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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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gewinnen, ist nicht besanne; seine Uebersetzung Geßners Ins Französische ver¬
schaffte ihm einen nicht unbedeutenden Namen. Nachdem er eine gebildete
Schneiderstöchter geheirathet, ging er 1766 nach Leipzig, um Unterricht im
Französischen zu geben. AIs Katholik konnte er keinen Lehrstuhl erhalten,
wurde aber vom Kurfürsten durch eine kleine Pension und den Professortitel
entschädigt. Die Messen führten ihm viele Fremde zu, und seine Kunstlieb¬
haberei vermehrte den Kreis angesehener Bekanntschaften: er bekam Auftrüge,
Kupferstiche zu kaufen, Copien von Gemälden anfertigen zu lassen, Erkun¬
digungen über diesen oder jenen literarischen oder artistischen Gegenstand ein-
zuziehn; so bildete er sich mit den bescheidensten Mitteln eine in ihrer Art
glänzende Existenz, und erzählte in den Briefen seinem Sohn immer sehr
genau, welche Fürsten, Grafen und Standespersonen ihn besucht oder ein¬
geladen hätten. Madame Huber gründete einige Jahre nach ihrer Ankunft
einen Kosttisch für vornehme Studirende, den sie bis 1786 fortführte, und
den ihr Mann durch geistvolle Unterhaltung belebte. Mit den alten litera¬
rischen Bekannten in Frankreich stand er in fortdauernden Verkehr.

Ferdinand war bereits in Paris 1764 geboren; ältere Geschwister waren
frühzeitig gestorben. Er wurde von seiner Mutter im höchsten Grade verzär¬
telt und infolge dessen körperlich schwach: er lernte weder reiten noch tanzen
und litt unerträglich am Schwindel. Im Uebrigen war er keineswegs lin¬
kisch; ein talentvoller Schauspieler, im Extemporiren geübt; seine Bildung
war ganz französisch. Die Mutter hielt ihn unter kleinlicher Aussicht; sie
öffnete die an ihn gerichteten Briefe, so oft es ihr einfiel, schickte ihm Mägde
nach, um alle seine Schritte zu bewachen, und controlirte bis in die zwan¬
ziger Jahre hinein seine Ausgaben. Ans dieser Behandlung leitet Therese
seule Verschlossenheit her: er strebte nach Unabhängigkeit im Handeln, und
da die Eltern in ihren Ansprüchen an seine Mittheilung keine Wahl trafen,
betrachtete er alles, was er ihren Augen entziehen konnte, als sein rechtmäßig
erbeutetes Eigenthum. In der Religion ließ man ihn frei gewähren, und er
blieb in dieser Beziehung bis an sein Lebensende indifferent.

Noch sehr jung schloß er sich an den acht Jahre ältern Körner an (geb.
zu Leipzig 2. Juli 1756), der seit 1778 Privatdocent, seit 1781 Consistorial-
advocat daselbst war und erst 1783 als Consistorinlrath nach Dresden verseht
wurde. Der feste Charakter dieses Mannes und seine solide Bildung gaben
dein schwankenden Wesen des Jüngern einen Halt. Bei dem frischen Auf--
keimen der 'Literatur ergab sich für den strebsamen -Jüngling die literarische
Beschäftigung von selbst: schon früh übersetzte er aus dem Englischen und
Französischen, u. a. ein Trauerspiel von Beaumont und Fletcher, welches
1783 ohne Erfolg in Leipzig aufgeführt wurde. Der alte Huber hatte den
Gram, in seinem Sohn einen leidenschaftlichen Anhänger des regellosen Shake-


gewinnen, ist nicht besanne; seine Uebersetzung Geßners Ins Französische ver¬
schaffte ihm einen nicht unbedeutenden Namen. Nachdem er eine gebildete
Schneiderstöchter geheirathet, ging er 1766 nach Leipzig, um Unterricht im
Französischen zu geben. AIs Katholik konnte er keinen Lehrstuhl erhalten,
wurde aber vom Kurfürsten durch eine kleine Pension und den Professortitel
entschädigt. Die Messen führten ihm viele Fremde zu, und seine Kunstlieb¬
haberei vermehrte den Kreis angesehener Bekanntschaften: er bekam Auftrüge,
Kupferstiche zu kaufen, Copien von Gemälden anfertigen zu lassen, Erkun¬
digungen über diesen oder jenen literarischen oder artistischen Gegenstand ein-
zuziehn; so bildete er sich mit den bescheidensten Mitteln eine in ihrer Art
glänzende Existenz, und erzählte in den Briefen seinem Sohn immer sehr
genau, welche Fürsten, Grafen und Standespersonen ihn besucht oder ein¬
geladen hätten. Madame Huber gründete einige Jahre nach ihrer Ankunft
einen Kosttisch für vornehme Studirende, den sie bis 1786 fortführte, und
den ihr Mann durch geistvolle Unterhaltung belebte. Mit den alten litera¬
rischen Bekannten in Frankreich stand er in fortdauernden Verkehr.

