesen zum Grunde liegende
Münzeinheit hingestellt worden ist und daß ferner aus den Motiven zu jenem
Gesetz die ursprüngliche Absicht erhellt, bei eintretender wesentlicher Verände¬
rung der Werthrelation der Edelmetalle die Goldmünzen umzuprägen, so
stehen dieser Erwägung doch die Thatsachen gegenüber, daß andererseits das
Müuzgesetz ausdrücklich besagt, das Kilogramm Münzgold fein) werde
zu 155 Zwanzigfrankstücken ausgeprägt, und daß seit 1803, also seit 56 Jahren
niemals irgend eine gesetzliche Bestimmung oder ein Vorbehalt gegen die Be-
fugniß, eine Zahlung von 20 Franken mit einem Zwänzigfrantstück in Gold
Zu berichtigen, bekannt gemacht ist, wozu doch namentlich im Jahre 1851,
als Goldmünze in der Praxis mehr und mehr das übliche Zahlmittel zu
werden anfing, eine Veranlassung sehr nahe, gelegen 'hätte. Herr Chevalier
setzt auseinander, wie hart es sür die Staatsglnubiger und die andern
betreffenden Zahlungsempfänger sein werde, wenn sie bei progressiver Werth-
Verringerung des Goldes, obschon man ihnen nominell denselben Goldbetrag
Zahlt, doch in Wirklichkeit um so viel weniger an Valuta empfangen, als


Grenzboten II. 1859. 29

wiederholen, ohne bald an dem Punkt anzugelaugen, wo der Mangel an
groben Silbermünzsvrten sich in dem Maß für den täglichen Verkehr fühlbar
machen wird, daß auf die eine oder die andere Weise die Negierung Ma߬
regeln ergreifen muß. um der Verlegenheit durch Aufhebung oder wesentliche
Modification der bestehenden Doppeltwährung abzuhelfen. Man muß Herrn
Chevalier darin vollkommen Recht geben, daß sich hier eigentlich nur zwei
rationelle Auswege darbieten, entweder das Gold muß in der Art, wie es in
Holland und Belgien geschehen, demonetisirt werden, d. h. den Goldmünzen
muß die Geltung als gesetzliches Zahlmittel zu einem unveränderlichen festen
Werth entzogen und künftig die Annahme derselben lediglich der freien Ueber-
einkunft der Parteien überlassen werden, oder aber die Goldwährung muß
als die allein gesetzliche für alle einen gewissen Betrag übersteigenden Zah¬
lungen anerkannt und dem Silbergeld, bei leichterer Ausprägung, welche das
Einschmelzen verhindert, der Charakter der Scheidemünze beigelegt werden,
wie solches alles in Großbritannien seit 1816 stattfindet.

Herr Chevalier bekämpft, wie wir im ersten Aufsatz gesehen haben, dies
letztere Auskunftsmittel als rechtlich unstatthaft und außerdem mit den man¬
nigfachsten und tiefeingreifendsten Nachtheilen für das Gesammtwohl verbun¬
den, während er das erstere als eine unzweifelhafte Forderung des Rechts
geltend macht und die Ausführung als unbedenklich ansieht.

Wir sind in beiden Beziehungen ganz entgegengesetzter Ansicht und wollen
diese durch nachstehende Andeutungen zu rechtfertigen versuchen.

Wenn man auch einräumen muß, daß bei Erlaß des französischen Münz-
gesetzes vom Jahre 1803 der Frank, als Silbermünze von 5 Gramm Silber
von °/-,o Feinheit, als die dem gesammten Münzwesen zum Grunde liegende
Münzeinheit hingestellt worden ist und daß ferner aus den Motiven zu jenem
Gesetz die ursprüngliche Absicht erhellt, bei eintretender wesentlicher Verände¬
rung der Werthrelation der Edelmetalle die Goldmünzen umzuprägen, so
stehen dieser Erwägung doch die Thatsachen gegenüber, daß andererseits das
Müuzgesetz ausdrücklich besagt, das Kilogramm Münzgold fein) werde
zu 155 Zwanzigfrankstücken ausgeprägt, und daß seit 1803, also seit 56 Jahren
niemals irgend eine gesetzliche Bestimmung oder ein Vorbehalt gegen die Be-
fugniß, eine Zahlung von 20 Franken mit einem Zwänzigfrantstück in Gold
Zu berichtigen, bekannt gemacht ist, wozu doch namentlich im Jahre 1851,
als Goldmünze in der Praxis mehr und mehr das übliche Zahlmittel zu
werden anfing, eine Veranlassung sehr nahe, gelegen 'hätte. Herr Chevalier
setzt auseinander, wie hart es sür die Staatsglnubiger und die andern
betreffenden Zahlungsempfänger sein werde, wenn sie bei progressiver Werth-
Verringerung des Goldes, obschon man ihnen nominell denselben Goldbetrag
Zahlt, doch in Wirklichkeit um so viel weniger an Valuta empfangen, als


Grenzboten II. 1859. 29
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/235>, abgerufen am 22.12.2024.