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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Unmittelbar an der Axe dieses Rades ist der Läufer befestigt, der die Mais¬
körner mahlt, welche ihm durch einen großen hölzernen Trichter zugeführt wer¬
den. An der Peripherie des Läufers füllt das gelbe Mehl heraus in den
Kasten und ist zum Brotbacken fertig. Auch hierin ist also das Aeußerste an
Einfachheit geleistet. Es hat hier wahrscheinlich schon Jahrhunderte lang
Turbinen gegeben, ehe sie bei uns zur Anwendung gekommen sind. Früh
Morgens nun geht der Müller hinaus zu seiner Mühle, schüttet in den gro¬
ßen Holztrichter so viel Mais, als den Tag über gemahlen werden kann und
kümmert sich dann vor dem Abend nicht weiter darum. An den Kasten aber,
in welchem das Mehl aufgefangen wird, bindet er eine Katze mit einem Strick
fest, damit nicht etwa die Ratten in Abwesenheit des Müllers das Mehl weg¬
fressen.

Im Spätsommer, wenn die Erntezeit vorüber ist, werden in den Dör¬
fern die i'0meria.3, die Kirchweihen gefeiert. Das junge Volk, Burschen und
Mädchen in ihrem besten Staat mit schreiend bunten Farben aufgeputzt, ver¬
sammelt sich dann unter einem großen Baume neben der Kirche, der Dudel¬
sack läßt sich hören, die Paare stellen sich in zwei geraden Linien einander
gegenüber, und nun beginnt, ohne daß sich die Tanzenden von ihrem Platze
bewegen, einer jener ausdrucksvollen Tanze, der mit seinen beredten, zuletzt
oft leidenschaftlichen Geberden zu einer wahren mimischen Sprache sich gestal¬
tet. Kein solches Fest ist vollständig, wenn es nicht am Ende durch eine Schlü¬
gerei gekrönt wird. Dann ziehen die Burschen ihre großen Kreise aus dem
Gürtel, doch meist nur um unblutige Demonstrationen damit zu machen, denn
der Asturicr ist nicht so heißblütig wie der Andalusier, der seine Freude am
Blut hat, er ist vielmehr gutmüthig und gefügig, dafür geht ihm aber auch
die schwungsertige Beweglichkeit dieses ab, erzeigt sich im Allgemeinen schwer¬
fällig und beschränkt.

Um die Sittlichkeit der Bevölkerung überhaupt, steht es höchst bedauerlich,
es ließe sich über diesen Punkt viel sagen, wenn hier der Ort dazu wäre.
Den Basken rühmt man nach, daß sie sich in dieser Hinsicht rühmlich vor
ihren Landsleuten auszeichnen. Bei alledem sind die Leutchen gewaltig fromm
und fehlen niemals in der Messe und Beichte. Freilich gehen ihnen die Pfaffen
nicht eben mit dem besten Beispiel voran; viele.derselben scheuen sich nicht,
öffentlich den ärgsten Scandal zu treiben. Schon ihre äußere Erscheinung
stößt gemeiniglich durch ihre Widerwärtigkeit ab, sie sind dick und feist, und
besonders die Landgeistlichen über die Maßen schmuzig. Nicht besser sehen
die Kirchen und Kapellen der Dörfer aus; Hunde laufen ungehindert darin
herum, und während die Gemeindemitglieder ihre vorgeschriebenen Gebete
derplappern, suchen sie sich -- es ist dies der einzige Fall, wo sie mit der
Zeit geizen, -- gegenseitig das Ungeziefer ab, eine Kunst, in der sie es in


Unmittelbar an der Axe dieses Rades ist der Läufer befestigt, der die Mais¬
körner mahlt, welche ihm durch einen großen hölzernen Trichter zugeführt wer¬
den. An der Peripherie des Läufers füllt das gelbe Mehl heraus in den
Kasten und ist zum Brotbacken fertig. Auch hierin ist also das Aeußerste an
Einfachheit geleistet. Es hat hier wahrscheinlich schon Jahrhunderte lang
Turbinen gegeben, ehe sie bei uns zur Anwendung gekommen sind. Früh
Morgens nun geht der Müller hinaus zu seiner Mühle, schüttet in den gro¬
ßen Holztrichter so viel Mais, als den Tag über gemahlen werden kann und
kümmert sich dann vor dem Abend nicht weiter darum. An den Kasten aber,
in welchem das Mehl aufgefangen wird, bindet er eine Katze mit einem Strick
fest, damit nicht etwa die Ratten in Abwesenheit des Müllers das Mehl weg¬
fressen.

Im Spätsommer, wenn die Erntezeit vorüber ist, werden in den Dör¬
fern die i'0meria.3, die Kirchweihen gefeiert. Das junge Volk, Burschen und
Mädchen in ihrem besten Staat mit schreiend bunten Farben aufgeputzt, ver¬
sammelt sich dann unter einem großen Baume neben der Kirche, der Dudel¬
sack läßt sich hören, die Paare stellen sich in zwei geraden Linien einander
gegenüber, und nun beginnt, ohne daß sich die Tanzenden von ihrem Platze
bewegen, einer jener ausdrucksvollen Tanze, der mit seinen beredten, zuletzt
oft leidenschaftlichen Geberden zu einer wahren mimischen Sprache sich gestal¬
tet. Kein solches Fest ist vollständig, wenn es nicht am Ende durch eine Schlü¬
gerei gekrönt wird. Dann ziehen die Burschen ihre großen Kreise aus dem
Gürtel, doch meist nur um unblutige Demonstrationen damit zu machen, denn
der Asturicr ist nicht so heißblütig wie der Andalusier, der seine Freude am
Blut hat, er ist vielmehr gutmüthig und gefügig, dafür geht ihm aber auch
die schwungsertige Beweglichkeit dieses ab, erzeigt sich im Allgemeinen schwer¬
fällig und beschränkt.

Um die Sittlichkeit der Bevölkerung überhaupt, steht es höchst bedauerlich,
es ließe sich über diesen Punkt viel sagen, wenn hier der Ort dazu wäre.
Den Basken rühmt man nach, daß sie sich in dieser Hinsicht rühmlich vor
ihren Landsleuten auszeichnen. Bei alledem sind die Leutchen gewaltig fromm
und fehlen niemals in der Messe und Beichte. Freilich gehen ihnen die Pfaffen
nicht eben mit dem besten Beispiel voran; viele.derselben scheuen sich nicht,
öffentlich den ärgsten Scandal zu treiben. Schon ihre äußere Erscheinung
stößt gemeiniglich durch ihre Widerwärtigkeit ab, sie sind dick und feist, und
besonders die Landgeistlichen über die Maßen schmuzig. Nicht besser sehen
die Kirchen und Kapellen der Dörfer aus; Hunde laufen ungehindert darin
herum, und während die Gemeindemitglieder ihre vorgeschriebenen Gebete
derplappern, suchen sie sich — es ist dies der einzige Fall, wo sie mit der
Zeit geizen, — gegenseitig das Ungeziefer ab, eine Kunst, in der sie es in


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[0102] Unmittelbar an der Axe dieses Rades ist der Läufer befestigt, der die Mais¬ körner mahlt, welche ihm durch einen großen hölzernen Trichter zugeführt wer¬ den. An der Peripherie des Läufers füllt das gelbe Mehl heraus in den Kasten und ist zum Brotbacken fertig. Auch hierin ist also das Aeußerste an Einfachheit geleistet. Es hat hier wahrscheinlich schon Jahrhunderte lang Turbinen gegeben, ehe sie bei uns zur Anwendung gekommen sind. Früh Morgens nun geht der Müller hinaus zu seiner Mühle, schüttet in den gro¬ ßen Holztrichter so viel Mais, als den Tag über gemahlen werden kann und kümmert sich dann vor dem Abend nicht weiter darum. An den Kasten aber, in welchem das Mehl aufgefangen wird, bindet er eine Katze mit einem Strick fest, damit nicht etwa die Ratten in Abwesenheit des Müllers das Mehl weg¬ fressen. Im Spätsommer, wenn die Erntezeit vorüber ist, werden in den Dör¬ fern die i'0meria.3, die Kirchweihen gefeiert. Das junge Volk, Burschen und Mädchen in ihrem besten Staat mit schreiend bunten Farben aufgeputzt, ver¬ sammelt sich dann unter einem großen Baume neben der Kirche, der Dudel¬ sack läßt sich hören, die Paare stellen sich in zwei geraden Linien einander gegenüber, und nun beginnt, ohne daß sich die Tanzenden von ihrem Platze bewegen, einer jener ausdrucksvollen Tanze, der mit seinen beredten, zuletzt oft leidenschaftlichen Geberden zu einer wahren mimischen Sprache sich gestal¬ tet. Kein solches Fest ist vollständig, wenn es nicht am Ende durch eine Schlü¬ gerei gekrönt wird. Dann ziehen die Burschen ihre großen Kreise aus dem Gürtel, doch meist nur um unblutige Demonstrationen damit zu machen, denn der Asturicr ist nicht so heißblütig wie der Andalusier, der seine Freude am Blut hat, er ist vielmehr gutmüthig und gefügig, dafür geht ihm aber auch die schwungsertige Beweglichkeit dieses ab, erzeigt sich im Allgemeinen schwer¬ fällig und beschränkt. Um die Sittlichkeit der Bevölkerung überhaupt, steht es höchst bedauerlich, es ließe sich über diesen Punkt viel sagen, wenn hier der Ort dazu wäre. Den Basken rühmt man nach, daß sie sich in dieser Hinsicht rühmlich vor ihren Landsleuten auszeichnen. Bei alledem sind die Leutchen gewaltig fromm und fehlen niemals in der Messe und Beichte. Freilich gehen ihnen die Pfaffen nicht eben mit dem besten Beispiel voran; viele.derselben scheuen sich nicht, öffentlich den ärgsten Scandal zu treiben. Schon ihre äußere Erscheinung stößt gemeiniglich durch ihre Widerwärtigkeit ab, sie sind dick und feist, und besonders die Landgeistlichen über die Maßen schmuzig. Nicht besser sehen die Kirchen und Kapellen der Dörfer aus; Hunde laufen ungehindert darin herum, und während die Gemeindemitglieder ihre vorgeschriebenen Gebete derplappern, suchen sie sich — es ist dies der einzige Fall, wo sie mit der Zeit geizen, — gegenseitig das Ungeziefer ab, eine Kunst, in der sie es in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/102>, abgerufen am 23.12.2024.