Ferdinand war bereits in Paris 1764 geboren; ältere Geschwister waren
frühzeitig gestorben. Er wurde von seiner Mutter im höchsten Grade verzär¬
telt und infolge dessen körperlich schwach: er lernte weder reiten noch tanzen
und litt unerträglich am Schwindel. Im Uebrigen war er keineswegs lin¬
kisch; ein talentvoller Schauspieler, im Extemporiren geübt; seine Bildung
war ganz französisch. Die Mutter hielt ihn unter kleinlicher Aussicht; sie
öffnete die an ihn gerichteten Briefe, so oft es ihr einfiel, schickte ihm Mägde
nach, um alle seine Schritte zu bewachen, und controlirte bis in die zwan¬
ziger Jahre hinein seine Ausgaben. Ans dieser Behandlung leitet Therese
seule Verschlossenheit her: er strebte nach Unabhängigkeit im Handeln, und
da die Eltern in ihren Ansprüchen an seine Mittheilung keine Wahl trafen,
betrachtete er alles, was er ihren Augen entziehen konnte, als sein rechtmäßig
erbeutetes Eigenthum. In der Religion ließ man ihn frei gewähren, und er
blieb in dieser Beziehung bis an sein Lebensende indifferent.

Noch sehr jung schloß er sich an den acht Jahre ältern Körner an (geb.
zu Leipzig 2. Juli 1756), der seit 1778 Privatdocent, seit 1781 Consistorial-
advocat daselbst war und erst 1783 als Consistorinlrath nach Dresden verseht
wurde. Der feste Charakter dieses Mannes und seine solide Bildung gaben
dein schwankenden Wesen des Jüngern einen Halt. Bei dem frischen Auf--
keimen der 'Literatur ergab sich für den strebsamen -Jüngling die literarische
Beschäftigung von selbst: schon früh übersetzte er aus dem Englischen und
Französischen, u. a. ein Trauerspiel von Beaumont und Fletcher, welches
1783 ohne Erfolg in Leipzig aufgeführt wurde. Der alte Huber hatte den
Gram, in seinem Sohn einen leidenschaftlichen Anhänger des regellosen Shake-


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[0214] gewinnen, ist nicht besanne; seine Uebersetzung Geßners Ins Französische ver¬ schaffte ihm einen nicht unbedeutenden Namen. Nachdem er eine gebildete Schneiderstöchter geheirathet, ging er 1766 nach Leipzig, um Unterricht im Französischen zu geben. AIs Katholik konnte er keinen Lehrstuhl erhalten, wurde aber vom Kurfürsten durch eine kleine Pension und den Professortitel entschädigt. Die Messen führten ihm viele Fremde zu, und seine Kunstlieb¬ haberei vermehrte den Kreis angesehener Bekanntschaften: er bekam Auftrüge, Kupferstiche zu kaufen, Copien von Gemälden anfertigen zu lassen, Erkun¬ digungen über diesen oder jenen literarischen oder artistischen Gegenstand ein- zuziehn; so bildete er sich mit den bescheidensten Mitteln eine in ihrer Art glänzende Existenz, und erzählte in den Briefen seinem Sohn immer sehr genau, welche Fürsten, Grafen und Standespersonen ihn besucht oder ein¬ geladen hätten. Madame Huber gründete einige Jahre nach ihrer Ankunft einen Kosttisch für vornehme Studirende, den sie bis 1786 fortführte, und den ihr Mann durch geistvolle Unterhaltung belebte. Mit den alten litera¬ rischen Bekannten in Frankreich stand er in fortdauernden Verkehr. Ferdinand war bereits in Paris 1764 geboren; ältere Geschwister waren frühzeitig gestorben. Er wurde von seiner Mutter im höchsten Grade verzär¬ telt und infolge dessen körperlich schwach: er lernte weder reiten noch tanzen und litt unerträglich am Schwindel. Im Uebrigen war er keineswegs lin¬ kisch; ein talentvoller Schauspieler, im Extemporiren geübt; seine Bildung war ganz französisch. Die Mutter hielt ihn unter kleinlicher Aussicht; sie öffnete die an ihn gerichteten Briefe, so oft es ihr einfiel, schickte ihm Mägde nach, um alle seine Schritte zu bewachen, und controlirte bis in die zwan¬ ziger Jahre hinein seine Ausgaben. Ans dieser Behandlung leitet Therese seule Verschlossenheit her: er strebte nach Unabhängigkeit im Handeln, und da die Eltern in ihren Ansprüchen an seine Mittheilung keine Wahl trafen, betrachtete er alles, was er ihren Augen entziehen konnte, als sein rechtmäßig erbeutetes Eigenthum. In der Religion ließ man ihn frei gewähren, und er blieb in dieser Beziehung bis an sein Lebensende indifferent. Noch sehr jung schloß er sich an den acht Jahre ältern Körner an (geb. zu Leipzig 2. Juli 1756), der seit 1778 Privatdocent, seit 1781 Consistorial- advocat daselbst war und erst 1783 als Consistorinlrath nach Dresden verseht wurde. Der feste Charakter dieses Mannes und seine solide Bildung gaben dein schwankenden Wesen des Jüngern einen Halt. Bei dem frischen Auf-- keimen der 'Literatur ergab sich für den strebsamen -Jüngling die literarische Beschäftigung von selbst: schon früh übersetzte er aus dem Englischen und Französischen, u. a. ein Trauerspiel von Beaumont und Fletcher, welches 1783 ohne Erfolg in Leipzig aufgeführt wurde. Der alte Huber hatte den Gram, in seinem Sohn einen leidenschaftlichen Anhänger des regellosen Shake-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/214>, abgerufen am 23.12.2024.