Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Für die Ausübung des Schutzes bezog er den zehnten Theil der kaiserlichen
Einkünfte von den Juden, die cleeima, xeeumÄö ^uclaeoruin, u. s. w. Da
es aber schwierig war, die in die kaiserliche Kammer fließenden Steuern
genauer zu berechnen, so wurde es später gebräuchlich, dem Erzbischof statt
des mannigfachem Wechsel unterworfenen Zehnten eine bestimmte Summe
aus dem Staatsschatz zu bezahlen, durch welche er mit allen seinen An¬
sprüchen abgefunden wurde. Im Jahr 1299 betrug sie 500 Pfund Heller,
zehn Jahre später 600 Pfund Heller. Dennoch können wir in erwünschter
Weise zugleich das Einkommen des Kaisers von den Juden veranschlagen: es
betrug im Jahr 1299 etwa 5000 Pfund Heller. 1303 etwa 6000 Pfund
Heller, d. h. nach unserm Gelde etwa 30,000, resp. 36,000 Thaler.

Obgleich die Kaiser ihr Recht des Judenschutzes in vielen Städten oder
in größeren Bezirken aus den Händen gegeben hatten, blieb der Judenschutz
doch noch immer ein Regal, d. h. es durfte kein Landesherr und keine Ge¬
meinde, in welcher bisher nicht seit geraumer Zeit oder infolge kaiserlicher
Genehmigung Juden gesessen hatten, ohne specielles Privileg des Kaisers Ju¬
den bei sich aufnehmen. Besonders seit dem dreizehnten Jahrhundert sehen
wir viele Gemeinden oder Landesherrn bei dem Kaiser um das Recht sich be¬
werben, Juden zu halten (^uäaev8 Iilldör", tenei'"z). Die Kaiser bewilligten
es ihnen entweder allgemein oder gestatteten, daß sie eine bestimmte Zahl von
Juden, sei es für immer oder nur für eine bestimmte Zeit, pfandweise oder
auf Widerruf bei sich aufnehmen durften. Und was die Kaiser den Landes¬
herrn, das gewährten diese dann weiter ihren Landsassen, besonders ihren ge¬
treuen Rittern. König Albrecht gestattete z. B. dem Wildgrafen Konrad, drei
Juden zu halten, bis das Reich dies Recht mit 150 Mark einlösen würde.
König Ludwig erlaubt der Altstadt Brandenburg auf Bitte des Raths und
der Einwohner zwei oder drei Juden zu halten; die Grafen von Salm dür¬
fen fünfzehn Juden, die von Katzenelnbogen vierundzwanzig Juden auf ihren
Gebieten halten, wo sie wollen. Ganz allgemein verlieh Karl der Vierte in
der goldenen Bulle den Kurfürsten das Recht ^uäaevs Irakers und auch das
unechte Privileg für das Herzogthum Oestreich, welches sich für im Jahr
1156 entstanden ausgibt, in der That aber der goldenen Bulle nachgebildet
ist, schreibt das Recht des Judcnhaltens dem Herzog von Oestreich zu. Bei
der Ausnahme der Juden an einen Ort wurde dann regelmäßig zugleich ein
Uebereinkommen über die von ihnen aufzubringenden Steuern getroffen.

Ein Grund, warum Landesherrn und Städte die Juden in ihre Gebiete
hineinzuziehn suchten, liegt sehr nahe: man vergaß den Nationalhaß und die
Verachtung der jüdischen Religion, wenn man reiche Einwohner, welche hohe
Steuern zu zahlen im Stande waren, gewinnen konnte. Häusig ertheilten
die Kaiser ihre derartigen Privilegien unter besonderer Berücksichtigung eines


Grenzboten II. 1850. 17

Für die Ausübung des Schutzes bezog er den zehnten Theil der kaiserlichen
Einkünfte von den Juden, die cleeima, xeeumÄö ^uclaeoruin, u. s. w. Da
es aber schwierig war, die in die kaiserliche Kammer fließenden Steuern
genauer zu berechnen, so wurde es später gebräuchlich, dem Erzbischof statt
des mannigfachem Wechsel unterworfenen Zehnten eine bestimmte Summe
aus dem Staatsschatz zu bezahlen, durch welche er mit allen seinen An¬
sprüchen abgefunden wurde. Im Jahr 1299 betrug sie 500 Pfund Heller,
zehn Jahre später 600 Pfund Heller. Dennoch können wir in erwünschter
Weise zugleich das Einkommen des Kaisers von den Juden veranschlagen: es
betrug im Jahr 1299 etwa 5000 Pfund Heller. 1303 etwa 6000 Pfund
Heller, d. h. nach unserm Gelde etwa 30,000, resp. 36,000 Thaler.

