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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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wie sinnreich und originell man dies alles in dem Statut geordnet und-den
Vortheil des Geschäftes mit dem der Kunden zu verschmelzen gewußt hat, in¬
dem man die letztern zu Theilhabern des erstem machte, haben wir schon
gezeigt. Wo also bei unsern höhern Ständen wirklich der Drang zu helfen
eine solche Richtung nimmt, müssen wir den erfurter Vorgang unbedingt zur
Nachahmung empfehlen, der allen bisher gewöhnlichen mehr oder weniger
directen bloßen Subventionen bei weitem vorzuziehn ist.

Ist nach alledem die Sache für ein definitives Urtheil noch um so weni¬
ger reif, als über den Gang der in Erfurt angebahnten Geschäfte noch keine
Erfahrungen vorliegen, so kann doch die Erörterung der in der erfurter Schrift
angeregten Differenzen der ganzen gegenwärtig so bedeutend vorschreitendem
Associationsbewegung nur dienlich sein, wenn sie in eingehender Weise, mit
Abwägung der Gründe und Gegengründe, wie dies im Vorstehenden versucht
ist, geschieht. Allein ein so oberflächliches einseitiges Absprechen, so vage und
unmotivirte Behauptungen, wie die der erfurter Schrift, welche, anstatt die
eigentlichen Streitfragen scharf zu fassen und bestimmt zu beantworten, sie
vielmehr verwirren und verdrehen, fördern die Einsicht nicht. So fällt es
z. B. niemandem, am wenigsten dem Unterzeichneten ein, das Wohlthätige von
Konsumvereinen zu bestreiten, zu deren Gründung er ja mehrfach aufgefordert
und thätig mitgewirkt hat. Nur will er sie mit Vvrschußkassen und Nohstoff-
associationen nicht vermengt wissen, und hatte seine Gründe dafür den leiten¬
den Personen in Erfurt aus deren ausdrückliches Verlangen mitgetheilt. Die
wohlthätige Wirksamkeit eines Vorschußvereins aber, wie die erfurter Schrift
thut, darnach bemessen wollen, ob er seinen Mitgliedern billiges Brot, Heiz¬
material und drgl. liefert, enthält eine Folgerung, welche logisch etwa mit
derjenigen auf einer Stufe steht, wonach man die Tüchtigkeit eines Professors
der Chemie für um so größer achten wollte, je besser der Mann sich auf die
Tanzkunst verstände. Der Handel mit den erwähnten Waaren und die Lieferung
baarer Geldsummen auf Credit sind ganz verschiedene Dinge, und eine Vor-
schußbank hat sich eben ihrem Begriff wie ihrer Bestimmung nach mit letzterer
Aufgabe zu befassen und wirkt um so tüchtiger und nützlicher, in je höherem
Grade sie dieselbe erfüllt, d. h. je mehr sie das Creditbedürfniß ihrer Mit¬
glieder so vollständig und mit so großem Vortheil für sie als möglich befrie¬
digt. Hierzu gehört aber grade, daß sie, sich dieser Aufgabe ganz und mit
ungetheilter Aufmerksamkeit hingebe, und sich nicht durch Aufnahme ganz fremd¬
artiger Geschäfte davon abziehn, ja sogar durch das damit verbundene Risiko in
ihrem Bestehn gefährden läßt. Nach der erfurter Schrift sieht es so aus,
als ließen sich die obigen in sich ganz verschiedenartigen Zwecke eben nur
vereint, in einer solchen Association für alles erreichen, und als wolle der,
welcher nicht für eine solche Vermengung ist, überhaupt davon nichts wissen.


wie sinnreich und originell man dies alles in dem Statut geordnet und-den
Vortheil des Geschäftes mit dem der Kunden zu verschmelzen gewußt hat, in¬
dem man die letztern zu Theilhabern des erstem machte, haben wir schon
gezeigt. Wo also bei unsern höhern Ständen wirklich der Drang zu helfen
eine solche Richtung nimmt, müssen wir den erfurter Vorgang unbedingt zur
Nachahmung empfehlen, der allen bisher gewöhnlichen mehr oder weniger
directen bloßen Subventionen bei weitem vorzuziehn ist.

