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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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in allen ihren Gestalten zu erschöpfen, mir angenehme Erinnerungen auf eine
spätere Zeit zu sammeln, und endlich auch mir aus Erfahrung sagen zu kön¬
nen, welche stille nahe Freuden weit über die weit hergeholten gesuchten Ge¬
nüsse gehn; zu euch zurückzukehren und euch nicht wieder zu verlassen, das ist
mein Plan für die Zukunft. . . Bedürfniß der Ruhe ist es, was die Zeit be¬
stimmt, wo man suchen soll, es zu erlangen. In mir tobt grade das ent¬
gegengesetzte Bedürfniß, und wenn ich mit diesem unbefriedigten Bedürfniß
un Herzen mich jener für mich noch gar nicht anziehenden Aussicht aufopfere,
so werde ich ein unvollendetes, manquirtes Geschöpf werden und bleiben." --
Auch seine literarischen Versuche befriedigen ihn nicht: "Das Unzureichende,
Flache meiner Darstellung ärgert mich, aber ich kann dem nicht abhelfen, es
ist einmal heute keine Kraft in meiner Seele Tiefen." -- 11. August: "Mein
Zustand ist ganz eigentlich ein fortdauernder Priapismus des Geistes, ohne
Zweck, ohne Auflösung. Kein Versuch schlägt an; Naturgenuß, Einsamkeit,
gesellige Freude: nichts schlägt Funken aus mir heraus. Ich.sehe es mehr
als jemals, Reibung ist das Einzige, was bei mir etwas hervorbringen kann...
allein bin ich nichts, wenigstens für diese Thätigkeit."

Wie warm in ihm selber das Gefühl für Schiller lebte, zeigt namentlich
der Bericht von seinem Besuch in Mannheim (Juli 1788), wo er Jffland
kennen lernte und die übrigen Zeugen von Schillers Sturm- und Drang-
Periode. Schiller dachte des Abwesenden nur wenig*) und auch bei Huber
wurde endlich das Bild der leipziger Freunde durch einen mächtigern Eindruck
verdrängt.

Forsters kamen den 2. October 1788 an, eben als Huber durch eine ernste
Krankheit seinen zweideutigen Gesellschaftern entführt war. "Es ist närrisch,"
schreibt er am folgenden Tag an Körner, "daß auch so eine vorgefaßte Idee,
mit einem Menschen einen gewissen Umgang zu stiften, verlegen macht, und
wich nicht in meiner vortheilhaften Gestalt erscheinen läßt. Bald bin ich
i'"le und trocken, bald überspringe ich mich, bald plagt mich der Stolz:
el der Mensch muß meiner auch bedürftig sein! am Ende bin ich mit
wir wenig zufrieden und fange an zu schmollen." -- 11 Nov. "Förster
scheint ein gar guter Mensch zu sein, voll Feuer und reinen Gefühls und
echter Naivetät. Wäre der Umstand nicht, daß ihn ein paar Menschen um-



') Schiller an Körner, 1. Den, 1788! "Wegen H, hast du eine" Feuerstrahl in mein
^wissen geworfen. Suche sein Herz zu bewegen, daß er mir mein langes Stillschweigen
vergebe. Wenn ich seiner Versöhnung gewiß bin und das Vergangene ganz in Vergessenheit
M'ken darf, so will ich ihm frischweg schreiben." -- i, März 1790- "H. hat mir heut auch
geantwortet, und mich freut es herzlich, daß unser Verhältniß sich wiederfindet. Aber wie
rvnnte es anders kommen, wenn es einmal etwas Wirkliches war?" -- 15. April. "H. kann
!w inmer neuen Autorität denken; es freut mich aber gar sehr, daß er über
Äaugel um Beschäftigung klagt und daß ihm sein Beruf anfängt lieb zu werden."
Grenjl'öden II. 1359. 27

in allen ihren Gestalten zu erschöpfen, mir angenehme Erinnerungen auf eine
spätere Zeit zu sammeln, und endlich auch mir aus Erfahrung sagen zu kön¬
nen, welche stille nahe Freuden weit über die weit hergeholten gesuchten Ge¬
nüsse gehn; zu euch zurückzukehren und euch nicht wieder zu verlassen, das ist
mein Plan für die Zukunft. . . Bedürfniß der Ruhe ist es, was die Zeit be¬
stimmt, wo man suchen soll, es zu erlangen. In mir tobt grade das ent¬
gegengesetzte Bedürfniß, und wenn ich mit diesem unbefriedigten Bedürfniß
un Herzen mich jener für mich noch gar nicht anziehenden Aussicht aufopfere,
so werde ich ein unvollendetes, manquirtes Geschöpf werden und bleiben." —
Auch seine literarischen Versuche befriedigen ihn nicht: „Das Unzureichende,
Flache meiner Darstellung ärgert mich, aber ich kann dem nicht abhelfen, es
ist einmal heute keine Kraft in meiner Seele Tiefen." — 11. August: „Mein
Zustand ist ganz eigentlich ein fortdauernder Priapismus des Geistes, ohne
Zweck, ohne Auflösung. Kein Versuch schlägt an; Naturgenuß, Einsamkeit,
gesellige Freude: nichts schlägt Funken aus mir heraus. Ich.sehe es mehr
als jemals, Reibung ist das Einzige, was bei mir etwas hervorbringen kann...
allein bin ich nichts, wenigstens für diese Thätigkeit."

Wie warm in ihm selber das Gefühl für Schiller lebte, zeigt namentlich
der Bericht von seinem Besuch in Mannheim (Juli 1788), wo er Jffland
kennen lernte und die übrigen Zeugen von Schillers Sturm- und Drang-
Periode. Schiller dachte des Abwesenden nur wenig*) und auch bei Huber
wurde endlich das Bild der leipziger Freunde durch einen mächtigern Eindruck
verdrängt.

