Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.geringen Kunstauswand und findet darin zwar getrübte, aber doch kenntliche geringen Kunstauswand und findet darin zwar getrübte, aber doch kenntliche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0072" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/265881"/> <p xml:id="ID_164" prev="#ID_163" next="#ID_165"> geringen Kunstauswand und findet darin zwar getrübte, aber doch kenntliche<lb/> Spiegelbilder seines Wesens. Wenn einmal der Mann kommt, der unser Volk bet<lb/> der rechten Seite seines Wirkens und Leidens erfaßt, so werden wir staunen<lb/> über unsere Blindheit, die dort nur Prosa und geisttötenden Materialismus<lb/> wnhnte, die Trivialität der Darstellung unabwendbar glaubte und die Quellen<lb/> reicher lebendiger Poesie nicht erblickte. Schon auf dieser Ausstellung stoßen<lb/> wir auf ein treffendes Zeugniß, daß auch unmittelbar gegenwärtige Motive,<lb/> wenn sie nur ein echter Künstlergeist ergreift, die Idealität des Gedankens<lb/> nicht ausschließen. PH. Foltz hat eine Bauerfrau mit ihrem Kinde in un¬<lb/> gewöhnlich großen Dimensionen gemalt. Eine junge Mutter war mit dem<lb/> Säugling ihrem Mann auf die Wiese nachgcwandert. Hier auf dem Grase<lb/> gelagert, hatte sie den prächtigen Jungen sich an der Brust satttrinken lassen.<lb/> Wir sehen sie im scharfen Profil, wie sie trunken vom Glücke jauchzend ihr<lb/> Kind erhebt, es hoch in der Luft zappeln läßt und die volle Seligkeit des Mutter-<lb/> gefühlcs genießt. In der Ferne, an die Sense gelehnt, in einem Augenblicke<lb/> der Rast, steht der Gatte, voll Antheil an dem wonnigen Schauspiel. Diese<lb/> Bauerngruppe ist auch eine heilige Familie, der Born von Poesie, den die<lb/> Anschauung der Mutterliebe und des Mutterglückes gewährt, tief erschöpft,<lb/> der Ausdruck der Holdseligkeit unübertrefflichwiedergegcben. Für dieses Bild<lb/> aus dem Volke gibt jeder Unbefangene die hochtrabenden Scenen aus dem<lb/> Mittelalter, dem Bauernkriege u. s. w. (schon in dieser Wahl ganz allgemei¬<lb/> ner nichtssagender Situationen gibt sich die Nüchternheit der Auffassung kund)<lb/> willig her. Wer es mit dem Realismus redlich meint, kann gegen diese seelen¬<lb/> losen, trockenen Schauscenen — historisches Genre nennen es höfliche Leute<lb/> — nicht scharf genug sich aussprccheii. Für alle die zahlreichen Enttäuschungen,<lb/> welche die Betrachtung profangeschichtlicher Bilder bietet, kann nur die An¬<lb/> schauung des Wirklich großen Fortschrittes, den grade dieser Zweig der<lb/> Malerei in dem letzten Jahrzehnt erfahren hat, Ersatz gewähren. Wir können<lb/> auch gegenwärtig auf kein vollendetes Werk in dieser Richtung hinweisen;<lb/> wenn wir aber die jüngsten Leistungen der Historienmalerei mit den berühm¬<lb/> ten Werten der früheren Jahrzehnte vergleichen, so fühlen wir, daß eine<lb/> ernste, vielversprechende Entwicklung hier sich offenbart. Man braucht gar<lb/> nicht Kochs Landsturm, oder Tischbeins Conradin heraufzubeschwören, man<lb/> stelle nur berühmte historische Bilder aus den dreißiger und vierziger Jahren<lb/> mit Pilotys Gründung der Aga, Die dz' Zerstörung von Heidelberg. Menzels<lb/> Ueberfall bei Hochkirch, Leutzes (auf der Ausstellung leider nicht vorhandenen)<lb/> Washington zusammen, um die mächtige Entwicklung, welche dieser Kunstzweig<lb/> in kurzer Zeit erfahren hat, zu erkennen. Wo hatten wir denn die Augen,<lb/> als wir Rubens Columbus und vollends gar Schorns Wiedertäufer als be¬<lb/> deutende Leistungen bewunderten? Das letztere Bild mit seinen farblosen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
geringen Kunstauswand und findet darin zwar getrübte, aber doch kenntliche
Spiegelbilder seines Wesens. Wenn einmal der Mann kommt, der unser Volk bet
der rechten Seite seines Wirkens und Leidens erfaßt, so werden wir staunen
über unsere Blindheit, die dort nur Prosa und geisttötenden Materialismus
wnhnte, die Trivialität der Darstellung unabwendbar glaubte und die Quellen
reicher lebendiger Poesie nicht erblickte. Schon auf dieser Ausstellung stoßen
wir auf ein treffendes Zeugniß, daß auch unmittelbar gegenwärtige Motive,
wenn sie nur ein echter Künstlergeist ergreift, die Idealität des Gedankens
nicht ausschließen. PH. Foltz hat eine Bauerfrau mit ihrem Kinde in un¬
gewöhnlich großen Dimensionen gemalt. Eine junge Mutter war mit dem
Säugling ihrem Mann auf die Wiese nachgcwandert. Hier auf dem Grase
gelagert, hatte sie den prächtigen Jungen sich an der Brust satttrinken lassen.
Wir sehen sie im scharfen Profil, wie sie trunken vom Glücke jauchzend ihr
Kind erhebt, es hoch in der Luft zappeln läßt und die volle Seligkeit des Mutter-
gefühlcs genießt. In der Ferne, an die Sense gelehnt, in einem Augenblicke
der Rast, steht der Gatte, voll Antheil an dem wonnigen Schauspiel. Diese
Bauerngruppe ist auch eine heilige Familie, der Born von Poesie, den die
Anschauung der Mutterliebe und des Mutterglückes gewährt, tief erschöpft,
der Ausdruck der Holdseligkeit unübertrefflichwiedergegcben. Für dieses Bild
aus dem Volke gibt jeder Unbefangene die hochtrabenden Scenen aus dem
Mittelalter, dem Bauernkriege u. s. w. (schon in dieser Wahl ganz allgemei¬
ner nichtssagender Situationen gibt sich die Nüchternheit der Auffassung kund)
willig her. Wer es mit dem Realismus redlich meint, kann gegen diese seelen¬
losen, trockenen Schauscenen — historisches Genre nennen es höfliche Leute
— nicht scharf genug sich aussprccheii. Für alle die zahlreichen Enttäuschungen,
welche die Betrachtung profangeschichtlicher Bilder bietet, kann nur die An¬
schauung des Wirklich großen Fortschrittes, den grade dieser Zweig der
Malerei in dem letzten Jahrzehnt erfahren hat, Ersatz gewähren. Wir können
auch gegenwärtig auf kein vollendetes Werk in dieser Richtung hinweisen;
wenn wir aber die jüngsten Leistungen der Historienmalerei mit den berühm¬
ten Werten der früheren Jahrzehnte vergleichen, so fühlen wir, daß eine
ernste, vielversprechende Entwicklung hier sich offenbart. Man braucht gar
nicht Kochs Landsturm, oder Tischbeins Conradin heraufzubeschwören, man
stelle nur berühmte historische Bilder aus den dreißiger und vierziger Jahren
mit Pilotys Gründung der Aga, Die dz' Zerstörung von Heidelberg. Menzels
Ueberfall bei Hochkirch, Leutzes (auf der Ausstellung leider nicht vorhandenen)
Washington zusammen, um die mächtige Entwicklung, welche dieser Kunstzweig
in kurzer Zeit erfahren hat, zu erkennen. Wo hatten wir denn die Augen,
als wir Rubens Columbus und vollends gar Schorns Wiedertäufer als be¬
deutende Leistungen bewunderten? Das letztere Bild mit seinen farblosen
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