Ist nach alledem die Sache für ein definitives Urtheil noch um so weni¬
ger reif, als über den Gang der in Erfurt angebahnten Geschäfte noch keine
Erfahrungen vorliegen, so kann doch die Erörterung der in der erfurter Schrift
angeregten Differenzen der ganzen gegenwärtig so bedeutend vorschreitendem
Associationsbewegung nur dienlich sein, wenn sie in eingehender Weise, mit
Abwägung der Gründe und Gegengründe, wie dies im Vorstehenden versucht
ist, geschieht. Allein ein so oberflächliches einseitiges Absprechen, so vage und
unmotivirte Behauptungen, wie die der erfurter Schrift, welche, anstatt die
eigentlichen Streitfragen scharf zu fassen und bestimmt zu beantworten, sie
vielmehr verwirren und verdrehen, fördern die Einsicht nicht. So fällt es
z. B. niemandem, am wenigsten dem Unterzeichneten ein, das Wohlthätige von
Konsumvereinen zu bestreiten, zu deren Gründung er ja mehrfach aufgefordert
und thätig mitgewirkt hat. Nur will er sie mit Vvrschußkassen und Nohstoff-
associationen nicht vermengt wissen, und hatte seine Gründe dafür den leiten¬
den Personen in Erfurt aus deren ausdrückliches Verlangen mitgetheilt. Die
wohlthätige Wirksamkeit eines Vorschußvereins aber, wie die erfurter Schrift
thut, darnach bemessen wollen, ob er seinen Mitgliedern billiges Brot, Heiz¬
material und drgl. liefert, enthält eine Folgerung, welche logisch etwa mit
derjenigen auf einer Stufe steht, wonach man die Tüchtigkeit eines Professors
der Chemie für um so größer achten wollte, je besser der Mann sich auf die
Tanzkunst verstände. Der Handel mit den erwähnten Waaren und die Lieferung
baarer Geldsummen auf Credit sind ganz verschiedene Dinge, und eine Vor-
schußbank hat sich eben ihrem Begriff wie ihrer Bestimmung nach mit letzterer
Aufgabe zu befassen und wirkt um so tüchtiger und nützlicher, in je höherem
Grade sie dieselbe erfüllt, d. h. je mehr sie das Creditbedürfniß ihrer Mit¬
glieder so vollständig und mit so großem Vortheil für sie als möglich befrie¬
digt. Hierzu gehört aber grade, daß sie, sich dieser Aufgabe ganz und mit
ungetheilter Aufmerksamkeit hingebe, und sich nicht durch Aufnahme ganz fremd¬
artiger Geschäfte davon abziehn, ja sogar durch das damit verbundene Risiko in
ihrem Bestehn gefährden läßt. Nach der erfurter Schrift sieht es so aus,
als ließen sich die obigen in sich ganz verschiedenartigen Zwecke eben nur
vereint, in einer solchen Association für alles erreichen, und als wolle der,
welcher nicht für eine solche Vermengung ist, überhaupt davon nichts wissen.


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[0022] wie sinnreich und originell man dies alles in dem Statut geordnet und-den Vortheil des Geschäftes mit dem der Kunden zu verschmelzen gewußt hat, in¬ dem man die letztern zu Theilhabern des erstem machte, haben wir schon gezeigt. Wo also bei unsern höhern Ständen wirklich der Drang zu helfen eine solche Richtung nimmt, müssen wir den erfurter Vorgang unbedingt zur Nachahmung empfehlen, der allen bisher gewöhnlichen mehr oder weniger directen bloßen Subventionen bei weitem vorzuziehn ist. Ist nach alledem die Sache für ein definitives Urtheil noch um so weni¬ ger reif, als über den Gang der in Erfurt angebahnten Geschäfte noch keine Erfahrungen vorliegen, so kann doch die Erörterung der in der erfurter Schrift angeregten Differenzen der ganzen gegenwärtig so bedeutend vorschreitendem Associationsbewegung nur dienlich sein, wenn sie in eingehender Weise, mit Abwägung der Gründe und Gegengründe, wie dies im Vorstehenden versucht ist, geschieht. Allein ein so oberflächliches einseitiges Absprechen, so vage und unmotivirte Behauptungen, wie die der erfurter Schrift, welche, anstatt die eigentlichen Streitfragen scharf zu fassen und bestimmt zu beantworten, sie vielmehr verwirren und verdrehen, fördern die Einsicht nicht. So fällt es z. B. niemandem, am wenigsten dem Unterzeichneten ein, das Wohlthätige von Konsumvereinen zu bestreiten, zu deren Gründung er ja mehrfach aufgefordert und thätig mitgewirkt hat. Nur will er sie mit Vvrschußkassen und Nohstoff- associationen nicht vermengt wissen, und hatte seine Gründe dafür den leiten¬ den Personen in Erfurt aus deren ausdrückliches Verlangen mitgetheilt. Die wohlthätige Wirksamkeit eines Vorschußvereins aber, wie die erfurter Schrift thut, darnach bemessen wollen, ob er seinen Mitgliedern billiges Brot, Heiz¬ material und drgl. liefert, enthält eine Folgerung, welche logisch etwa mit derjenigen auf einer Stufe steht, wonach man die Tüchtigkeit eines Professors der Chemie für um so größer achten wollte, je besser der Mann sich auf die Tanzkunst verstände. Der Handel mit den erwähnten Waaren und die Lieferung baarer Geldsummen auf Credit sind ganz verschiedene Dinge, und eine Vor- schußbank hat sich eben ihrem Begriff wie ihrer Bestimmung nach mit letzterer Aufgabe zu befassen und wirkt um so tüchtiger und nützlicher, in je höherem Grade sie dieselbe erfüllt, d. h. je mehr sie das Creditbedürfniß ihrer Mit¬ glieder so vollständig und mit so großem Vortheil für sie als möglich befrie¬ digt. Hierzu gehört aber grade, daß sie, sich dieser Aufgabe ganz und mit ungetheilter Aufmerksamkeit hingebe, und sich nicht durch Aufnahme ganz fremd¬ artiger Geschäfte davon abziehn, ja sogar durch das damit verbundene Risiko in ihrem Bestehn gefährden läßt. Nach der erfurter Schrift sieht es so aus, als ließen sich die obigen in sich ganz verschiedenartigen Zwecke eben nur vereint, in einer solchen Association für alles erreichen, und als wolle der, welcher nicht für eine solche Vermengung ist, überhaupt davon nichts wissen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/22>, abgerufen am 22.12.2024.