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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Vertretung sollte nur berathend sein, sobald sie zusammentrat, geriet!) sie in
Conflict mit der Regierung. Pius ging vom Zaudern zur Furcht über. Die
Revolution und der Krieg gegen Oestreich brachen aus; er weigerte sich an
demselben Theil zu nehmen und mißbilligte ihn offen durch eine Encyclika,
die Revolution aber wuchs ihm über den Kops, Rossi ward ermordet und am
25. Sept. flüchtete der heilige Vater im Wagen der Gräfin Speur nach Ga-
eta. Die römische Republik ward erklärt und fiel vor den französischen Ba¬
jonetten, welche den Papst zurückführten. Fortan hatte man eine französische
Armee in Rom und eine östreichische in den Legationen, unter ihrem Schutz
herrscht der Cardinal Antonelli in der Weise, die man kennt, die Mißregie¬
rung ist schlimmer als jemals. Pius ist innerlich gebrochen und hat sich auf
kirchliche Interessen zurückgezogen.

Die Gewalt der Waffen hatte die alten Zustände auf der ganzen Halb¬
insel wiederhergestellt, mit Ausnahme Sardiniens, das ein repräsentativer
Staat geworden. Dasselbe brachte auf dem pariser Kongreß die Lage Ita¬
liens zur Sprache. Graf Walewski meinte, die Abnormität könne in Bezug
auf den Kirchenstaat nicht verkannt werden, daß eine Macht fremder Truppen
bedürfe, um sich in ihrem eignen Gebiet zu behaupten, und erklärte die
Bereitwilligkeit Frankreichs, seine Truppen aus Rom zurückzuziehen, -sobald
dies ohne Gefahr für die päpstlichen Staaten geschehen könne. Lord Claren¬
don trat dem Wunsche der Räumung nicht nur bei, sondern machte auch
darauf aufmerksam, daß man die Ursache des Uebels zu entfernen suchen
müsse, welches die Besetzung herbeigeführt und meinte, daß die Verwaltung
der römischen Staaten Unzuträglichkeiten biete, woraus ernste Gefahren ent¬
stehen können. Er empfahl wenigstens für die Legationen die Säcularisation
der Verwaltung. Nußland und Preußen hielten sich zurück. Oestreich bekämpfte
die Beschwerden, welche Graf Cavour vorbrachte, konnte aber nicht umhin,
das Wünschenswerthe der Räumung anzuerkennen.

Zunächst wurden nun die Reformen in den päpstlichen Staaten Gegen¬
stand der Verhandlung zwischen Oestreich und Frankreich. Im Juni 1357 sandte
Graf Walewski einen Vorschlag nach Wien, dessen Grundzüge folgende waren:

1) Sncularisirung der Verwaltung und Bildung eines Staatsrathes von
Laien, der die Gesetze prüfen und discutiren soll.

5 2) Vertretung aller Landesinteressen durch eine Consulta. die unmittelbar
durch die Provinzialräthe oder doch wenigstens aus einer von ihnen präsen-
tirten Liste durch den Papst gewählt würde, und alle Gesetze berathen so wie
das Budget bewilligen solle.

3) Wirksame Controle der örtlichen Ausgaben durch Provinzialräthe,
welche von den Municipalräthen, die selbst wieder gewählt sein würden, zu
delegiren wären, gemäß dem Edict von 1850.


Vertretung sollte nur berathend sein, sobald sie zusammentrat, geriet!) sie in
Conflict mit der Regierung. Pius ging vom Zaudern zur Furcht über. Die
Revolution und der Krieg gegen Oestreich brachen aus; er weigerte sich an
demselben Theil zu nehmen und mißbilligte ihn offen durch eine Encyclika,
die Revolution aber wuchs ihm über den Kops, Rossi ward ermordet und am
25. Sept. flüchtete der heilige Vater im Wagen der Gräfin Speur nach Ga-
eta. Die römische Republik ward erklärt und fiel vor den französischen Ba¬
jonetten, welche den Papst zurückführten. Fortan hatte man eine französische
Armee in Rom und eine östreichische in den Legationen, unter ihrem Schutz
herrscht der Cardinal Antonelli in der Weise, die man kennt, die Mißregie¬
rung ist schlimmer als jemals. Pius ist innerlich gebrochen und hat sich auf
kirchliche Interessen zurückgezogen.

Die Gewalt der Waffen hatte die alten Zustände auf der ganzen Halb¬
insel wiederhergestellt, mit Ausnahme Sardiniens, das ein repräsentativer
Staat geworden. Dasselbe brachte auf dem pariser Kongreß die Lage Ita¬
liens zur Sprache. Graf Walewski meinte, die Abnormität könne in Bezug
auf den Kirchenstaat nicht verkannt werden, daß eine Macht fremder Truppen
bedürfe, um sich in ihrem eignen Gebiet zu behaupten, und erklärte die
Bereitwilligkeit Frankreichs, seine Truppen aus Rom zurückzuziehen, -sobald
dies ohne Gefahr für die päpstlichen Staaten geschehen könne. Lord Claren¬
don trat dem Wunsche der Räumung nicht nur bei, sondern machte auch
darauf aufmerksam, daß man die Ursache des Uebels zu entfernen suchen
müsse, welches die Besetzung herbeigeführt und meinte, daß die Verwaltung
der römischen Staaten Unzuträglichkeiten biete, woraus ernste Gefahren ent¬
stehen können. Er empfahl wenigstens für die Legationen die Säcularisation
der Verwaltung. Nußland und Preußen hielten sich zurück. Oestreich bekämpfte
die Beschwerden, welche Graf Cavour vorbrachte, konnte aber nicht umhin,
das Wünschenswerthe der Räumung anzuerkennen.

Zunächst wurden nun die Reformen in den päpstlichen Staaten Gegen¬
stand der Verhandlung zwischen Oestreich und Frankreich. Im Juni 1357 sandte
Graf Walewski einen Vorschlag nach Wien, dessen Grundzüge folgende waren:

1) Sncularisirung der Verwaltung und Bildung eines Staatsrathes von
Laien, der die Gesetze prüfen und discutiren soll.

5 2) Vertretung aller Landesinteressen durch eine Consulta. die unmittelbar
durch die Provinzialräthe oder doch wenigstens aus einer von ihnen präsen-
tirten Liste durch den Papst gewählt würde, und alle Gesetze berathen so wie
das Budget bewilligen solle.

3) Wirksame Controle der örtlichen Ausgaben durch Provinzialräthe,
welche von den Municipalräthen, die selbst wieder gewählt sein würden, zu
delegiren wären, gemäß dem Edict von 1850.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/192>, abgerufen am 22.12.2024.