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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Volk jauchzte, und stand umher, und nahm keinen Antheil, ja wie wenige
waren der Glücklichen, die im beschränkten Centrum eines Salons sich dem
lebhaften Viersprung, dem Schieben, dem Retiriren, dem unerwarteten Um¬
schwunge, der Wendung von rechts nach links, dem ävMrt, gracieux der be¬
wunderten Polka hingeben konnten. Weiß wie Schnee glänzten ihre Kleider
unter dem Kronleuchter, der sie fast ganz in seine Strahlen einhüllte, verklärt
waren die Gesichter dieser Auserwählten. Selig pries sich, wer als Zuschauer
in einem solchen Salon sich befand."

Solches geschah im Jahre 1844, und wenn seitdem der hitzige Enthu¬
siasmus sich abgekühlt hat, so ist, wie ich schon früher erwähnte, der zur
seintonigen "I'ollca tremlMnw" metamorphosirte volksthümliche?rg.88.Je auch
noch heute ein mit Recht äußerst beliebter Gesellschaftstanz; schade nur, daß
er so sehr von der Willkür des Tänzers abhängt, indem er dem Cancan eben-
sowol gleichen kann, wie dem anmuthigsten, poetischesten, sinnreichsten Spiel
der Glieder. Wenn er aber schön, wie es sich gehört, getanzt wird, dann
ist er die Anmuth, Zierlichkeit und Gemüthlichkeit, der Tanz der Grazien selbst,
und kann jeden Vergleich aushalten mit dem reizenden Bolero der Spanier,
der poetischen Kossakta der Russen, dem originellen Djoko der Walachen, und
dem gemüthvollen, sinnigen steirischen Nationaltanz! Die nächsten Anverwand¬
ten des ?rg,sHK sind wieder die?i'tuo2ka. und die Llcoenä,, welche letztere sich
selbst in viele deutsche Gegenden verirrt hat und, z. B. in Wien unter dem
Namen "Zäpperlpolka", sehr häusig getanzt wird. Sie trägt einen mehr
scherzhaften, neckischen als erotisch zarten Charakter an sich, und auch die zu
ihren Melodien gesungenen Texte sind zum größten Theil humoristischer Na¬
tur. Es gibt deren eine ziemlich bedeutende Anzahl; ich will nur einige der
gebräuchlichsten hier dem Wortlaut nach anführen, und nebenbei erwähnen,
daß sie, im Gegensatz zu den anmuthigen, rhythmusreichen, charakteristischen
Tanzmelodien in sehr vielen Fällen eines poetischen Werthes ermangeln und
sich recht bizarr, manchmal sogar trivial ausnehmen.


"Dalken buck aus weißem Mehl sie,
streut drauf Pfefferkuchen fein,
Reicht sie dem Hänschen in die
Kammer durch das Fensterlein.
""Tanz mit mir, kriegst einen Dalken,
Tanz mit mir, kriegst zwei von mir;
Unsre Mutter buck sie gestern
Und ich stahl sie heute ihr!""

Ein anderer Text zu der LKoeng. lautet folgendermaßen:


"O das wär doch eine Schande,
Möcht ein Weib den Mann mißhandeln:

Volk jauchzte, und stand umher, und nahm keinen Antheil, ja wie wenige
waren der Glücklichen, die im beschränkten Centrum eines Salons sich dem
lebhaften Viersprung, dem Schieben, dem Retiriren, dem unerwarteten Um¬
schwunge, der Wendung von rechts nach links, dem ävMrt, gracieux der be¬
wunderten Polka hingeben konnten. Weiß wie Schnee glänzten ihre Kleider
unter dem Kronleuchter, der sie fast ganz in seine Strahlen einhüllte, verklärt
waren die Gesichter dieser Auserwählten. Selig pries sich, wer als Zuschauer
in einem solchen Salon sich befand."

