Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

angenommen, und nähern sich gegenwärtig dem Wesen einer solchen insofern,
als sie ihren Kunden eine Betheiligung beim Geschäft als stille Gesell¬
schafter möglich machen. Die Organisation nach dem veröffentlichten Statut
nebst Motiven vom 11. Mai 1858 ist ebenso originell als sinnreich. Das
Ganze ist eine Commanditgesellschaft, in welcher die zwölf Stifter als Geschäfts¬
inhaber dem Publicum mit unbeschränkter Garantie gegenüberstehen, alle übrigen
Theilnehmer dagegen, als stille Gesellschafter, nur mit ihren in das Geschüft ein-
geschossnen Capitalien haften. Als solche können sich namentlich auch die
sogenannten kleinen Leute vethciligen, indem zur Bildung von Antheilen von
mindestens zwanzig Thalern fortlaufende geringe Beisteuern von einem Sgr.
allwöchentlich angenommen werden. Die Verwaltung der Geschäfte ge¬
bührt, wie billig, ausschließlich den zwölf Stiftern, und ist von diesen zwei
aus ihrer Mitte gewählten Beamten, einem Director und Kassirer übertragen,
welche allein disponiren und die Procura sichren, auch ausschließlich als
Träger der Firma gelten, wobei sie durch einen aus den zehn übrigen
Stiftern und zehn von den stillen Gesellschaftern gewählten Mitgliedern
gebildeten Verwaltungsrath unterstützt und überwacht werden. Außer¬
dem beschließt noch die Generalversammlung sämmtlicher Mitglieder über
besonders wichtige und entscheidende Fragen (neue Unternehmungen,
Statutenänderungen u. s. w.)> Das Ineinandergreifen dieser Organe hat
man sich so zu ordnen bestrebt, daß die nöthige Einheit der Geschäftslcitung
möglichst mit einer regen Betheiligung sämmtlicher Mitglieder verbunden ist.

Die gänzliche Verschiedenheit dieser "Erfurter Association" von den durch
den Unterzeichneten angeregten, in ganz Deutschland verbreiteten, springt nach
dem Mitgetheilten in die Augen. Während bei den letzteren überall die
Selbsthilfe der bei der Frage am meisten betheiligten arbeitenden Classe,
deren Bedürfnissen man hauptsächlich abhelfen will, die Grundlage bildet,
die Arbeiter und Handwerker also Initiative und Verwaltung, Risiko und
Gewinn haben, mit einem Worte selbst die Träger des ganzen Unternehmens
sind, nimmt in Erfurt eine Anzahl wohldenkcnder, geschäftsgewandter Männer
aus den wohlhabenden Classen die Sache in die Hand, schießt den Haupttheil
des Betriebsfonds vor, steht für das Risiko und behält die Hauptleitung und
alleinige Verwaltung sür sich, läßt jedoch den kleinen Leuten, auf deren Kund¬
schaft gerechnet ist, einen Theil des von ihnen gezogenen Geschüftsgewinnes.
durch Ermöglichung einer beschränkten Betheiligung um Unternehmen wieder
zufließen, so jedoch, daß wenn diese auch keinen Gebrauch von dieser Ge¬
stattung machen, das Geschäft ruhig seinen Fortgang behält. - Ferner: während
die bisher operirendcn Associationen mit getrenntem Risiko, Capitalien und unter
verschiednen Leitern jede ihren speciellen geschäftlichen Zweck zum Gegenstand
hatten, faßt die erfurter Gesellschaft als eine Association für alles, die ver-


angenommen, und nähern sich gegenwärtig dem Wesen einer solchen insofern,
als sie ihren Kunden eine Betheiligung beim Geschäft als stille Gesell¬
schafter möglich machen. Die Organisation nach dem veröffentlichten Statut
nebst Motiven vom 11. Mai 1858 ist ebenso originell als sinnreich. Das
Ganze ist eine Commanditgesellschaft, in welcher die zwölf Stifter als Geschäfts¬
inhaber dem Publicum mit unbeschränkter Garantie gegenüberstehen, alle übrigen
Theilnehmer dagegen, als stille Gesellschafter, nur mit ihren in das Geschüft ein-
geschossnen Capitalien haften. Als solche können sich namentlich auch die
sogenannten kleinen Leute vethciligen, indem zur Bildung von Antheilen von
mindestens zwanzig Thalern fortlaufende geringe Beisteuern von einem Sgr.
allwöchentlich angenommen werden. Die Verwaltung der Geschäfte ge¬
bührt, wie billig, ausschließlich den zwölf Stiftern, und ist von diesen zwei
aus ihrer Mitte gewählten Beamten, einem Director und Kassirer übertragen,
welche allein disponiren und die Procura sichren, auch ausschließlich als
Träger der Firma gelten, wobei sie durch einen aus den zehn übrigen
Stiftern und zehn von den stillen Gesellschaftern gewählten Mitgliedern
gebildeten Verwaltungsrath unterstützt und überwacht werden. Außer¬
dem beschließt noch die Generalversammlung sämmtlicher Mitglieder über
besonders wichtige und entscheidende Fragen (neue Unternehmungen,
Statutenänderungen u. s. w.)> Das Ineinandergreifen dieser Organe hat
man sich so zu ordnen bestrebt, daß die nöthige Einheit der Geschäftslcitung
möglichst mit einer regen Betheiligung sämmtlicher Mitglieder verbunden ist.

