Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.gar Opfer zu bringen , . . Welchen Grund hätte Preußen insbesondere, die östrei¬ Jeder unbefangene Leser erwartet nach dieser sehr deutlichen und sehr sachge¬ "Gleichwol will diese Bundesgenossenschaft mit allen ihren Nachtheilen und Ge¬ *) "Daß Sardinien seit nunmehr elf Jahren und inmitten der schwierigsten Umstände
unerschütterlich ein dem Gedanken, an dem Entschluß festgehalten hat, Italien von der Fremd¬ herrschaft zu befreien, das ist die Ehre seines Volks und der Ruhm seiner Staatsmänner, und es gehört eine seltene Stupidität oder eine wahrhaft dänische Niederträchtigkeit dazu, dem Natwnnlpatriotismus der snrdinischcn Staats- und Volkspolitik nicht blos die verdiente An¬ erkennung zu verweigern, sondern denselben gar mit Schmach zu überschütten." gar Opfer zu bringen , . . Welchen Grund hätte Preußen insbesondere, die östrei¬ Jeder unbefangene Leser erwartet nach dieser sehr deutlichen und sehr sachge¬ „Gleichwol will diese Bundesgenossenschaft mit allen ihren Nachtheilen und Ge¬ *) „Daß Sardinien seit nunmehr elf Jahren und inmitten der schwierigsten Umstände
unerschütterlich ein dem Gedanken, an dem Entschluß festgehalten hat, Italien von der Fremd¬ herrschaft zu befreien, das ist die Ehre seines Volks und der Ruhm seiner Staatsmänner, und es gehört eine seltene Stupidität oder eine wahrhaft dänische Niederträchtigkeit dazu, dem Natwnnlpatriotismus der snrdinischcn Staats- und Volkspolitik nicht blos die verdiente An¬ erkennung zu verweigern, sondern denselben gar mit Schmach zu überschütten." <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0126" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107173"/> <p xml:id="ID_351" prev="#ID_350"> gar Opfer zu bringen , . . Welchen Grund hätte Preußen insbesondere, die östrei¬<lb/> chische Herrschaft in Italien zu begünstigen? Wenn Oestreich vor neun Jahren ein<lb/> Heer gegen Schleswig-Holstein abschickte, so hatte es dabei keinen andern Zweck, als<lb/> den preußischen Einfluß aus den deutschen Landschaften zu verdrängen, in denen es<lb/> die dänische Fremdherrschaft wieder herstellte. Und jetzt soll Preußen seine Heere aus¬<lb/> rücken lassen, um Oestreich im Besitz seiner italienischen Provinzen zu schützen?" —<lb/> „Aber nicht genug, daß Preußen, um sür Oestreich Partei zu nehmen, Böses mit<lb/> Gutem vergelten muß, hat es dabei einen Einsatz zu machen, welcher weit größer<lb/> ist als derjenige, welcher für Oestreich selbst auf dem Spiel steht. Für Oestreich<lb/> handelt es sich um eine Provinz, deren Verlust es im schlimmsten Fall verschmerzen<lb/> könnte, sür Preußen dagegen um seine ganze Rolle als Großmacht. (Vielmehr um<lb/> seine Existenz!) Von dem Augenblick an, wo Preußen in den Krieg eintritt, wird<lb/> der Hauptschauplntz desselben natürlich an den Rhein verlegt werden, und daß Preu¬<lb/> ßen hier auf den wirksamen Beistand Oestreichs mit einiger Sicherheit rechnen könnte,<lb/> wird ein umsichtiges Urtheil schwerlich zu behaupten wagen. Ein Kampf mit einem<lb/> übcrmüchtigcn Gegner, und sür einen Bundesgenossen, der im voraus mit Undank<lb/> gezahlt, und dessen nachträglicher Undank so gewiß ist wie ein mathematischer Satz,<lb/> ein Kämpf auf Leben und Tod für eine fremde, für eine beinahe feindliche Sache,<lb/> das ist es, was Preußen mit der östreichischen Bundesgenossenschaft zu übernehmen<lb/> hat." — Ferner im Folgenden: „Es ist nichts natürlicher, als daß Preußen eifrig<lb/> bemüht ist, einen Krieg hintcrzuhaltcn, der ihm im glücklichstem Fall kaum einen<lb/> andern Vortheil verspricht, als die Aufrechthaltung des bisherigen Zustandes der<lb/> Dinge mit allen seinen Unzuträglichkeiten, schwierigen Aufgabe» und Nebenbuhler¬<lb/> schaften." —</p><lb/> <p xml:id="ID_352"> Jeder unbefangene Leser erwartet nach dieser sehr deutlichen und sehr sachge¬<lb/> mäßen Auseinandersetzung, der Verfasser werde ähnlich schließen, wie die von<lb/> H. v. Arnim als „unstaatsmännisch und unprcußisch" qualisicirte Broschüre:<lb/> „Preußen und die italienische Frage;" um so mehr, als im Vorigen Sardiniens<lb/> Sache (freilich nicht seine Mittel) warm gelobt war.*) Man wird also nicht wenig<lb/> überrascht, als er plötzlich eine ganz entgegengesetzte Wendung nimmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_353" next="#ID_354"> „Gleichwol will diese Bundesgenossenschaft mit allen ihren Nachtheilen und Ge¬<lb/> fahren übernommen sein." Nicht aus andern Gründen, sondern „im eignen un¬<lb/> mittelbaren Interesse muß und wird Preußen mit Oestreich gegen Frankreich unter<lb/> allen Umständen gemeinschaftliche Sache machen. Denn (1,) der Sieg Frank¬<lb/> reichs über Oestreich wäre unfehlbar der Anfang des Unterganges Preußens. Über¬<lb/> haupt (2,) aber ist die Zukunft Preußens bedingt durch eine endliche Versöhnung mit der<lb/> öffentlichen Meinung in Deutschland, welche einen Rückfall in die Politik des dahier<lb/> Friedens, gleichviel ob mit Recht oder mit Unrecht (!), wie eine namenlose<lb/> h> 6nu , keikei! loFilnymiuö züi!'i?