Solches geschah im Jahre 1844, und wenn seitdem der hitzige Enthu¬
siasmus sich abgekühlt hat, so ist, wie ich schon früher erwähnte, der zur
seintonigen „I'ollca tremlMnw" metamorphosirte volksthümliche?rg.88.Je auch
noch heute ein mit Recht äußerst beliebter Gesellschaftstanz; schade nur, daß
er so sehr von der Willkür des Tänzers abhängt, indem er dem Cancan eben-
sowol gleichen kann, wie dem anmuthigsten, poetischesten, sinnreichsten Spiel
der Glieder. Wenn er aber schön, wie es sich gehört, getanzt wird, dann
ist er die Anmuth, Zierlichkeit und Gemüthlichkeit, der Tanz der Grazien selbst,
und kann jeden Vergleich aushalten mit dem reizenden Bolero der Spanier,
der poetischen Kossakta der Russen, dem originellen Djoko der Walachen, und
dem gemüthvollen, sinnigen steirischen Nationaltanz! Die nächsten Anverwand¬
ten des ?rg,sHK sind wieder die?i'tuo2ka. und die Llcoenä,, welche letztere sich
selbst in viele deutsche Gegenden verirrt hat und, z. B. in Wien unter dem
Namen „Zäpperlpolka", sehr häusig getanzt wird. Sie trägt einen mehr
scherzhaften, neckischen als erotisch zarten Charakter an sich, und auch die zu
ihren Melodien gesungenen Texte sind zum größten Theil humoristischer Na¬
tur. Es gibt deren eine ziemlich bedeutende Anzahl; ich will nur einige der
gebräuchlichsten hier dem Wortlaut nach anführen, und nebenbei erwähnen,
daß sie, im Gegensatz zu den anmuthigen, rhythmusreichen, charakteristischen
Tanzmelodien in sehr vielen Fällen eines poetischen Werthes ermangeln und
sich recht bizarr, manchmal sogar trivial ausnehmen.


„Dalken buck aus weißem Mehl sie,
streut drauf Pfefferkuchen fein,
Reicht sie dem Hänschen in die
Kammer durch das Fensterlein.
„„Tanz mit mir, kriegst einen Dalken,
Tanz mit mir, kriegst zwei von mir;
Unsre Mutter buck sie gestern
Und ich stahl sie heute ihr!""

Ein anderer Text zu der LKoeng. lautet folgendermaßen:


„O das wär doch eine Schande,
Möcht ein Weib den Mann mißhandeln:

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[0164] Volk jauchzte, und stand umher, und nahm keinen Antheil, ja wie wenige waren der Glücklichen, die im beschränkten Centrum eines Salons sich dem lebhaften Viersprung, dem Schieben, dem Retiriren, dem unerwarteten Um¬ schwunge, der Wendung von rechts nach links, dem ävMrt, gracieux der be¬ wunderten Polka hingeben konnten. Weiß wie Schnee glänzten ihre Kleider unter dem Kronleuchter, der sie fast ganz in seine Strahlen einhüllte, verklärt waren die Gesichter dieser Auserwählten. Selig pries sich, wer als Zuschauer in einem solchen Salon sich befand." Solches geschah im Jahre 1844, und wenn seitdem der hitzige Enthu¬ siasmus sich abgekühlt hat, so ist, wie ich schon früher erwähnte, der zur seintonigen „I'ollca tremlMnw" metamorphosirte volksthümliche?rg.88.Je auch noch heute ein mit Recht äußerst beliebter Gesellschaftstanz; schade nur, daß er so sehr von der Willkür des Tänzers abhängt, indem er dem Cancan eben- sowol gleichen kann, wie dem anmuthigsten, poetischesten, sinnreichsten Spiel der Glieder. Wenn er aber schön, wie es sich gehört, getanzt wird, dann ist er die Anmuth, Zierlichkeit und Gemüthlichkeit, der Tanz der Grazien selbst, und kann jeden Vergleich aushalten mit dem reizenden Bolero der Spanier, der poetischen Kossakta der Russen, dem originellen Djoko der Walachen, und dem gemüthvollen, sinnigen steirischen Nationaltanz! Die nächsten Anverwand¬ ten des ?rg,sHK sind wieder die?i'tuo2ka. und die Llcoenä,, welche letztere sich selbst in viele deutsche Gegenden verirrt hat und, z. B. in Wien unter dem Namen „Zäpperlpolka", sehr häusig getanzt wird. Sie trägt einen mehr scherzhaften, neckischen als erotisch zarten Charakter an sich, und auch die zu ihren Melodien gesungenen Texte sind zum größten Theil humoristischer Na¬ tur. Es gibt deren eine ziemlich bedeutende Anzahl; ich will nur einige der gebräuchlichsten hier dem Wortlaut nach anführen, und nebenbei erwähnen, daß sie, im Gegensatz zu den anmuthigen, rhythmusreichen, charakteristischen Tanzmelodien in sehr vielen Fällen eines poetischen Werthes ermangeln und sich recht bizarr, manchmal sogar trivial ausnehmen. „Dalken buck aus weißem Mehl sie, streut drauf Pfefferkuchen fein, Reicht sie dem Hänschen in die Kammer durch das Fensterlein. „„Tanz mit mir, kriegst einen Dalken, Tanz mit mir, kriegst zwei von mir; Unsre Mutter buck sie gestern Und ich stahl sie heute ihr!"" Ein anderer Text zu der LKoeng. lautet folgendermaßen: „O das wär doch eine Schande, Möcht ein Weib den Mann mißhandeln:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/164>, abgerufen am 22.12.2024.