Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.so bestimmten Ausdruck entschließt er sich überhaupt selten, aber er deutet doch so bestimmten Ausdruck entschließt er sich überhaupt selten, aber er deutet doch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0198" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107245"/> <p xml:id="ID_568" prev="#ID_567"> so bestimmten Ausdruck entschließt er sich überhaupt selten, aber er deutet doch<lb/> an, daß er seinem eignen Urtheil eine weit größere Tiefe zuschreibe. Und in der<lb/> That, Fürst Metternich hat ihn gradezu bezaubert. Er deutet zwar an, daß<lb/> er in manchen Punkten von ihm abweiche,; als der Fürst ihm sagte, sein<lb/> Princip sei die Erhaltung des Bestehenden, wagte er einzuschieben: „und die<lb/> Fortbildung" mit dem Bewußtsein, damit etwas Erhebliches gesagt haben,<lb/> worauf aber Metternich mit erhöhter Stimme wiederholte: „mein Princip ist<lb/> die Erhaltung des Bestehenden!" Hier findet nun Varnhagen die Kluft, die<lb/> sie voneinander trennt. Indessen schiebt er die Hauptschuld auf die östreichi¬<lb/> schen Interessen, die Metternich gezwungen, so zu handeln wie er handelte;<lb/> in Preußen würde er ein sehr liberaler Staatsmann gewesen sein, was ihm<lb/> Metternich auch zugab: — unsere östreichischen Brüder mögen sich dafür bei<lb/> den beiden Herrn bedanken! Richtiger ist eine andere Bemerkung: Metternich,<lb/> obgleich ein Feind des Liberalismus, sei im persönlichen Verkehr entschieden<lb/> liberal gewesen d.h. er habe honette Leute honett zu behandeln gewußt: eine<lb/> Gabe, die sich bei preußischen Staatsmännern seltener findet. So hatte er<lb/> z. B. nichts dagegen, wenn Personen von Qualität die verbotenen Bücher<lb/> studirten. es kam ihm auch gar nicht auf die innern Gesinnungen der Leute<lb/> an, die er brauchte, wenn sie nur brauchbar waren. „Daß der Fürst, den<lb/> ich in religiösen Dingen als einen Freidenker gekannt, sich jetzt einen katho¬<lb/> lischen Gläubigen nannte, wunderte mich nicht allzusehr, ich wußte, was ich<lb/> der Nothwendigkeit, welche seiner Stellung auflag, der langwierigen Gewöh¬<lb/> nung an nicht abzuweisende Formen und auch den Stimmungen des hohem<lb/> Alters hierbei zurechnen dürste. Dabei zeigte sich keine Spur von Unduldsam¬<lb/> keit. Auch wußte ich, daß er noch kürzlich von schwer abzuweisenden und<lb/> sich oft erneuernden fanatischen Nöthigungen gedrängt, diesen kräftig wider¬<lb/> standen, und sie diesmal völlig niedergeschlagen hatte. Die menschlichen Rück¬<lb/> sichten, den sogenannten rsspeet nnmaw, die er neben den Geboten der Pflicht<lb/> und der Staatszwecke durchaus nicht dulden wollte, übte im persönlichen Ver¬<lb/> kehr niemand liebenswürdiger und wohlthuender aus. als grade er selbst. Nicht<lb/> nur, daß sein ursprüngliches Naturell harmlos und gütig war und seine Gegen¬<lb/> wart ein gewisses Behagen verbreitete, sondern auch bewußt und absichtlich<lb/> bewies er in diesem Sinn die zarteste Aufmerksamkeit und zwar so leise und<lb/> unscheinbar, daß auch darin wieder ein Zauber lag." „Freiheit und Gleich¬<lb/> heit, für den Staatsmann gewiß kein Wahlspruch, konnten ganz und gar als der<lb/> des Menschen gelten. Eine sehr liebenswürdige Seite des Fürsten war auch<lb/> seine Theilnahme für wissenschaftliche Sachen, für Kunstfleiß und Geschick-<lb/> lichkeiten." — So nahm er z. B. lebhaftes Interesse an der Kunst, in Papier<lb/> zu schnitzeln, worin Varnhagen bekanntlich Meister war. und sagte diesem da-<lb/> übcr viel schmeichelhaftes.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0198]