>'> 5?i-i»t>;Ä!!>>. in?!l>L,,i,l',H«'ZH' Il'<su'/l it/sis's</p><lb/> <note xml:id="FID_10" place="foot"> *) „Daß Sardinien seit nunmehr elf Jahren und inmitten der schwierigsten Umstände<lb/> unerschütterlich ein dem Gedanken, an dem Entschluß festgehalten hat, Italien von der Fremd¬<lb/> herrschaft zu befreien, das ist die Ehre seines Volks und der Ruhm seiner Staatsmänner, und<lb/> es gehört eine seltene Stupidität oder eine wahrhaft dänische Niederträchtigkeit dazu, dem<lb/> Natwnnlpatriotismus der snrdinischcn Staats- und Volkspolitik nicht blos die verdiente An¬<lb/> erkennung zu verweigern, sondern denselben gar mit Schmach zu überschütten."</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0126]
gar Opfer zu bringen , . . Welchen Grund hätte Preußen insbesondere, die östrei¬
chische Herrschaft in Italien zu begünstigen? Wenn Oestreich vor neun Jahren ein
Heer gegen Schleswig-Holstein abschickte, so hatte es dabei keinen andern Zweck, als
den preußischen Einfluß aus den deutschen Landschaften zu verdrängen, in denen es
die dänische Fremdherrschaft wieder herstellte. Und jetzt soll Preußen seine Heere aus¬
rücken lassen, um Oestreich im Besitz seiner italienischen Provinzen zu schützen?" —
„Aber nicht genug, daß Preußen, um sür Oestreich Partei zu nehmen, Böses mit
Gutem vergelten muß, hat es dabei einen Einsatz zu machen, welcher weit größer
ist als derjenige, welcher für Oestreich selbst auf dem Spiel steht. Für Oestreich
handelt es sich um eine Provinz, deren Verlust es im schlimmsten Fall verschmerzen
könnte, sür Preußen dagegen um seine ganze Rolle als Großmacht. (Vielmehr um
seine Existenz!) Von dem Augenblick an, wo Preußen in den Krieg eintritt, wird
der Hauptschauplntz desselben natürlich an den Rhein verlegt werden, und daß Preu¬
ßen hier auf den wirksamen Beistand Oestreichs mit einiger Sicherheit rechnen könnte,
wird ein umsichtiges Urtheil schwerlich zu behaupten wagen. Ein Kampf mit einem
übcrmüchtigcn Gegner, und sür einen Bundesgenossen, der im voraus mit Undank
gezahlt, und dessen nachträglicher Undank so gewiß ist wie ein mathematischer Satz,
ein Kämpf auf Leben und Tod für eine fremde, für eine beinahe feindliche Sache,
das ist es, was Preußen mit der östreichischen Bundesgenossenschaft zu übernehmen
hat." — Ferner im Folgenden: „Es ist nichts natürlicher, als daß Preußen eifrig
bemüht ist, einen Krieg hintcrzuhaltcn, der ihm im glücklichstem Fall kaum einen
andern Vortheil verspricht, als die Aufrechthaltung des bisherigen Zustandes der
Dinge mit allen seinen Unzuträglichkeiten, schwierigen Aufgabe» und Nebenbuhler¬
schaften." —
Jeder unbefangene Leser erwartet nach dieser sehr deutlichen und sehr sachge¬
mäßen Auseinandersetzung, der Verfasser werde ähnlich schließen, wie die von
H. v. Arnim als „unstaatsmännisch und unprcußisch" qualisicirte Broschüre:
„Preußen und die italienische Frage;" um so mehr, als im Vorigen Sardiniens
Sache (freilich nicht seine Mittel) warm gelobt war.*) Man wird also nicht wenig
überrascht, als er plötzlich eine ganz entgegengesetzte Wendung nimmt.
„Gleichwol will diese Bundesgenossenschaft mit allen ihren Nachtheilen und Ge¬
fahren übernommen sein." Nicht aus andern Gründen, sondern „im eignen un¬
mittelbaren Interesse muß und wird Preußen mit Oestreich gegen Frankreich unter
allen Umständen gemeinschaftliche Sache machen. Denn (1,) der Sieg Frank¬
reichs über Oestreich wäre unfehlbar der Anfang des Unterganges Preußens. Über¬
haupt (2,) aber ist die Zukunft Preußens bedingt durch eine endliche Versöhnung mit der
öffentlichen Meinung in Deutschland, welche einen Rückfall in die Politik des dahier
Friedens, gleichviel ob mit Recht oder mit Unrecht (!), wie eine namenlose
h> 6nu , keikei! loFilnymiuö züi!'i?>'> 5?i-i»t>;Ä!!>>. in?!l>L,,i,l',H«'ZH' Il'<su'/l it/sis's
*) „Daß Sardinien seit nunmehr elf Jahren und inmitten der schwierigsten Umstände
unerschütterlich ein dem Gedanken, an dem Entschluß festgehalten hat, Italien von der Fremd¬
herrschaft zu befreien, das ist die Ehre seines Volks und der Ruhm seiner Staatsmänner, und
es gehört eine seltene Stupidität oder eine wahrhaft dänische Niederträchtigkeit dazu, dem
Natwnnlpatriotismus der snrdinischcn Staats- und Volkspolitik nicht blos die verdiente An¬
erkennung zu verweigern, sondern denselben gar mit Schmach zu überschütten."
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