Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.dieser Stelle mit Fug und Wahrheit sagen durfte, und bemerkte unter andern, Metternich. der vielleicht kein so großer Staatsmann war, als er hier Herr von Varnhagen nennt zwar dieses Urtheil nicht unrichtig, zu einem 24 *
dieser Stelle mit Fug und Wahrheit sagen durfte, und bemerkte unter andern, Metternich. der vielleicht kein so großer Staatsmann war, als er hier Herr von Varnhagen nennt zwar dieses Urtheil nicht unrichtig, zu einem 24 *
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0197" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107244"/> <p xml:id="ID_565" prev="#ID_564"> dieser Stelle mit Fug und Wahrheit sagen durfte, und bemerkte unter andern,<lb/> wenn Friedrich Schlegel für seine jugendlichen Thaten und Schriften so scharf<lb/> behandelt worden wäre, so würde er nimmer kaiserlich östreichischer Legations¬<lb/> rath geworden sein, noch vom Papst den Christusorden erhalten haben. Dies<lb/> war das einzige Mal, daß der Fürst etwas lachte. Am allerwenigsten, fuhr ich<lb/> fort, lassen sich solche junge Talente erkaufen; die schlechten aber, die sich etwa<lb/> verführen lassen, erniedrigen sich ganz, und sind nun unbrauchbar. Der Fürst<lb/> gab mir vollkommen Recht, und versicherte, er habe nie einen Heller bezahlt,<lb/> um in solcher Art gegnerische Stimmen für sich zu gewinnen. Die größte<lb/> Lobrede, fuhr er sort, die mir je gehalten worden, hat Heine gemacht,<lb/> Heine, mit dem Sie ja befreundet sind. — Ich erhob die Augen, und fragte wo<lb/> und wie denn? —In dem Buch über Frankreich. Da spricht er von mir als von<lb/> einem Feinde, aber als von einem, der bei der Stange geblieben, nie gebuhlt<lb/> mit dem Liberalismus, nie doppeltes Spiel gespielt. Ich weiß recht gut, daß er<lb/> mich nur gelobt, um seinen heftigen Haß gegen andere desto schneidender zu<lb/> machen, allein er würde dazu jenes Lob nicht haben brauchen können, wenn<lb/> es nicht aus die Wahrheit gegründet würe."</p><lb/> <p xml:id="ID_566"> Metternich. der vielleicht kein so großer Staatsmann war, als er hier<lb/> -und anderwärts geschildert wird, war jedenfalls ein Mann vom feinsten Ge¬<lb/> schmack; die stilistischen Regeln, die hier Varnhagen mittheilt, sind ohne Aus¬<lb/> nahme vortrefflich und musiergiltig, und er wußte sehr wohl, ein feines Lob<lb/> auch bei seinem Feinde zu würdigen. Was Heine hier sagt, ist in der That<lb/> um so schmeichelhafter, da es Heine sagt, und man wird das Lob um so<lb/> mehr würdigen, wenn man ein anderes Urtheil vergleicht, welches 1828<lb/> W. v. Humboldt über Metternich gegen Varnhagen geäußert hatte. „Ein<lb/> schwacher, inconsequenter Minister," so ungefähr lautete es, „der, so wie das<lb/> Glück ihn einen Augenblick verläßt, in größter Verlegenheit ist, oder gar keine<lb/> Ansichten hat, alles persönlich nimmt, gegen schwache Gegner fast gar nichts<lb/> ausgerichtet hat, dabei falsch und.hinterlistig ist und am Ende mit Schanden<lb/> bestehn wird; es ist ihm gelungen, den Kaiser Alexander eine Zeit lang zu be¬<lb/> thören und zu gängeln, das ist auch alles; in Deutschland und Italien hat<lb/> er immer nur den Augenblick beschwichtigt, aber nirgend etwas Wesentliches<lb/> hervorgebracht; durch persönliche Manieren hat er auch den Lord Castlereagh<lb/> und den Fürsten Hatzfeld eingefangen, und das war eben nichts Großes! Er<lb/> war von Anfang günstig gestellt, die Umstände kamen ihm zu Hilfe, alle<lb/> Mittel Oestreichs lagen in seiner Hand, dem Kaiser Franz gab er nach und<lb/> gewöhnte ihn dadurch ihm nachzugeben; — hätte er sich von unten empor¬<lb/> arbeiten sollen, so würde er es nicht weit gebracht haben." In ähnlicher Weise<lb/> hatte auch der Minister von Stein geurtheilt.</p><lb/> <p xml:id="ID_567" next="#ID_568"> Herr von Varnhagen nennt zwar dieses Urtheil nicht unrichtig, zu einem</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 24 *</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0197]
