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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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der Staatseinkünfte betraut; aber auch in der Mark hatte z. B. Ludwig der
Römer einen Hofjuden Fritzel, welcher in seinem Gefolge war und spater auch
ein Amt in Spandau erhielt.

Auch noch in anderer Beziehung, als was ihre Darlehen betrifft, waren
die Juden durch das Recht privilegirt. Es galt in Deutschland im Allgemei¬
nen der Sah, daß wer in den Besitz einer gestohlenen oder geraubten Sache
-- und'mochte es auf die redlichste Weise geschehen sein --gekommen war, die¬
selbe dem Eigenthümer oder einem andern Kläger, welcher ein stärkeres Recht
nachwies, herausgeben mußte, ohne Anspruch auf den Ersatz des Kaufgeldes
zu haben, für welches er sie erwarb, oder des Darlehens, wegen dessen sie
ihm verpfändet wurde. Nur zu Gunsten der Juden machte man eine Aus¬
nahme. Da sie gewerbsmäßig Sachen kauften oder Geld auf Pfänder liehen,
so galt es als Beeinträchtigung ihres Geschäfts, wenn man sie denselben
strengen Grundsätzen unterwerfen wollte. Man hielt es für eine Unmöglich¬
keit und unzweckmäßige Beschränkung des Verkehrs, wenn der Jude jedesmal
zuerst untersuchen sollte, ob der Verkäufer oder der Verpfnnder auch aus recht¬
mäßige Weise in den Besitz gekommen sei. und verpflichtete ihn daher nur
dann die Sache dem Eigenthümer Herauszugeben, wenn ihm dieser seinen
Aufwand ersetzte. Zuerst wird dies Vorrecht in dem Privileg für die Juden
Speiers vom Jahr 1090 erwähnt: wenn ein Jude die bei ihm gefundenen
gestohlenen Sachen gekauft zu haben behauptet, kann er mit seinem Eide die
Höhe des Kaufpreises erhärte" und gibt sie nur gegen Erlegung desselben
heraus. Vorausgesetzt wird dabei aber immer, daß der Jude von dem vi-
tiuiu der Sache keine Kunde hatte, und einen Eid leistet, er habe nicht ge¬
wußt, daß sie gestohlen oder geraubt sei. Die Gesetze enthalten einzelne Be¬
stimmungen, nach denen eine Präsumtion für den redlichen oder unredlichen
Erwerb entstehen soll. Gegen den Juden wird vermuthet, wenn er Kirchen¬
gut kauft oder als Pfand nimmt, Kelche, geistliche Bücher, Meßgewänder;
kann er sich über den redlichen Erwerb nicht ausweisen, so wird er als Dieb
bestraft. Er soll auf kein blutiges oder nasses Gewand Darlehen geben; er
soll nicht Leuten, welche als Räuber oder Diebe verdächtig sind, Geld auf
Pfänder leihen. Es entsteht ein Verdacht, wenn er die Sache nicht unver¬
hohlen und unverstohlcn bei Tageslicht, sondern bei verschlossenen Thüren kauft.

Einzelne den Juden wohlgesinnte Rechte heben auch diese Beschränkungen
auf; so bestimmte der Erzbischof von Mainz im Jahr 1517, als -er einem
Juden den Aufenthalt zu Mainz gewährte, daß er auch auf Sachen, welche
er für gestohlen erachtet, Geld leihen oder sie kaufen dürfe und daß dann
der Eigenthümer sie von ihm lösen müsse. Dieses ganze Vorrecht hob die
Reichspolizeiordnung von 1577 aus: werden in ihrem Besitz gestohlene Sachen
gefunden, so sollen sie sie ganz ohne alle Entschädigung herausgeben.


der Staatseinkünfte betraut; aber auch in der Mark hatte z. B. Ludwig der
Römer einen Hofjuden Fritzel, welcher in seinem Gefolge war und spater auch
ein Amt in Spandau erhielt.

Auch noch in anderer Beziehung, als was ihre Darlehen betrifft, waren
die Juden durch das Recht privilegirt. Es galt in Deutschland im Allgemei¬
nen der Sah, daß wer in den Besitz einer gestohlenen oder geraubten Sache
— und'mochte es auf die redlichste Weise geschehen sein —gekommen war, die¬
selbe dem Eigenthümer oder einem andern Kläger, welcher ein stärkeres Recht
nachwies, herausgeben mußte, ohne Anspruch auf den Ersatz des Kaufgeldes
zu haben, für welches er sie erwarb, oder des Darlehens, wegen dessen sie
ihm verpfändet wurde. Nur zu Gunsten der Juden machte man eine Aus¬
nahme. Da sie gewerbsmäßig Sachen kauften oder Geld auf Pfänder liehen,
so galt es als Beeinträchtigung ihres Geschäfts, wenn man sie denselben
strengen Grundsätzen unterwerfen wollte. Man hielt es für eine Unmöglich¬
keit und unzweckmäßige Beschränkung des Verkehrs, wenn der Jude jedesmal
zuerst untersuchen sollte, ob der Verkäufer oder der Verpfnnder auch aus recht¬
mäßige Weise in den Besitz gekommen sei. und verpflichtete ihn daher nur
dann die Sache dem Eigenthümer Herauszugeben, wenn ihm dieser seinen
Aufwand ersetzte. Zuerst wird dies Vorrecht in dem Privileg für die Juden
Speiers vom Jahr 1090 erwähnt: wenn ein Jude die bei ihm gefundenen
gestohlenen Sachen gekauft zu haben behauptet, kann er mit seinem Eide die
Höhe des Kaufpreises erhärte« und gibt sie nur gegen Erlegung desselben
heraus. Vorausgesetzt wird dabei aber immer, daß der Jude von dem vi-
tiuiu der Sache keine Kunde hatte, und einen Eid leistet, er habe nicht ge¬
wußt, daß sie gestohlen oder geraubt sei. Die Gesetze enthalten einzelne Be¬
stimmungen, nach denen eine Präsumtion für den redlichen oder unredlichen
Erwerb entstehen soll. Gegen den Juden wird vermuthet, wenn er Kirchen¬
gut kauft oder als Pfand nimmt, Kelche, geistliche Bücher, Meßgewänder;
kann er sich über den redlichen Erwerb nicht ausweisen, so wird er als Dieb
bestraft. Er soll auf kein blutiges oder nasses Gewand Darlehen geben; er
soll nicht Leuten, welche als Räuber oder Diebe verdächtig sind, Geld auf
Pfänder leihen. Es entsteht ein Verdacht, wenn er die Sache nicht unver¬
hohlen und unverstohlcn bei Tageslicht, sondern bei verschlossenen Thüren kauft.

Einzelne den Juden wohlgesinnte Rechte heben auch diese Beschränkungen
auf; so bestimmte der Erzbischof von Mainz im Jahr 1517, als -er einem
Juden den Aufenthalt zu Mainz gewährte, daß er auch auf Sachen, welche
er für gestohlen erachtet, Geld leihen oder sie kaufen dürfe und daß dann
der Eigenthümer sie von ihm lösen müsse. Dieses ganze Vorrecht hob die
Reichspolizeiordnung von 1577 aus: werden in ihrem Besitz gestohlene Sachen
gefunden, so sollen sie sie ganz ohne alle Entschädigung herausgeben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/148>, abgerufen am 22.12.2024.