Forsters kamen den 2. October 1788 an, eben als Huber durch eine ernste
Krankheit seinen zweideutigen Gesellschaftern entführt war. „Es ist närrisch,"
schreibt er am folgenden Tag an Körner, „daß auch so eine vorgefaßte Idee,
mit einem Menschen einen gewissen Umgang zu stiften, verlegen macht, und
wich nicht in meiner vortheilhaften Gestalt erscheinen läßt. Bald bin ich
i'"le und trocken, bald überspringe ich mich, bald plagt mich der Stolz:
el der Mensch muß meiner auch bedürftig sein! am Ende bin ich mit
wir wenig zufrieden und fange an zu schmollen." — 11 Nov. „Förster
scheint ein gar guter Mensch zu sein, voll Feuer und reinen Gefühls und
echter Naivetät. Wäre der Umstand nicht, daß ihn ein paar Menschen um-



') Schiller an Körner, 1. Den, 1788! „Wegen H, hast du eine» Feuerstrahl in mein
^wissen geworfen. Suche sein Herz zu bewegen, daß er mir mein langes Stillschweigen
vergebe. Wenn ich seiner Versöhnung gewiß bin und das Vergangene ganz in Vergessenheit
M'ken darf, so will ich ihm frischweg schreiben." — i, März 1790- „H. hat mir heut auch
geantwortet, und mich freut es herzlich, daß unser Verhältniß sich wiederfindet. Aber wie
rvnnte es anders kommen, wenn es einmal etwas Wirkliches war?" — 15. April. „H. kann
!w inmer neuen Autorität denken; es freut mich aber gar sehr, daß er über
Äaugel um Beschäftigung klagt und daß ihm sein Beruf anfängt lieb zu werden."
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[0219] in allen ihren Gestalten zu erschöpfen, mir angenehme Erinnerungen auf eine spätere Zeit zu sammeln, und endlich auch mir aus Erfahrung sagen zu kön¬ nen, welche stille nahe Freuden weit über die weit hergeholten gesuchten Ge¬ nüsse gehn; zu euch zurückzukehren und euch nicht wieder zu verlassen, das ist mein Plan für die Zukunft. . . Bedürfniß der Ruhe ist es, was die Zeit be¬ stimmt, wo man suchen soll, es zu erlangen. In mir tobt grade das ent¬ gegengesetzte Bedürfniß, und wenn ich mit diesem unbefriedigten Bedürfniß un Herzen mich jener für mich noch gar nicht anziehenden Aussicht aufopfere, so werde ich ein unvollendetes, manquirtes Geschöpf werden und bleiben." — Auch seine literarischen Versuche befriedigen ihn nicht: „Das Unzureichende, Flache meiner Darstellung ärgert mich, aber ich kann dem nicht abhelfen, es ist einmal heute keine Kraft in meiner Seele Tiefen." — 11. August: „Mein Zustand ist ganz eigentlich ein fortdauernder Priapismus des Geistes, ohne Zweck, ohne Auflösung. Kein Versuch schlägt an; Naturgenuß, Einsamkeit, gesellige Freude: nichts schlägt Funken aus mir heraus. Ich.sehe es mehr als jemals, Reibung ist das Einzige, was bei mir etwas hervorbringen kann... allein bin ich nichts, wenigstens für diese Thätigkeit." Wie warm in ihm selber das Gefühl für Schiller lebte, zeigt namentlich der Bericht von seinem Besuch in Mannheim (Juli 1788), wo er Jffland kennen lernte und die übrigen Zeugen von Schillers Sturm- und Drang- Periode. Schiller dachte des Abwesenden nur wenig*) und auch bei Huber wurde endlich das Bild der leipziger Freunde durch einen mächtigern Eindruck verdrängt. Forsters kamen den 2. October 1788 an, eben als Huber durch eine ernste Krankheit seinen zweideutigen Gesellschaftern entführt war. „Es ist närrisch," schreibt er am folgenden Tag an Körner, „daß auch so eine vorgefaßte Idee, mit einem Menschen einen gewissen Umgang zu stiften, verlegen macht, und wich nicht in meiner vortheilhaften Gestalt erscheinen läßt. Bald bin ich i'"le und trocken, bald überspringe ich mich, bald plagt mich der Stolz: el der Mensch muß meiner auch bedürftig sein! am Ende bin ich mit wir wenig zufrieden und fange an zu schmollen." — 11 Nov. „Förster scheint ein gar guter Mensch zu sein, voll Feuer und reinen Gefühls und echter Naivetät. Wäre der Umstand nicht, daß ihn ein paar Menschen um- ') Schiller an Körner, 1. Den, 1788! „Wegen H, hast du eine» Feuerstrahl in mein ^wissen geworfen. Suche sein Herz zu bewegen, daß er mir mein langes Stillschweigen vergebe. Wenn ich seiner Versöhnung gewiß bin und das Vergangene ganz in Vergessenheit M'ken darf, so will ich ihm frischweg schreiben." — i, März 1790- „H. hat mir heut auch geantwortet, und mich freut es herzlich, daß unser Verhältniß sich wiederfindet. Aber wie rvnnte es anders kommen, wenn es einmal etwas Wirkliches war?" — 15. April. „H. kann !w inmer neuen Autorität denken; es freut mich aber gar sehr, daß er über Äaugel um Beschäftigung klagt und daß ihm sein Beruf anfängt lieb zu werden." Grenjl'öden II. 1359. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/219>, abgerufen am 23.12.2024.