Obgleich die Kaiser ihr Recht des Judenschutzes in vielen Städten oder
in größeren Bezirken aus den Händen gegeben hatten, blieb der Judenschutz
doch noch immer ein Regal, d. h. es durfte kein Landesherr und keine Ge¬
meinde, in welcher bisher nicht seit geraumer Zeit oder infolge kaiserlicher
Genehmigung Juden gesessen hatten, ohne specielles Privileg des Kaisers Ju¬
den bei sich aufnehmen. Besonders seit dem dreizehnten Jahrhundert sehen
wir viele Gemeinden oder Landesherrn bei dem Kaiser um das Recht sich be¬
werben, Juden zu halten (^uäaev8 Iilldör«, tenei'«z). Die Kaiser bewilligten
es ihnen entweder allgemein oder gestatteten, daß sie eine bestimmte Zahl von
Juden, sei es für immer oder nur für eine bestimmte Zeit, pfandweise oder
auf Widerruf bei sich aufnehmen durften. Und was die Kaiser den Landes¬
herrn, das gewährten diese dann weiter ihren Landsassen, besonders ihren ge¬
treuen Rittern. König Albrecht gestattete z. B. dem Wildgrafen Konrad, drei
Juden zu halten, bis das Reich dies Recht mit 150 Mark einlösen würde.
König Ludwig erlaubt der Altstadt Brandenburg auf Bitte des Raths und
der Einwohner zwei oder drei Juden zu halten; die Grafen von Salm dür¬
fen fünfzehn Juden, die von Katzenelnbogen vierundzwanzig Juden auf ihren
Gebieten halten, wo sie wollen. Ganz allgemein verlieh Karl der Vierte in
der goldenen Bulle den Kurfürsten das Recht ^uäaevs Irakers und auch das
unechte Privileg für das Herzogthum Oestreich, welches sich für im Jahr
1156 entstanden ausgibt, in der That aber der goldenen Bulle nachgebildet
ist, schreibt das Recht des Judcnhaltens dem Herzog von Oestreich zu. Bei
der Ausnahme der Juden an einen Ort wurde dann regelmäßig zugleich ein
Uebereinkommen über die von ihnen aufzubringenden Steuern getroffen.

Ein Grund, warum Landesherrn und Städte die Juden in ihre Gebiete
hineinzuziehn suchten, liegt sehr nahe: man vergaß den Nationalhaß und die
Verachtung der jüdischen Religion, wenn man reiche Einwohner, welche hohe
Steuern zu zahlen im Stande waren, gewinnen konnte. Häusig ertheilten
die Kaiser ihre derartigen Privilegien unter besonderer Berücksichtigung eines