dieser Stelle mit Fug und Wahrheit sagen durfte, und bemerkte unter andern,
wenn Friedrich Schlegel für seine jugendlichen Thaten und Schriften so scharf
behandelt worden wäre, so würde er nimmer kaiserlich östreichischer Legations¬
rath geworden sein, noch vom Papst den Christusorden erhalten haben. Dies
war das einzige Mal, daß der Fürst etwas lachte. Am allerwenigsten, fuhr ich
fort, lassen sich solche junge Talente erkaufen; die schlechten aber, die sich etwa
verführen lassen, erniedrigen sich ganz, und sind nun unbrauchbar. Der Fürst
gab mir vollkommen Recht, und versicherte, er habe nie einen Heller bezahlt,
um in solcher Art gegnerische Stimmen für sich zu gewinnen. Die größte
Lobrede, fuhr er sort, die mir je gehalten worden, hat Heine gemacht,
Heine, mit dem Sie ja befreundet sind. — Ich erhob die Augen, und fragte wo
und wie denn? —In dem Buch über Frankreich. Da spricht er von mir als von
einem Feinde, aber als von einem, der bei der Stange geblieben, nie gebuhlt
mit dem Liberalismus, nie doppeltes Spiel gespielt. Ich weiß recht gut, daß er
mich nur gelobt, um seinen heftigen Haß gegen andere desto schneidender zu
machen, allein er würde dazu jenes Lob nicht haben brauchen können, wenn
es nicht aus die Wahrheit gegründet würe."
Metternich. der vielleicht kein so großer Staatsmann war, als er hier
-und anderwärts geschildert wird, war jedenfalls ein Mann vom feinsten Ge¬
schmack; die stilistischen Regeln, die hier Varnhagen mittheilt, sind ohne Aus¬
nahme vortrefflich und musiergiltig, und er wußte sehr wohl, ein feines Lob
auch bei seinem Feinde zu würdigen. Was Heine hier sagt, ist in der That
um so schmeichelhafter, da es Heine sagt, und man wird das Lob um so
mehr würdigen, wenn man ein anderes Urtheil vergleicht, welches 1828
W. v. Humboldt über Metternich gegen Varnhagen geäußert hatte. „Ein
schwacher, inconsequenter Minister," so ungefähr lautete es, „der, so wie das
Glück ihn einen Augenblick verläßt, in größter Verlegenheit ist, oder gar keine
Ansichten hat, alles persönlich nimmt, gegen schwache Gegner fast gar nichts
ausgerichtet hat, dabei falsch und.hinterlistig ist und am Ende mit Schanden
bestehn wird; es ist ihm gelungen, den Kaiser Alexander eine Zeit lang zu be¬
thören und zu gängeln, das ist auch alles; in Deutschland und Italien hat
er immer nur den Augenblick beschwichtigt, aber nirgend etwas Wesentliches
hervorgebracht; durch persönliche Manieren hat er auch den Lord Castlereagh
und den Fürsten Hatzfeld eingefangen, und das war eben nichts Großes! Er
war von Anfang günstig gestellt, die Umstände kamen ihm zu Hilfe, alle
Mittel Oestreichs lagen in seiner Hand, dem Kaiser Franz gab er nach und
gewöhnte ihn dadurch ihm nachzugeben; — hätte er sich von unten empor¬
arbeiten sollen, so würde er es nicht weit gebracht haben." In ähnlicher Weise
hatte auch der Minister von Stein geurtheilt.
Herr von Varnhagen nennt zwar dieses Urtheil nicht unrichtig, zu einem
24 *
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |