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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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gesetzte Ausbeutung der kalifornischen und australischen Goldfelder um weitere
etwa 2000 Mill. Thlr. sich vergrößern wird. Hierzu kommen nun die sonst
noch neu hinzukommenden und die fortdauernden Goldzuflüsse aus dem bri¬
tischen Kolumbien, Neuseeland u. s. w. so wie insbesondere aus dem asiatischen
Rußland, und dann auch aus den Productionsländern, welche früher die
regelmäßige Versorgung des Weltverkehrs "nit Gold übernommen hatten.
Dahin gehören Neugranada, Chili, Brasilien, Centralafrika, die Sundainseln
und in Europa Oestreich.

Es wird noch in Erinnerung sein, welch ein ungemeines Aussehen und
welche Aufregung die Kunde von dem entdeckten großen Goldreichthum Kali¬
forniens und darnach Australiens in der ganzen civilisirten Welt, namentlich
in den handeltreibenden Kreisen, anfangs hervorrief, und wie verschieden¬
artige Erwartungen sich an dies Ereignis) knüpften. Einige besorgten eine
sofort eintretende und in rascher Progression fortschreitende Werthverringerung
des Goldes und des Geldes überhaupt; andere meinten, die Hauptwirkung
der enormen Zunahme an baarem circulirendem Medium werde sich in einer
allgemeinen und anhaltenden Ermäßigung des Zinsfußes äußern.

Die bisherige Erfahrung ist beiden Ansichten entschieden entgegen-
getreten. Die Werthverringerung des Goldes, insofern sich diese der Natur
der Sache nach zunächst und am sichtbarsten in dem Werthverhältniß desselben
zum Silber geltend machen mußte, hat, nachdem allerdings zu Ende des
Jahres 1850 sich hierin ein Sinken von nahezu zwei Procent bemerklich gemacht
hatte, seitdem keine fernere Progression gezeigt, und hinsichtlich der Werth¬
verringerung des Geldes überhaupt, oder, was das Nämliche, der allgemei¬
nen Steigerung der Preise, gehen die Ansichten darüber sehr auseinander, wie
weit eine solche als allgemein und als erwiesen anzunehmen, und noch mehr,
ob selbige eine natürliche Folge der Vermehrung des Goldvorraths oder vor¬
nämlich nur durch Ausdehnung des Credits und der Speculationen herbei¬
geführt sei. Und was das erwartete Herabdrücken des Zinsfußes anlangt, so
haben der durchschnittliche Discont der Bank von England, dieses Haupt¬
reservoirs der Goldzuflüsse nach Europa, der in den Jahren 1855 bis 1857
beträchtlich höher war als je zuvor, so wie der eher höher als niedriger ge¬
wordene Zinsfuß für Hypotheken in mehren Ländern, den schlagenden Beweis
geliefert, daß die Vermehrung des circulirenden Mediums an sich auf die
Dauer nicht im Stande ist, den Zinsfuß herabzudrücken, weil dieser sich durch
das Verhältniß des Angebots von wirklichem Capital und der Nachfrage nach
solchem regulirt, bei welchen Transactionen das circulirende Medium nur für
die Vermittlung gebraucht wird, ja selbst nicht einmal hierzu bei größeren
Geschäften mehr erforderlich ist, sondern lediglich als Maßstab des Werthes
dient.


gesetzte Ausbeutung der kalifornischen und australischen Goldfelder um weitere
etwa 2000 Mill. Thlr. sich vergrößern wird. Hierzu kommen nun die sonst
noch neu hinzukommenden und die fortdauernden Goldzuflüsse aus dem bri¬
tischen Kolumbien, Neuseeland u. s. w. so wie insbesondere aus dem asiatischen
Rußland, und dann auch aus den Productionsländern, welche früher die
regelmäßige Versorgung des Weltverkehrs «nit Gold übernommen hatten.
Dahin gehören Neugranada, Chili, Brasilien, Centralafrika, die Sundainseln
und in Europa Oestreich.

Es wird noch in Erinnerung sein, welch ein ungemeines Aussehen und
welche Aufregung die Kunde von dem entdeckten großen Goldreichthum Kali¬
forniens und darnach Australiens in der ganzen civilisirten Welt, namentlich
in den handeltreibenden Kreisen, anfangs hervorrief, und wie verschieden¬
artige Erwartungen sich an dies Ereignis) knüpften. Einige besorgten eine
sofort eintretende und in rascher Progression fortschreitende Werthverringerung
des Goldes und des Geldes überhaupt; andere meinten, die Hauptwirkung
der enormen Zunahme an baarem circulirendem Medium werde sich in einer
allgemeinen und anhaltenden Ermäßigung des Zinsfußes äußern.

Die bisherige Erfahrung ist beiden Ansichten entschieden entgegen-
getreten. Die Werthverringerung des Goldes, insofern sich diese der Natur
der Sache nach zunächst und am sichtbarsten in dem Werthverhältniß desselben
zum Silber geltend machen mußte, hat, nachdem allerdings zu Ende des
Jahres 1850 sich hierin ein Sinken von nahezu zwei Procent bemerklich gemacht
hatte, seitdem keine fernere Progression gezeigt, und hinsichtlich der Werth¬
verringerung des Geldes überhaupt, oder, was das Nämliche, der allgemei¬
nen Steigerung der Preise, gehen die Ansichten darüber sehr auseinander, wie
weit eine solche als allgemein und als erwiesen anzunehmen, und noch mehr,
ob selbige eine natürliche Folge der Vermehrung des Goldvorraths oder vor¬
nämlich nur durch Ausdehnung des Credits und der Speculationen herbei¬
geführt sei. Und was das erwartete Herabdrücken des Zinsfußes anlangt, so
haben der durchschnittliche Discont der Bank von England, dieses Haupt¬
reservoirs der Goldzuflüsse nach Europa, der in den Jahren 1855 bis 1857
beträchtlich höher war als je zuvor, so wie der eher höher als niedriger ge¬
wordene Zinsfuß für Hypotheken in mehren Ländern, den schlagenden Beweis
geliefert, daß die Vermehrung des circulirenden Mediums an sich auf die
Dauer nicht im Stande ist, den Zinsfuß herabzudrücken, weil dieser sich durch
das Verhältniß des Angebots von wirklichem Capital und der Nachfrage nach
solchem regulirt, bei welchen Transactionen das circulirende Medium nur für
die Vermittlung gebraucht wird, ja selbst nicht einmal hierzu bei größeren
Geschäften mehr erforderlich ist, sondern lediglich als Maßstab des Werthes
dient.


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[0172] gesetzte Ausbeutung der kalifornischen und australischen Goldfelder um weitere etwa 2000 Mill. Thlr. sich vergrößern wird. Hierzu kommen nun die sonst noch neu hinzukommenden und die fortdauernden Goldzuflüsse aus dem bri¬ tischen Kolumbien, Neuseeland u. s. w. so wie insbesondere aus dem asiatischen Rußland, und dann auch aus den Productionsländern, welche früher die regelmäßige Versorgung des Weltverkehrs «nit Gold übernommen hatten. Dahin gehören Neugranada, Chili, Brasilien, Centralafrika, die Sundainseln und in Europa Oestreich. Es wird noch in Erinnerung sein, welch ein ungemeines Aussehen und welche Aufregung die Kunde von dem entdeckten großen Goldreichthum Kali¬ forniens und darnach Australiens in der ganzen civilisirten Welt, namentlich in den handeltreibenden Kreisen, anfangs hervorrief, und wie verschieden¬ artige Erwartungen sich an dies Ereignis) knüpften. Einige besorgten eine sofort eintretende und in rascher Progression fortschreitende Werthverringerung des Goldes und des Geldes überhaupt; andere meinten, die Hauptwirkung der enormen Zunahme an baarem circulirendem Medium werde sich in einer allgemeinen und anhaltenden Ermäßigung des Zinsfußes äußern. Die bisherige Erfahrung ist beiden Ansichten entschieden entgegen- getreten. Die Werthverringerung des Goldes, insofern sich diese der Natur der Sache nach zunächst und am sichtbarsten in dem Werthverhältniß desselben zum Silber geltend machen mußte, hat, nachdem allerdings zu Ende des Jahres 1850 sich hierin ein Sinken von nahezu zwei Procent bemerklich gemacht hatte, seitdem keine fernere Progression gezeigt, und hinsichtlich der Werth¬ verringerung des Geldes überhaupt, oder, was das Nämliche, der allgemei¬ nen Steigerung der Preise, gehen die Ansichten darüber sehr auseinander, wie weit eine solche als allgemein und als erwiesen anzunehmen, und noch mehr, ob selbige eine natürliche Folge der Vermehrung des Goldvorraths oder vor¬ nämlich nur durch Ausdehnung des Credits und der Speculationen herbei¬ geführt sei. Und was das erwartete Herabdrücken des Zinsfußes anlangt, so haben der durchschnittliche Discont der Bank von England, dieses Haupt¬ reservoirs der Goldzuflüsse nach Europa, der in den Jahren 1855 bis 1857 beträchtlich höher war als je zuvor, so wie der eher höher als niedriger ge¬ wordene Zinsfuß für Hypotheken in mehren Ländern, den schlagenden Beweis geliefert, daß die Vermehrung des circulirenden Mediums an sich auf die Dauer nicht im Stande ist, den Zinsfuß herabzudrücken, weil dieser sich durch das Verhältniß des Angebots von wirklichem Capital und der Nachfrage nach solchem regulirt, bei welchen Transactionen das circulirende Medium nur für die Vermittlung gebraucht wird, ja selbst nicht einmal hierzu bei größeren Geschäften mehr erforderlich ist, sondern lediglich als Maßstab des Werthes dient.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/172>, abgerufen am 22.12.2024.