Die gänzliche Verschiedenheit dieser „Erfurter Association" von den durch
den Unterzeichneten angeregten, in ganz Deutschland verbreiteten, springt nach
dem Mitgetheilten in die Augen. Während bei den letzteren überall die
Selbsthilfe der bei der Frage am meisten betheiligten arbeitenden Classe,
deren Bedürfnissen man hauptsächlich abhelfen will, die Grundlage bildet,
die Arbeiter und Handwerker also Initiative und Verwaltung, Risiko und
Gewinn haben, mit einem Worte selbst die Träger des ganzen Unternehmens
sind, nimmt in Erfurt eine Anzahl wohldenkcnder, geschäftsgewandter Männer
aus den wohlhabenden Classen die Sache in die Hand, schießt den Haupttheil
des Betriebsfonds vor, steht für das Risiko und behält die Hauptleitung und
alleinige Verwaltung sür sich, läßt jedoch den kleinen Leuten, auf deren Kund¬
schaft gerechnet ist, einen Theil des von ihnen gezogenen Geschüftsgewinnes.
durch Ermöglichung einer beschränkten Betheiligung um Unternehmen wieder
zufließen, so jedoch, daß wenn diese auch keinen Gebrauch von dieser Ge¬
stattung machen, das Geschäft ruhig seinen Fortgang behält. - Ferner: während
die bisher operirendcn Associationen mit getrenntem Risiko, Capitalien und unter
verschiednen Leitern jede ihren speciellen geschäftlichen Zweck zum Gegenstand
hatten, faßt die erfurter Gesellschaft als eine Association für alles, die ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0012" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107059"/>
          <p xml:id="ID_12" prev="#ID_11"> angenommen, und nähern sich gegenwärtig dem Wesen einer solchen insofern,<lb/>
als sie ihren Kunden eine Betheiligung beim Geschäft als stille Gesell¬<lb/>
schafter möglich machen. Die Organisation nach dem veröffentlichten Statut<lb/>
nebst Motiven vom 11. Mai 1858 ist ebenso originell als sinnreich. Das<lb/>
Ganze ist eine Commanditgesellschaft, in welcher die zwölf Stifter als Geschäfts¬<lb/>
inhaber dem Publicum mit unbeschränkter Garantie gegenüberstehen, alle übrigen<lb/>
Theilnehmer dagegen, als stille Gesellschafter, nur mit ihren in das Geschüft ein-<lb/>
geschossnen Capitalien haften. Als solche können sich namentlich auch die<lb/>
sogenannten kleinen Leute vethciligen, indem zur Bildung von Antheilen von<lb/>
mindestens zwanzig Thalern fortlaufende geringe Beisteuern von einem Sgr.<lb/>
allwöchentlich angenommen werden. Die Verwaltung der Geschäfte ge¬<lb/>
bührt, wie billig, ausschließlich den zwölf Stiftern, und ist von diesen zwei<lb/>
aus ihrer Mitte gewählten Beamten, einem Director und Kassirer übertragen,<lb/>
welche allein disponiren und die Procura sichren, auch ausschließlich als<lb/>
Träger der Firma gelten, wobei sie durch einen aus den zehn übrigen<lb/>
Stiftern und zehn von den stillen Gesellschaftern gewählten Mitgliedern<lb/>
gebildeten Verwaltungsrath unterstützt und überwacht werden. Außer¬<lb/>
dem beschließt noch die Generalversammlung sämmtlicher Mitglieder über<lb/>
besonders wichtige und entscheidende Fragen (neue Unternehmungen,<lb/>
Statutenänderungen u. s. w.)&gt; Das Ineinandergreifen dieser Organe hat<lb/>
man sich so zu ordnen bestrebt, daß die nöthige Einheit der Geschäftslcitung<lb/>
möglichst mit einer regen Betheiligung sämmtlicher Mitglieder verbunden ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_13" next="#ID_14"> Die gänzliche Verschiedenheit dieser &#x201E;Erfurter Association" von den durch<lb/>
den Unterzeichneten angeregten, in ganz Deutschland verbreiteten, springt nach<lb/>
dem Mitgetheilten in die Augen. Während bei den letzteren überall die<lb/>
Selbsthilfe der bei der Frage am meisten betheiligten arbeitenden Classe,<lb/>
deren Bedürfnissen man hauptsächlich abhelfen will, die Grundlage bildet,<lb/>
die Arbeiter und Handwerker also Initiative und Verwaltung, Risiko und<lb/>
Gewinn haben, mit einem Worte selbst die Träger des ganzen Unternehmens<lb/>
sind, nimmt in Erfurt eine Anzahl wohldenkcnder, geschäftsgewandter Männer<lb/>
