Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.Thüren und Fenster schließen und sich auf den Straßen nicht sehen lassen; In den Städten bildeten die Juden eigne Gemeinden mit besondern Vor¬ Thüren und Fenster schließen und sich auf den Straßen nicht sehen lassen; In den Städten bildeten die Juden eigne Gemeinden mit besondern Vor¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0142" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107189"/> <p xml:id="ID_403" prev="#ID_402"> Thüren und Fenster schließen und sich auf den Straßen nicht sehen lassen;<lb/> ihr Erscheinen wird als Verspottung der christlichen Religion ausgelegt (irr<lb/> contumeliam üäei eliri8dia.ng.ez). Und in der That mag ihr Benehmen an<lb/> den hohen christlichen Feiertagen dies Gebot gerechtfertigt haben. Schon die<lb/> Kaiser Honorius und Teodosius rügen es, daß die Juden zum Zeichen ihrer<lb/> Verachtung des Christenthums an ihren Festtagen ein Kreuz verbrennen, und<lb/> auch aus Deutschland erfahren wir, daß Juden am Charfreitag sich festlich<lb/> ankleideten, auf der Straße herumstanden und die Processionen verspotteten. So<lb/> wie in Spanien unter maurischer Herrschaft die Juden schweinslederne Gürtel<lb/> tragen und nicht zu Pferde, sondern auf Mauleseln und Eseln reiten sollen,<lb/> um sich von den Christen zu unterscheiden, so wurden auch in den christlichen<lb/> Staaten besondere Abzeichen in der Kleidung für sie bestimmt, um sie von andern<lb/> ehrbaren Leuten zu unterscheiden. Nach dem Schwabenspiegel sollen sie spitze Hüte<lb/> — das charakteristische Zeichen der Heiden — von gelber Farbe tragen, vielleicht<lb/> weil gelb die Farbe des Reichs war, damit sie durch dieselbe als kaiserliche Kammer¬<lb/> knechte bezeichnet würden. Wer den Hut nicht trügt, wird bestraft; demgemäß<lb/> wird der Jude mit diesem spitzen weißen oder gelben Hut auch auf den Bildern<lb/> bezeichnet, welche im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert zum Sachsen¬<lb/> spiegel verfertigt wurden. Die Provincialsynode zu Mainz schreibt vor, daß<lb/> die Männer einen Zirkel gelber Fäden auf der Brust, die Weiber zwei Strei¬<lb/> fen von Holzfarbe auf dem Kopftuche tragen sollen. Nach der Reichspolizei-<lb/> ordnung von 1530 sollen „die Juden einen gelben Ring an dem Rock oder<lb/> Kappen allenthalben unverborgen, zu ihrer Erkenntniß öffentlich tragen." Und<lb/> auch außerhalb Deutschlands ergehen ähnliche Vorschriften, in Frankreich im Jahr<lb/> 1269, daß sie auf Brust und Rücken ein Zeichen scharlachrother Farbe tragen;<lb/> Philipp der Kühne bestimmte für die französischen Juden ein Horn, welches<lb/> in den Haaren befestigt und von dem Fiscus gekauft werden mußte. Zu<lb/> Malta mußten sie unter ihrem Bart ein rothes Zeichen von der Große des<lb/> königlichen Siegels tragen; Papst Paul der Zweite befahl ihnen, rothe Mäntel<lb/> zu tragen und nahm nur die Mediciner und Artisten aus u. f. w. Selbst<lb/> noch im Tode sonderte man den Juden vom Christen. Als im vierzehnten Jahr¬<lb/> hundert zu Brünn ein Jude wegen Diebstahls gehängt wurde, steckte man ihn<lb/> in eine ganz besondere Kleidung, ut g. mi'istiaiiis susxeiisis Zi8eernei'cor;<lb/> zu Nürnberg hing man einen Juden außerhalb des Galgens an einen Balken<lb/> auf und setzte ihm einen Judcnhut mit heißem Pech auf den Kops. Zu<lb/> Mainz richtete man im Jahr 1567 für einen Juden einen besondern halben<lb/> Galgen auf und that ihm, wie es heißt, die Gnade, daß man ihn am Hals<lb/> und einen schwarzen Hund neben ihm aufhing.</p><lb/> <p xml:id="ID_404" next="#ID_405"> In den Städten bildeten die Juden eigne Gemeinden mit besondern Vor¬<lb/> stehern, dem Meister 5uclW0i'um ^rMLMÄMsus, Judenbischof. In Worms</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0142]
