Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.Antike. Die gleichzeitigen Franzosen wollten dies antike Wesen nicht auf Ko¬ Antike. Die gleichzeitigen Franzosen wollten dies antike Wesen nicht auf Ko¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0070" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/265879"/> <p xml:id="ID_161" prev="#ID_160" next="#ID_162"> Antike. Die gleichzeitigen Franzosen wollten dies antike Wesen nicht auf Ko¬<lb/> sten der eigentlichen Malerei in die neuere Kunst einführen und erzielten als<lb/> Resultat das Ungenügen nach beiden Richtungen hin und das Ausleben der<lb/> Schule, noch ehe ihr Gründer gestorben war. Carstens unmittelbaren Nach¬<lb/> folgern, welche seinen Musterformen einen schärferen malerischen Ausdruck ver¬<lb/> leihen wollten, erging es nicht besser, und eben das Gefühl, daß der inner¬<lb/> halb der Grenzen der Antike eingeschlossene Idealismus nicht befriedigen,<lb/> nicht lebendig erhalten werden könne, rief die bekannten Bestrebungen<lb/> von Cornelius und seinen Genossen auf. Gcnelli. auf welchen sich<lb/> Carstens Natur am reinsten vererbt hat, greift zu dem gleichen Auskunfts-<lb/> mittel. laßt sich durch den Vorwurf, er besitze kein Farbenverständniß und<lb/> mache aus der Noth eine Tugend, nicht irre machen, und beharrt mit Recht<lb/> bei primitiven Ausdrucksmitteln. Bendemann in seinem anheimelnden Bilde<lb/> der Nausikaa erkannte gleichfalls als die entsprechende Form für seinen Gegen¬<lb/> stand eine relicfartige Composition und eine mit dem Fresco an Eintönigkeit<lb/> wetteifernde Färbung. Rahl in Wien ist wol gegenwärtig der einzige, wel¬<lb/> cher den Ruhm eines tüchtigen Coloristen und eines treuen Anhängers des<lb/> traditionellen Idealismus zu vereinigen erstrebt. Die Anlage zum Farben¬<lb/> künstler besitzt er in hohem Grade, seine Porträts bürgen dafür, die über¬<lb/> raschenden Leistungen seiner zahlreichen Schüler zeigen die bewußte Beherr¬<lb/> schung jener Anlagen. Aber grade das Bild, welches wir von ihm auf der<lb/> Ausstellung erblicken^ Odysseus bei König Alkinoos. und das die erwähnte Ver¬<lb/> mittlung anschaulich machen soll, offenbart Nabis Vorzüge in geringerem<lb/> Grade. Es fehlt Lust zwischen den einzelnen Personen und insbesondere dem<lb/> Helden an Bestimmtheit des Ausdruckes. Das Kolorit ist schwer und dumpf<lb/> und selbst die Zeichnung werden strenge Idealisten schwerlich scharf genug<lb/> finden. Sind wir auch von der Ueberzeugung durchdrungen, daß der auf<lb/> Grundlage der Antike ausgebildete Idealismus (eine Verwahrung, als ob wir die<lb/> Herrlichkeit der Antike und den Werth ihres Studiums gering achteten, brauchen<lb/> wir wol nicht einzulegen) nur geringe Aussichten aus die Herrschaft in der<lb/> Malerei habe, so folgt daraus noch keineswegs, daß wir alles, was diesem<lb/> Idealismus zuwiderläuft und mit dem Namen des Realismus ganz wider¬<lb/> rechtlich prunkt, gutheißen und unsere Sympathien diesem entgegentragen.<lb/> Akademische Hohlheit wird vom wahren Idealismus getrennt, ebenso sollte<lb/> man ordinäre Modelle mit einigen Costümfetzen behängen nicht mit realisti¬<lb/> scher Schilderung gleichbedeutend halten. Der Cultus historischer Größe ist<lb/> der beste Zug in unserer Bildung, der Wunsch, auch die bildende Kunst möge<lb/> demselben sich weihen, daher keineswegs verwerflich. Wenn die Leistungen<lb/> der letzteren einen Wiederhat! in unsern Herzen wecken sollen, so müssen auch<lb/> sie ihrerseits einen offenen Sinn bewahren für alles, was uns erregt, ergreift.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0070]