aus den wohlhabenden Classen die Sache in die Hand, schießt den Haupttheil<lb/>
des Betriebsfonds vor, steht für das Risiko und behält die Hauptleitung und<lb/>
alleinige Verwaltung sür sich, läßt jedoch den kleinen Leuten, auf deren Kund¬<lb/>
schaft gerechnet ist, einen Theil des von ihnen gezogenen Geschüftsgewinnes.<lb/>
durch Ermöglichung einer beschränkten Betheiligung um Unternehmen wieder<lb/>
zufließen, so jedoch, daß wenn diese auch keinen Gebrauch von dieser Ge¬<lb/>
stattung machen, das Geschäft ruhig seinen Fortgang behält. - Ferner: während<lb/>
die bisher operirendcn Associationen mit getrenntem Risiko, Capitalien und unter<lb/>
verschiednen Leitern jede ihren speciellen geschäftlichen Zweck zum Gegenstand<lb/>
hatten, faßt die erfurter Gesellschaft als eine Association für alles, die ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0012] angenommen, und nähern sich gegenwärtig dem Wesen einer solchen insofern, als sie ihren Kunden eine Betheiligung beim Geschäft als stille Gesell¬ schafter möglich machen. Die Organisation nach dem veröffentlichten Statut nebst Motiven vom 11. Mai 1858 ist ebenso originell als sinnreich. Das Ganze ist eine Commanditgesellschaft, in welcher die zwölf Stifter als Geschäfts¬ inhaber dem Publicum mit unbeschränkter Garantie gegenüberstehen, alle übrigen Theilnehmer dagegen, als stille Gesellschafter, nur mit ihren in das Geschüft ein- geschossnen Capitalien haften. Als solche können sich namentlich auch die sogenannten kleinen Leute vethciligen, indem zur Bildung von Antheilen von mindestens zwanzig Thalern fortlaufende geringe Beisteuern von einem Sgr. allwöchentlich angenommen werden. Die Verwaltung der Geschäfte ge¬ bührt, wie billig, ausschließlich den zwölf Stiftern, und ist von diesen zwei aus ihrer Mitte gewählten Beamten, einem Director und Kassirer übertragen, welche allein disponiren und die Procura sichren, auch ausschließlich als Träger der Firma gelten, wobei sie durch einen aus den zehn übrigen Stiftern und zehn von den stillen Gesellschaftern gewählten Mitgliedern gebildeten Verwaltungsrath unterstützt und überwacht werden. Außer¬ dem beschließt noch die Generalversammlung sämmtlicher Mitglieder über besonders wichtige und entscheidende Fragen (neue Unternehmungen, Statutenänderungen u. s. w.)> Das Ineinandergreifen dieser Organe hat man sich so zu ordnen bestrebt, daß die nöthige Einheit der Geschäftslcitung möglichst mit einer regen Betheiligung sämmtlicher Mitglieder verbunden ist. Die gänzliche Verschiedenheit dieser „Erfurter Association" von den durch den Unterzeichneten angeregten, in ganz Deutschland verbreiteten, springt nach dem Mitgetheilten in die Augen. Während bei den letzteren überall die Selbsthilfe der bei der Frage am meisten betheiligten arbeitenden Classe, deren Bedürfnissen man hauptsächlich abhelfen will, die Grundlage bildet, die Arbeiter und Handwerker also Initiative und Verwaltung, Risiko und Gewinn haben, mit einem Worte selbst die Träger des ganzen Unternehmens sind, nimmt in Erfurt eine Anzahl wohldenkcnder, geschäftsgewandter Männer aus den wohlhabenden Classen die Sache in die Hand, schießt den Haupttheil des Betriebsfonds vor, steht für das Risiko und behält die Hauptleitung und alleinige Verwaltung sür sich, läßt jedoch den kleinen Leuten, auf deren Kund¬ schaft gerechnet ist, einen Theil des von ihnen gezogenen Geschüftsgewinnes. durch Ermöglichung einer beschränkten Betheiligung um Unternehmen wieder zufließen, so jedoch, daß wenn diese auch keinen Gebrauch von dieser Ge¬ stattung machen, das Geschäft ruhig seinen Fortgang behält. - Ferner: während die bisher operirendcn Associationen mit getrenntem Risiko, Capitalien und unter verschiednen Leitern jede ihren speciellen geschäftlichen Zweck zum Gegenstand hatten, faßt die erfurter Gesellschaft als eine Association für alles, die ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/12
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/12>, abgerufen am 22.12.2024.