Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.aufzuregen. Die katholischen Regierungen haben ein entferntes Haupt vorge¬ Der Kirchenstaat war wiederhergestellt, alle französischen Neuerungen wur¬ Grenzboten II. 1os9. 23
aufzuregen. Die katholischen Regierungen haben ein entferntes Haupt vorge¬ Der Kirchenstaat war wiederhergestellt, alle französischen Neuerungen wur¬ Grenzboten II. 1os9. 23
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0187" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107234"/> <p xml:id="ID_534" prev="#ID_533"> aufzuregen. Die katholischen Regierungen haben ein entferntes Haupt vorge¬<lb/> zogen, dessen Stimme nur schwach im Lande wiederhallt und der das größte<lb/> Interesse hat, die Rücksichten und die Schonung zu beobachten für die Mächte,<lb/> deren Bündnis; und Schutz ihm nothwendig sind. Früher hatte der Papst<lb/> in den Orden eine allzeit gehorsame Miliz, welche die rechten Pastoren unterdrückte<lb/> und immer geneigt war, die ultramontanen Doctrinen zu verbreiten, unsre Gesetze<lb/> haben diese Miliz beurlaubt, wir haben nur Weltgeistliche d. h. Bischöfe und<lb/> Priester, die selbst immer interessirt sind, unsre Grundsätze (d. h. die gallika-<lb/> nischen) wie ihre eigne Freiheit zu vertheidigen, denn dieselbe kann nur durch<lb/> diese Grundsätze garantirt werden." Man wird zugestehen, daß hier von der<lb/> Unterwerfung des Staates unter die kirchliche Autorität keine Rede ist, auch<lb/> kann man wol die Standhaftigkeit bewundern, welche die Curie bei den<lb/> Verhandlungen an den Tag legte, aber doch nicht verkennen, wie ohnmächtig<lb/> und gedemüthigt sie damals war, und daß ein Hauptgrund dafür der Verlust<lb/> der weltlich-fürstlichen Stellung des Papstes war. Nicht seiner Macht, son¬<lb/> dern der Gnade der europäischen Souveräne verdankte er seine Wiederein¬<lb/> setzung, und zwar wesentlich den'drei nichtkatholischen Herrschern von England,<lb/> Rußland und Preußen, während der allerchtistlichste König wenigstens Avig-<lb/> non behielt und seine Apostolische Majestät dringend die Legationen für sich<lb/> verlangte.</p><lb/> <p xml:id="ID_535" next="#ID_536"> Der Kirchenstaat war wiederhergestellt, alle französischen Neuerungen wur¬<lb/> den abgeschafft, alle alten Ordnungen wieder in Kraft gesetzt, und doch war<lb/> die Veränderung ungeheuer. Wir haben im vorigen Artikel gezeigt, welchen<lb/> Einfluß die Napoleonische Epoche aus die italienischen Völker gehabt. Sie hatten<lb/> eine geordnete Staatsverwaltung kennen lernen und mit der Wiedereinführung<lb/> aller alten Mißbrüuche und mangelhaften Einrichtungen legte man den Grund<lb/> der wachsenden Unzufriedenheit, die Verschwörungen und Attentate, die man<lb/> seit langer Zeit nicht mehr gekannt, schlugen ihren Wohnsitz in Rom wie in<lb/> den andern italienischen Städten auf und endigten mit der seit dem Mittel¬<lb/> alter unerhörten Vertreibung des heiligen Vaters. Aber weit bedeutender<lb/> nach außen wirkte der Umstand, daß ein Staatswesen wie das päpstliche nach<lb/> 1815 einzig in seiner Art geworden war. Vor der Revolution gab es die<lb/> geistlichen Reichsfürsten, welche Landeshoheit wie die Kurfürsten von Baiern<lb/> oder Hannover hatten, die Sücularisationen vernichteten diese Anomalien,<lb/> die des päpstlichen Staates trat desto schroffer hervor. Nach den großen<lb/> Kriegen begann eine Epoche der innern Entwickelung aller Staaten, die sich<lb/> mit der Dauer des Friedens steigerte, die Verbindungs- und Verkehrsanstalten<lb/> nahmen einen großartigen Ausschwung und näherten die Völker einander, die<lb/> Politische Freiheit machte eine Eroberung nach der andern, die Schranken,<lb/> welche die Reaction mühsam aufbaute, wurden nacheinander hinfällig, selbst</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1os9. 23</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0187]
