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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Es erhebt sich hierbei aber die Frage: soll der Verlust bei einer solchen
Devalvirung der Goldmünzen von der Staatskasse oder von den zur Zeit
dieselben besitzenden Privatpersonen getragen werden? Wenn bei der in Holland
und Belgien stattgehabten Demonetisation des Goldes die Staatskassen inner¬
halb eines angesetzten Termins die Landesgoldmünzen zu ihrem vollen Roni'
nalwerth gegen Silbergeld umgewechselt haben, so ist die Sachlage dort
anders gewesen als in Frankreich. In letzterem Staate hat nicht der Staat
für seine Rechnung die Goldmünzen prägen lassen und ausgegeben, sondern
die Ausmünzung ist auf Verlangen und sür Rechnung von Privaten geschehen.
Selbst aber dann, wenn auch in Frankreich die Staatskasse den Verlust über¬
nehmen müßte, so erscheint jedes für die Wiederherstellung der ursprünglichen
Silberwähruug gebrachte einmalige finanzielle Opfer sehr gering im Vergleich
mit den großen und' bleibenden Nachtheilen, die sich an die Beibehaltung des
jetzigen.Systems knüpfen. Da jedoch, wenn der Staat den unvermeidlichen
Verlust bei Devalvirung der Goldmünzen den Privaten überläßt, dieser sich
über unzählig viele Einzelne vertheilen und deshalb nicht sehr empfindlich sein
würde, erscheint es aus der vorhin erwähnten Rücksicht unbedenklich, beim
Eintritt einer solchen Maßregel von der Einwechselung von Staatswegen ab¬
zusehen.

Ein besonderer Grund für die Beseitigung der jetzt vorherrschenden Gold¬
währung und für die Rückkehr zur ursprünglichen reinen Silberwährung liegt
ferner in der Rücksicht auf das metrische Gewichtsystcm, welches immer weitere
Verbreitung findet und dessen Durchführung Frankreich so sehr zur Ehre ge¬
reicht. Sobald die Münzeinheit nicht mehr durch fünf Gramm Münzsilber,
sondern durch circa neunundzwanzig (Zentigramm Gold dargestellt wird, ent¬
steht eine nicht auszugleichende und höchst störende Lücke im allgemeinen
metrischen und Decimalsystem.

Herr Michel Chevalier schließt seine Darstellung mit folgender Betrachtung,

Auf zweierlei Weise kann man die Vorschriften der Münzgesetzgebung
vom Jahr 1803 brechen und für Frankreich die damit verknüpften, im Vor¬
stehenden angedeuteten Rechtsverletzungen, Leiden und Störungen aller Art
herbeiführen. Die erste Art und Weise, und zwar die offenere und kühnere,
würde die sein, unverzüglich dem gesetzgebenden Körper einen Gesetzentwurf
vorzulegen, worin erklärt wird, daß in Zukunft das Silber der Rolle ent¬
hoben sei, welche ihm die Gesetzgebung des Jahres 1803 zugetheilt hat, und
daß fortan Gold die Landeswährung sein soll. Die andere, furchtsamere Art
und Weise besteht darin, als ruhiger Zuschauer die Dinge immer weiter bis zu
Ende den Verlauf nehmen zu lassen, den sie von selbst eingeschlagen haben.
Alsdann wird das Silbergeld so zu sagen bis zum letzten Fünffrankstück aus
Frankreich unaufhaltsam fortgehen. Um endlich nur die kleineren Münzstücke


Es erhebt sich hierbei aber die Frage: soll der Verlust bei einer solchen
Devalvirung der Goldmünzen von der Staatskasse oder von den zur Zeit
dieselben besitzenden Privatpersonen getragen werden? Wenn bei der in Holland
und Belgien stattgehabten Demonetisation des Goldes die Staatskassen inner¬
halb eines angesetzten Termins die Landesgoldmünzen zu ihrem vollen Roni'
nalwerth gegen Silbergeld umgewechselt haben, so ist die Sachlage dort
anders gewesen als in Frankreich. In letzterem Staate hat nicht der Staat
für seine Rechnung die Goldmünzen prägen lassen und ausgegeben, sondern
die Ausmünzung ist auf Verlangen und sür Rechnung von Privaten geschehen.
Selbst aber dann, wenn auch in Frankreich die Staatskasse den Verlust über¬
nehmen müßte, so erscheint jedes für die Wiederherstellung der ursprünglichen
Silberwähruug gebrachte einmalige finanzielle Opfer sehr gering im Vergleich
mit den großen und' bleibenden Nachtheilen, die sich an die Beibehaltung des
jetzigen.Systems knüpfen. Da jedoch, wenn der Staat den unvermeidlichen
Verlust bei Devalvirung der Goldmünzen den Privaten überläßt, dieser sich
über unzählig viele Einzelne vertheilen und deshalb nicht sehr empfindlich sein
würde, erscheint es aus der vorhin erwähnten Rücksicht unbedenklich, beim
Eintritt einer solchen Maßregel von der Einwechselung von Staatswegen ab¬
zusehen.