Antike. Die gleichzeitigen Franzosen wollten dies antike Wesen nicht auf Ko¬
sten der eigentlichen Malerei in die neuere Kunst einführen und erzielten als
Resultat das Ungenügen nach beiden Richtungen hin und das Ausleben der
Schule, noch ehe ihr Gründer gestorben war. Carstens unmittelbaren Nach¬
folgern, welche seinen Musterformen einen schärferen malerischen Ausdruck ver¬
leihen wollten, erging es nicht besser, und eben das Gefühl, daß der inner¬
halb der Grenzen der Antike eingeschlossene Idealismus nicht befriedigen,
nicht lebendig erhalten werden könne, rief die bekannten Bestrebungen
von Cornelius und seinen Genossen auf. Gcnelli. auf welchen sich
Carstens Natur am reinsten vererbt hat, greift zu dem gleichen Auskunfts-
mittel. laßt sich durch den Vorwurf, er besitze kein Farbenverständniß und
mache aus der Noth eine Tugend, nicht irre machen, und beharrt mit Recht
bei primitiven Ausdrucksmitteln. Bendemann in seinem anheimelnden Bilde
der Nausikaa erkannte gleichfalls als die entsprechende Form für seinen Gegen¬
stand eine relicfartige Composition und eine mit dem Fresco an Eintönigkeit
wetteifernde Färbung. Rahl in Wien ist wol gegenwärtig der einzige, wel¬
cher den Ruhm eines tüchtigen Coloristen und eines treuen Anhängers des
traditionellen Idealismus zu vereinigen erstrebt. Die Anlage zum Farben¬
künstler besitzt er in hohem Grade, seine Porträts bürgen dafür, die über¬
raschenden Leistungen seiner zahlreichen Schüler zeigen die bewußte Beherr¬
schung jener Anlagen. Aber grade das Bild, welches wir von ihm auf der
Ausstellung erblicken^ Odysseus bei König Alkinoos. und das die erwähnte Ver¬
mittlung anschaulich machen soll, offenbart Nabis Vorzüge in geringerem
Grade. Es fehlt Lust zwischen den einzelnen Personen und insbesondere dem
Helden an Bestimmtheit des Ausdruckes. Das Kolorit ist schwer und dumpf
und selbst die Zeichnung werden strenge Idealisten schwerlich scharf genug
finden. Sind wir auch von der Ueberzeugung durchdrungen, daß der auf
Grundlage der Antike ausgebildete Idealismus (eine Verwahrung, als ob wir die
Herrlichkeit der Antike und den Werth ihres Studiums gering achteten, brauchen
wir wol nicht einzulegen) nur geringe Aussichten aus die Herrschaft in der
Malerei habe, so folgt daraus noch keineswegs, daß wir alles, was diesem
Idealismus zuwiderläuft und mit dem Namen des Realismus ganz wider¬
rechtlich prunkt, gutheißen und unsere Sympathien diesem entgegentragen.
Akademische Hohlheit wird vom wahren Idealismus getrennt, ebenso sollte
man ordinäre Modelle mit einigen Costümfetzen behängen nicht mit realisti¬
scher Schilderung gleichbedeutend halten. Der Cultus historischer Größe ist
der beste Zug in unserer Bildung, der Wunsch, auch die bildende Kunst möge
demselben sich weihen, daher keineswegs verwerflich. Wenn die Leistungen
der letzteren einen Wiederhat! in unsern Herzen wecken sollen, so müssen auch
sie ihrerseits einen offenen Sinn bewahren für alles, was uns erregt, ergreift.
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