aufzuregen. Die katholischen Regierungen haben ein entferntes Haupt vorge¬
zogen, dessen Stimme nur schwach im Lande wiederhallt und der das größte
Interesse hat, die Rücksichten und die Schonung zu beobachten für die Mächte,
deren Bündnis; und Schutz ihm nothwendig sind. Früher hatte der Papst
in den Orden eine allzeit gehorsame Miliz, welche die rechten Pastoren unterdrückte
und immer geneigt war, die ultramontanen Doctrinen zu verbreiten, unsre Gesetze
haben diese Miliz beurlaubt, wir haben nur Weltgeistliche d. h. Bischöfe und
Priester, die selbst immer interessirt sind, unsre Grundsätze (d. h. die gallika-
nischen) wie ihre eigne Freiheit zu vertheidigen, denn dieselbe kann nur durch
diese Grundsätze garantirt werden." Man wird zugestehen, daß hier von der
Unterwerfung des Staates unter die kirchliche Autorität keine Rede ist, auch
kann man wol die Standhaftigkeit bewundern, welche die Curie bei den
Verhandlungen an den Tag legte, aber doch nicht verkennen, wie ohnmächtig
und gedemüthigt sie damals war, und daß ein Hauptgrund dafür der Verlust
der weltlich-fürstlichen Stellung des Papstes war. Nicht seiner Macht, son¬
dern der Gnade der europäischen Souveräne verdankte er seine Wiederein¬
setzung, und zwar wesentlich den'drei nichtkatholischen Herrschern von England,
Rußland und Preußen, während der allerchtistlichste König wenigstens Avig-
non behielt und seine Apostolische Majestät dringend die Legationen für sich
verlangte.
Der Kirchenstaat war wiederhergestellt, alle französischen Neuerungen wur¬
den abgeschafft, alle alten Ordnungen wieder in Kraft gesetzt, und doch war
die Veränderung ungeheuer. Wir haben im vorigen Artikel gezeigt, welchen
Einfluß die Napoleonische Epoche aus die italienischen Völker gehabt. Sie hatten
eine geordnete Staatsverwaltung kennen lernen und mit der Wiedereinführung
aller alten Mißbrüuche und mangelhaften Einrichtungen legte man den Grund
der wachsenden Unzufriedenheit, die Verschwörungen und Attentate, die man
seit langer Zeit nicht mehr gekannt, schlugen ihren Wohnsitz in Rom wie in
den andern italienischen Städten auf und endigten mit der seit dem Mittel¬
alter unerhörten Vertreibung des heiligen Vaters. Aber weit bedeutender
nach außen wirkte der Umstand, daß ein Staatswesen wie das päpstliche nach
1815 einzig in seiner Art geworden war. Vor der Revolution gab es die
geistlichen Reichsfürsten, welche Landeshoheit wie die Kurfürsten von Baiern
oder Hannover hatten, die Sücularisationen vernichteten diese Anomalien,
die des päpstlichen Staates trat desto schroffer hervor. Nach den großen
Kriegen begann eine Epoche der innern Entwickelung aller Staaten, die sich
mit der Dauer des Friedens steigerte, die Verbindungs- und Verkehrsanstalten
nahmen einen großartigen Ausschwung und näherten die Völker einander, die
Politische Freiheit machte eine Eroberung nach der andern, die Schranken,
welche die Reaction mühsam aufbaute, wurden nacheinander hinfällig, selbst
Grenzboten II. 1os9. 23
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |