Ueber die rechtliche Stellung der deutschen Juden im Mittelalter.
sowol von jüdischen, als von christlichen Schriftstellern besitzen wir eine große Reihe von Werken, welche die Geschichte des jüdischen Volks nach der Zerstörung seines Staats und seiner Zerstreuung über die Erde behandeln und sich auch mit ihren Verhältnissen im Mittelalter beschäftigen; ich hebe unter ihnen hervor: Jost, Geschichte der Jsraeliten von der Zeit der Makka- bäer bis auf unsere Tage in neun Bänden; DexpinA, diLtvirs ass ^uns an mo^en KZ", auch in deutscher Uebersetzung erschienen; das an Urkunden und Mittheilungen aus Chroniken sehr reiche Werk von Schaab. diploma¬ tische Geschichte der Juden zu Mainz und dessen Umgebung. Aber diese und alle sonstigen Schriften über dies Thema behandeln mehr die Geschichte der jüdischen Gemeinden von einzelnen Orten, ihre gesellschaftlichen Verhältnisse, die Verfolgungen, denen sie Jahrhunderte hindurch ausgesetzt sind, als ihre rechtliche Stellung: sie bildet den Gegenstand der folgenden Mittheilungen. Schon lange vor der Zerstörung Jerusalems durch Titus begann die Zerstreu-, ung des jüdischen Volks; die Juden waren über den ganzen Orient, aber auch in Kleinasien und auf den jonischen Inseln verbreitet und lebten hier unter römischer Herrschaft, vom Kriegsdienst befreit und in der Ausübung ihrer religiösen Vorschriften geschützt. Zu vielen Tausenden wurden sie von Pompejus nach Rom geführt und als Sklaven verkauft; sie erreichten bald eine leidliche Existenz und wurden nach ihrer Freilassung römische Bürger. Aber wesentlich verschlimmerte sich ihre Lage, als die Juden der Heimath sich gegen die Herrschaft der Römer empörten und es begannen seit Tiber die Judenverfolgungen und Vertreibungen aus Rom. Als Titus Jerusalem zer¬ störte (im Jahre 70 n. Chr.) sollen 97,000 Juden gefangen genommen sein; viele wurden niedergemacht oder starben in Noth, die meisten wurden in die Sklaverei geführt. Jetzt verbreiten sie sich in größerer Zahl nicht blos über Italien, sondern auch in den westlichen Theilen Europas, in Gallien, auf der pyrenüischen Halbinsel und in einzelnen Theilen Deutschlands, ohne daß sich genauer bestimmen ließe, wann sie hierher kamen und was sie hierher
Grenzlinien II. 13S9. 16
Ueber die rechtliche Stellung der deutschen Juden im Mittelalter.
sowol von jüdischen, als von christlichen Schriftstellern besitzen wir eine große Reihe von Werken, welche die Geschichte des jüdischen Volks nach der Zerstörung seines Staats und seiner Zerstreuung über die Erde behandeln und sich auch mit ihren Verhältnissen im Mittelalter beschäftigen; ich hebe unter ihnen hervor: Jost, Geschichte der Jsraeliten von der Zeit der Makka- bäer bis auf unsere Tage in neun Bänden; DexpinA, diLtvirs ass ^uns an mo^en KZ«, auch in deutscher Uebersetzung erschienen; das an Urkunden und Mittheilungen aus Chroniken sehr reiche Werk von Schaab. diploma¬ tische Geschichte der Juden zu Mainz und dessen Umgebung. Aber diese und alle sonstigen Schriften über dies Thema behandeln mehr die Geschichte der jüdischen Gemeinden von einzelnen Orten, ihre gesellschaftlichen Verhältnisse, die Verfolgungen, denen sie Jahrhunderte hindurch ausgesetzt sind, als ihre rechtliche Stellung: sie bildet den Gegenstand der folgenden Mittheilungen. Schon lange vor der Zerstörung Jerusalems durch Titus begann die Zerstreu-, ung des jüdischen Volks; die Juden waren über den ganzen