Grenzboten II. 1850. 17
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0139" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107186"/>
          <p xml:id="ID_396" prev="#ID_395"> Für die Ausübung des Schutzes bezog er den zehnten Theil der kaiserlichen<lb/>
Einkünfte von den Juden, die cleeima, xeeumÄö ^uclaeoruin, u. s. w. Da<lb/>
es aber schwierig war, die in die kaiserliche Kammer fließenden Steuern<lb/>
genauer zu berechnen, so wurde es später gebräuchlich, dem Erzbischof statt<lb/>
des mannigfachem Wechsel unterworfenen Zehnten eine bestimmte Summe<lb/>
aus dem Staatsschatz zu bezahlen, durch welche er mit allen seinen An¬<lb/>
sprüchen abgefunden wurde. Im Jahr 1299 betrug sie 500 Pfund Heller,<lb/>
zehn Jahre später 600 Pfund Heller. Dennoch können wir in erwünschter<lb/>
Weise zugleich das Einkommen des Kaisers von den Juden veranschlagen: es<lb/>
betrug im Jahr 1299 etwa 5000 Pfund Heller. 1303 etwa 6000 Pfund<lb/>
Heller, d. h. nach unserm Gelde etwa 30,000, resp. 36,000 Thaler.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_397"> Obgleich die Kaiser ihr Recht des Judenschutzes in vielen Städten oder<lb/>
in größeren Bezirken aus den Händen gegeben hatten, blieb der Judenschutz<lb/>
doch noch immer ein Regal, d. h. es durfte kein Landesherr und keine Ge¬<lb/>
meinde, in welcher bisher nicht seit geraumer Zeit oder infolge kaiserlicher<lb/>
Genehmigung Juden gesessen hatten, ohne specielles Privileg des Kaisers Ju¬<lb/>
den bei sich aufnehmen. Besonders seit dem dreizehnten Jahrhundert sehen<lb/>
wir viele Gemeinden oder Landesherrn bei dem Kaiser um das Recht sich be¬<lb/>
werben, Juden zu halten (^uäaev8 Iilldör«, tenei'«z). Die Kaiser bewilligten<lb/>
es ihnen entweder allgemein oder gestatteten, daß sie eine bestimmte Zahl von<lb/>
Juden, sei es für immer oder nur für eine bestimmte Zeit, pfandweise oder<lb/>
auf Widerruf bei sich aufnehmen durften. Und was die Kaiser den Landes¬<lb/>
herrn, das gewährten diese dann weiter ihren Landsassen, besonders ihren ge¬<lb/>
treuen Rittern. König Albrecht gestattete z. B. dem Wildgrafen Konrad, drei<lb/>
Juden zu halten, bis das Reich dies Recht mit 150 Mark einlösen würde.<lb/>
König Ludwig erlaubt der Altstadt Brandenburg auf Bitte des Raths und<lb/>
der Einwohner zwei oder drei Juden zu halten; die Grafen von Salm dür¬<lb/>
fen fünfzehn Juden, die von Katzenelnbogen vierundzwanzig Juden auf ihren<lb/>
Gebieten halten, wo sie wollen. Ganz allgemein verlieh Karl der Vierte in<lb/>
der goldenen Bulle den Kurfürsten das Recht ^uäaevs Irakers und auch das<lb/>
unechte Privileg für das Herzogthum Oestreich, welches sich für im Jahr<lb/>
1156 entstanden ausgibt, in der That aber der goldenen Bulle nachgebildet<lb/>
ist, schreibt das Recht des Judcnhaltens dem Herzog von Oestreich zu. Bei<lb/>
der Ausnahme der Juden an einen Ort wurde dann regelmäßig zugleich ein<lb/>
Uebereinkommen über die von ihnen aufzubringenden Steuern getroffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_398" next="#ID_399"> Ein Grund, warum Landesherrn und Städte die Juden in ihre Gebiete<lb/>
hineinzuziehn suchten, liegt sehr nahe: man vergaß den Nationalhaß und die<lb/>
Verachtung der jüdischen Religion, wenn man reiche Einwohner, welche hohe<lb/>
Steuern zu zahlen im Stande waren, gewinnen konnte. Häusig ertheilten<lb/>
die Kaiser ihre derartigen Privilegien unter besonderer Berücksichtigung eines</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1850. 17</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0139] Für die Ausübung des Schutzes bezog er den zehnten Theil der kaiserlichen Einkünfte von den Juden, die cleeima, xeeumÄö ^uclaeoruin, u. s. w. Da es aber schwierig war, die in die kaiserliche Kammer fließenden Steuern genauer zu berechnen, so wurde es später gebräuchlich, dem Erzbischof statt des mannigfachem Wechsel unterworfenen Zehnten eine bestimmte Summe aus dem Staatsschatz zu bezahlen, durch welche er mit allen seinen An¬ sprüchen abgefunden wurde. Im Jahr 1299 betrug sie 500 Pfund Heller, zehn Jahre später 600 Pfund Heller. Dennoch können wir in erwünschter Weise zugleich das Einkommen des Kaisers von den Juden veranschlagen: es betrug im Jahr 1299 etwa 5000 Pfund Heller. 1303 etwa 6000 Pfund Heller, d. h. nach unserm Gelde etwa 30,000, resp. 36,000 Thaler. Obgleich die Kaiser ihr Recht des Judenschutzes in vielen Städten oder in größeren Bezirken aus den Händen gegeben hatten, blieb der Judenschutz doch noch immer ein Regal, d. h. es durfte kein Landesherr und keine Ge¬ meinde, in welcher bisher nicht seit geraumer Zeit oder infolge kaiserlicher Genehmigung Juden gesessen hatten, ohne specielles Privileg des Kaisers Ju¬ den bei sich aufnehmen. Besonders seit dem dreizehnten Jahrhundert sehen wir viele Gemeinden oder Landesherrn bei dem Kaiser um das Recht sich be¬ werben, Juden zu halten (^uäaev8 Iilldör«, tenei'«z). Die Kaiser bewilligten es ihnen entweder allgemein oder gestatteten, daß sie eine bestimmte Zahl von Juden, sei es für immer oder nur für eine bestimmte Zeit, pfandweise oder auf Widerruf bei sich aufnehmen durften. Und was die Kaiser den Landes¬ herrn, das gewährten diese dann weiter ihren Landsassen, besonders ihren ge¬ treuen Rittern. König Albrecht gestattete z. B. dem Wildgrafen Konrad, drei Juden zu halten, bis das Reich dies Recht mit 150 Mark einlösen würde. König Ludwig erlaubt der Altstadt Brandenburg auf Bitte des Raths und der Einwohner zwei oder drei Juden zu halten; die Grafen von Salm dür¬ fen fünfzehn Juden, die von Katzenelnbogen vierundzwanzig Juden auf ihren Gebieten halten, wo sie wollen. Ganz allgemein verlieh Karl der Vierte in der goldenen Bulle den Kurfürsten das Recht ^uäaevs Irakers und auch das unechte Privileg für das Herzogthum Oestreich, welches sich für im Jahr 1156 entstanden ausgibt, in der That aber der goldenen Bulle nachgebildet ist, schreibt das Recht des Judcnhaltens dem Herzog von Oestreich zu. Bei der Ausnahme der Juden an einen Ort wurde dann regelmäßig zugleich ein Uebereinkommen über die von ihnen aufzubringenden Steuern getroffen. Ein Grund, warum Landesherrn und Städte die Juden in ihre Gebiete hineinzuziehn suchten, liegt sehr nahe: man vergaß den Nationalhaß und die Verachtung der jüdischen Religion, wenn man reiche Einwohner, welche hohe Steuern zu zahlen im Stande waren, gewinnen konnte. Häusig ertheilten die Kaiser ihre derartigen Privilegien unter besonderer Berücksichtigung eines Grenzboten II. 1850. 17

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/139
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/139>, abgerufen am 22.12.2024.