Thüren und Fenster schließen und sich auf den Straßen nicht sehen lassen;
ihr Erscheinen wird als Verspottung der christlichen Religion ausgelegt (irr
contumeliam üäei eliri8dia.ng.ez). Und in der That mag ihr Benehmen an
den hohen christlichen Feiertagen dies Gebot gerechtfertigt haben. Schon die
Kaiser Honorius und Teodosius rügen es, daß die Juden zum Zeichen ihrer
Verachtung des Christenthums an ihren Festtagen ein Kreuz verbrennen, und
auch aus Deutschland erfahren wir, daß Juden am Charfreitag sich festlich
ankleideten, auf der Straße herumstanden und die Processionen verspotteten. So
wie in Spanien unter maurischer Herrschaft die Juden schweinslederne Gürtel
tragen und nicht zu Pferde, sondern auf Mauleseln und Eseln reiten sollen,
um sich von den Christen zu unterscheiden, so wurden auch in den christlichen
Staaten besondere Abzeichen in der Kleidung für sie bestimmt, um sie von andern
ehrbaren Leuten zu unterscheiden. Nach dem Schwabenspiegel sollen sie spitze Hüte
— das charakteristische Zeichen der Heiden — von gelber Farbe tragen, vielleicht
weil gelb die Farbe des Reichs war, damit sie durch dieselbe als kaiserliche Kammer¬
knechte bezeichnet würden. Wer den Hut nicht trügt, wird bestraft; demgemäß
wird der Jude mit diesem spitzen weißen oder gelben Hut auch auf den Bildern
bezeichnet, welche im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert zum Sachsen¬
spiegel verfertigt wurden. Die Provincialsynode zu Mainz schreibt vor, daß
die Männer einen Zirkel gelber Fäden auf der Brust, die Weiber zwei Strei¬
fen von Holzfarbe auf dem Kopftuche tragen sollen. Nach der Reichspolizei-
ordnung von 1530 sollen „die Juden einen gelben Ring an dem Rock oder
Kappen allenthalben unverborgen, zu ihrer Erkenntniß öffentlich tragen." Und
auch außerhalb Deutschlands ergehen ähnliche Vorschriften, in Frankreich im Jahr
1269, daß sie auf Brust und Rücken ein Zeichen scharlachrother Farbe tragen;
Philipp der Kühne bestimmte für die französischen Juden ein Horn, welches
in den Haaren befestigt und von dem Fiscus gekauft werden mußte. Zu
Malta mußten sie unter ihrem Bart ein rothes Zeichen von der Große des
königlichen Siegels tragen; Papst Paul der Zweite befahl ihnen, rothe Mäntel
zu tragen und nahm nur die Mediciner und Artisten aus u. f. w. Selbst
noch im Tode sonderte man den Juden vom Christen. Als im vierzehnten Jahr¬
hundert zu Brünn ein Jude wegen Diebstahls gehängt wurde, steckte man ihn
in eine ganz besondere Kleidung, ut g. mi'istiaiiis susxeiisis Zi8eernei'cor;
zu Nürnberg hing man einen Juden außerhalb des Galgens an einen Balken
auf und setzte ihm einen Judcnhut mit heißem Pech auf den Kops. Zu
Mainz richtete man im Jahr 1567 für einen Juden einen besondern halben
Galgen auf und that ihm, wie es heißt, die Gnade, daß man ihn am Hals
und einen schwarzen Hund neben ihm aufhing.
In den Städten bildeten die Juden eigne Gemeinden mit besondern Vor¬
stehern, dem Meister 5uclW0i'um ^rMLMÄMsus, Judenbischof. In Worms
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