Ein besonderer Grund für die Beseitigung der jetzt vorherrschenden Gold¬
währung und für die Rückkehr zur ursprünglichen reinen Silberwährung liegt
ferner in der Rücksicht auf das metrische Gewichtsystcm, welches immer weitere
Verbreitung findet und dessen Durchführung Frankreich so sehr zur Ehre ge¬
reicht. Sobald die Münzeinheit nicht mehr durch fünf Gramm Münzsilber,
sondern durch circa neunundzwanzig (Zentigramm Gold dargestellt wird, ent¬
steht eine nicht auszugleichende und höchst störende Lücke im allgemeinen
metrischen und Decimalsystem.

Herr Michel Chevalier schließt seine Darstellung mit folgender Betrachtung,

Auf zweierlei Weise kann man die Vorschriften der Münzgesetzgebung
vom Jahr 1803 brechen und für Frankreich die damit verknüpften, im Vor¬
stehenden angedeuteten Rechtsverletzungen, Leiden und Störungen aller Art
herbeiführen. Die erste Art und Weise, und zwar die offenere und kühnere,
würde die sein, unverzüglich dem gesetzgebenden Körper einen Gesetzentwurf
vorzulegen, worin erklärt wird, daß in Zukunft das Silber der Rolle ent¬
hoben sei, welche ihm die Gesetzgebung des Jahres 1803 zugetheilt hat, und
daß fortan Gold die Landeswährung sein soll. Die andere, furchtsamere Art
und Weise besteht darin, als ruhiger Zuschauer die Dinge immer weiter bis zu
Ende den Verlauf nehmen zu lassen, den sie von selbst eingeschlagen haben.
Alsdann wird das Silbergeld so zu sagen bis zum letzten Fünffrankstück aus
Frankreich unaufhaltsam fortgehen. Um endlich nur die kleineren Münzstücke


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[0184] Es erhebt sich hierbei aber die Frage: soll der Verlust bei einer solchen Devalvirung der Goldmünzen von der Staatskasse oder von den zur Zeit dieselben besitzenden Privatpersonen getragen werden? Wenn bei der in Holland und Belgien stattgehabten Demonetisation des Goldes die Staatskassen inner¬ halb eines angesetzten Termins die Landesgoldmünzen zu ihrem vollen Roni' nalwerth gegen Silbergeld umgewechselt haben, so ist die Sachlage dort anders gewesen als in Frankreich. In letzterem Staate hat nicht der Staat für seine Rechnung die Goldmünzen prägen lassen und ausgegeben, sondern die Ausmünzung ist auf Verlangen und sür Rechnung von Privaten geschehen. Selbst aber dann, wenn auch in Frankreich die Staatskasse den Verlust über¬ nehmen müßte, so erscheint jedes für die Wiederherstellung der ursprünglichen Silberwähruug gebrachte einmalige finanzielle Opfer sehr gering im Vergleich mit den großen und' bleibenden Nachtheilen, die sich an die Beibehaltung des jetzigen.Systems knüpfen. Da jedoch, wenn der Staat den unvermeidlichen Verlust bei Devalvirung der Goldmünzen den Privaten überläßt, dieser sich über unzählig viele Einzelne vertheilen und deshalb nicht sehr empfindlich sein würde, erscheint es aus der vorhin erwähnten Rücksicht unbedenklich, beim Eintritt einer solchen Maßregel von der Einwechselung von Staatswegen ab¬ zusehen. Ein besonderer Grund für die Beseitigung der jetzt vorherrschenden Gold¬ währung und für die Rückkehr zur ursprünglichen reinen Silberwährung liegt ferner in der Rücksicht auf das metrische Gewichtsystcm, welches immer weitere Verbreitung findet und dessen Durchführung Frankreich so sehr zur Ehre ge¬ reicht. Sobald die Münzeinheit nicht mehr durch fünf Gramm Münzsilber, sondern durch circa neunundzwanzig (Zentigramm Gold dargestellt wird, ent¬ steht eine nicht auszugleichende und höchst störende Lücke im allgemeinen metrischen und Decimalsystem. Herr Michel Chevalier schließt seine Darstellung mit folgender Betrachtung, Auf zweierlei Weise kann man die Vorschriften der Münzgesetzgebung vom Jahr 1803 brechen und für Frankreich die damit verknüpften, im Vor¬ stehenden angedeuteten Rechtsverletzungen, Leiden und Störungen aller Art herbeiführen. Die erste Art und Weise, und zwar die offenere und kühnere, würde die sein, unverzüglich dem gesetzgebenden Körper einen Gesetzentwurf vorzulegen, worin erklärt wird, daß in Zukunft das Silber der Rolle ent¬ hoben sei, welche ihm die Gesetzgebung des Jahres 1803 zugetheilt hat, und daß fortan Gold die Landeswährung sein soll. Die andere, furchtsamere Art und Weise besteht darin, als ruhiger Zuschauer die Dinge immer weiter bis zu Ende den Verlauf nehmen zu lassen, den sie von selbst eingeschlagen haben. Alsdann wird das Silbergeld so zu sagen bis zum letzten Fünffrankstück aus Frankreich unaufhaltsam fortgehen. Um endlich nur die kleineren Münzstücke

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/184>, abgerufen am 22.12.2024.