Orient, aber auch in Kleinasien und auf den jonischen Inseln verbreitet und lebten hier unter römischer Herrschaft, vom Kriegsdienst befreit und in der Ausübung ihrer religiösen Vorschriften geschützt. Zu vielen Tausenden wurden sie von Pompejus nach Rom geführt und als Sklaven verkauft; sie erreichten bald eine leidliche Existenz und wurden nach ihrer Freilassung römische Bürger. Aber wesentlich verschlimmerte sich ihre Lage, als die Juden der Heimath sich gegen die Herrschaft der Römer empörten und es begannen seit Tiber die Judenverfolgungen und Vertreibungen aus Rom. Als Titus Jerusalem zer¬ störte (im Jahre 70 n. Chr.) sollen 97,000 Juden gefangen genommen sein; viele wurden niedergemacht oder starben in Noth, die meisten wurden in die Sklaverei geführt. Jetzt verbreiten sie sich in größerer Zahl nicht blos über Italien, sondern auch in den westlichen Theilen Europas, in Gallien, auf der pyrenüischen Halbinsel und in einzelnen Theilen Deutschlands, ohne daß sich genauer bestimmen ließe, wann sie hierher kamen und was sie hierher
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Ueber die rechtliche Stellung der deutschen Juden im Mittelalter.
sowol von jüdischen, als von christlichen Schriftstellern besitzen wir eine
große Reihe von Werken, welche die Geschichte des jüdischen Volks nach der
Zerstörung seines Staats und seiner Zerstreuung über die Erde behandeln
und sich auch mit ihren Verhältnissen im Mittelalter beschäftigen; ich hebe
unter ihnen hervor: Jost, Geschichte der Jsraeliten von der Zeit der Makka-
bäer bis auf unsere Tage in neun Bänden; DexpinA, diLtvirs ass ^uns
an mo^en KZ«, auch in deutscher Uebersetzung erschienen; das an Urkunden
und Mittheilungen aus Chroniken sehr reiche Werk von Schaab. diploma¬
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jüdischen Gemeinden von einzelnen Orten, ihre gesellschaftlichen Verhältnisse,
die Verfolgungen, denen sie Jahrhunderte hindurch ausgesetzt sind, als ihre
rechtliche Stellung: sie bildet den Gegenstand der folgenden Mittheilungen.
Schon lange vor der Zerstörung Jerusalems durch Titus begann die Zerstreu-,
ung des jüdischen Volks; die Juden waren über den ganzen Orient, aber
auch in Kleinasien und auf den jonischen Inseln verbreitet und lebten hier
unter römischer Herrschaft, vom Kriegsdienst befreit und in der Ausübung
ihrer religiösen Vorschriften geschützt. Zu vielen Tausenden wurden sie von
Pompejus nach Rom geführt und als Sklaven verkauft; sie erreichten bald
eine leidliche Existenz und wurden nach ihrer Freilassung römische Bürger.
Aber wesentlich verschlimmerte sich ihre Lage, als die Juden der Heimath
sich gegen die Herrschaft der Römer empörten und es begannen seit Tiber die
Judenverfolgungen und Vertreibungen aus Rom. Als Titus Jerusalem zer¬
störte (im Jahre 70 n. Chr.) sollen 97,000 Juden gefangen genommen sein;
viele wurden niedergemacht oder starben in Noth, die meisten wurden in die
Sklaverei geführt. Jetzt verbreiten sie sich in größerer Zahl nicht blos über
Italien, sondern auch in den westlichen Theilen Europas, in Gallien, auf
der pyrenüischen Halbinsel und in einzelnen Theilen Deutschlands, ohne daß
sich genauer bestimmen ließe, wann sie hierher kamen und was sie hierher
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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/131>, abgerufen am 01.01.2025.
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