so bestimmten Ausdruck entschließt er sich überhaupt selten, aber er deutet doch
an, daß er seinem eignen Urtheil eine weit größere Tiefe zuschreibe. Und in der
That, Fürst Metternich hat ihn gradezu bezaubert. Er deutet zwar an, daß
er in manchen Punkten von ihm abweiche,; als der Fürst ihm sagte, sein
Princip sei die Erhaltung des Bestehenden, wagte er einzuschieben: „und die
Fortbildung" mit dem Bewußtsein, damit etwas Erhebliches gesagt haben,
worauf aber Metternich mit erhöhter Stimme wiederholte: „mein Princip ist
die Erhaltung des Bestehenden!" Hier findet nun Varnhagen die Kluft, die
sie voneinander trennt. Indessen schiebt er die Hauptschuld auf die östreichi¬
schen Interessen, die Metternich gezwungen, so zu handeln wie er handelte;
in Preußen würde er ein sehr liberaler Staatsmann gewesen sein, was ihm
Metternich auch zugab: — unsere östreichischen Brüder mögen sich dafür bei
den beiden Herrn bedanken! Richtiger ist eine andere Bemerkung: Metternich,
obgleich ein Feind des Liberalismus, sei im persönlichen Verkehr entschieden
liberal gewesen d.h. er habe honette Leute honett zu behandeln gewußt: eine
Gabe, die sich bei preußischen Staatsmännern seltener findet. So hatte er
z. B. nichts dagegen, wenn Personen von Qualität die verbotenen Bücher
studirten. es kam ihm auch gar nicht auf die innern Gesinnungen der Leute
an, die er brauchte, wenn sie nur brauchbar waren. „Daß der Fürst, den
ich in religiösen Dingen als einen Freidenker gekannt, sich jetzt einen katho¬
lischen Gläubigen nannte, wunderte mich nicht allzusehr, ich wußte, was ich
der Nothwendigkeit, welche seiner Stellung auflag, der langwierigen Gewöh¬
nung an nicht abzuweisende Formen und auch den Stimmungen des hohem
Alters hierbei zurechnen dürste. Dabei zeigte sich keine Spur von Unduldsam¬
keit. Auch wußte ich, daß er noch kürzlich von schwer abzuweisenden und
sich oft erneuernden fanatischen Nöthigungen gedrängt, diesen kräftig wider¬
standen, und sie diesmal völlig niedergeschlagen hatte. Die menschlichen Rück¬
sichten, den sogenannten rsspeet nnmaw, die er neben den Geboten der Pflicht
und der Staatszwecke durchaus nicht dulden wollte, übte im persönlichen Ver¬
kehr niemand liebenswürdiger und wohlthuender aus. als grade er selbst. Nicht
nur, daß sein ursprüngliches Naturell harmlos und gütig war und seine Gegen¬
wart ein gewisses Behagen verbreitete, sondern auch bewußt und absichtlich
bewies er in diesem Sinn die zarteste Aufmerksamkeit und zwar so leise und
unscheinbar, daß auch darin wieder ein Zauber lag." „Freiheit und Gleich¬
heit, für den Staatsmann gewiß kein Wahlspruch, konnten ganz und gar als der
des Menschen gelten. Eine sehr liebenswürdige Seite des Fürsten war auch
seine Theilnahme für wissenschaftliche Sachen, für Kunstfleiß und Geschick-
lichkeiten." — So nahm er z. B. lebhaftes Interesse an der Kunst, in Papier
zu schnitzeln, worin Varnhagen bekanntlich Meister war. und sagte diesem da-
übcr viel schmeichelhaftes.
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