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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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noch die sujets der Darstellungen sich bis dahin geändert haben. Justinian
endlich, dessen schamlose Gattin selbst früher Tänzerin gewesen war, hat unter
anderm auch die Bestimmung des Kaisers Theodosius in seine Gesetzsamm¬
lung aufgenommen: daß die Bildnisse der Pantomimen nicht neben den Por¬
träts der Kaiser an öffentlichen Orten figuriren sollten, sondern blos am Cir-"
aus und im Theater. Wenn nun aber auch die Kunst sich ziemlich gleich
blieb, so artete doch der sinnliche Reiz der pantomimischen Stücke in Scham¬
losigkeit aus, als im vierten Jahrhundert die ausschweifendste Lüsternheit das
Spiel weiblicher Pantomimen auf die Bühne brachte. Bevor je.doch dies ge¬
schah, kam noch neben der hergebrachten eine Gattung des dramatischen Bal-
lets auf, welche insofern größere Aehnlichkeit mit dem unsrigen hat, als hier
dramatische Gegenstände von mehren Personen dargestellt wurden und der
Chorgesang wegblieb. Der altdorische Waffentanz, Pyrrhiche genannt, war
schon zu Cäsars Zeit nach Rom verpflanzt und dort von Asiaten getanzt wor¬
den. Nach und nach wurde er aber mehr theatralisch als kriegerisch-mimisch
und stellte theils mythologische Stoffe, die Thaten des Dionysos, des Ikarus
u. a. dramatisch vor, theils blos künstliche Chortänze. Im "goldenen Esel"
des Appulejus findet sich noch die interessante Schilderung einer theatra¬
lischen Aufführung beider Arten der Pyrrhiche hintereinander. Sie lautet:
"Zuerst tanzten Jünglinge und Mädchen von jugendlicher Frische und schöner
Gestalt, in glänzendem Costüm, mit graziöser Haltung, die griechische Pyrr¬
hiche. Reihenweise geordnet schwebten sie in zierlichen Windungen einher, bald
im Kreise sich drehend, bald in Kreuzungen sich verschlingend, und jetzt zum
hohlen Viereck geschart, jetzt wieder sich trennend in einzelne Haufen. Endlich
gab das Schmettern der Trompete das Zeichen zur Auflösung der labyrin¬
thischen Drehungen, der Vorhang hob sich und die Bühne wurde anders
arrangirt. Als sie sich wieder öffnete, stand vor unsern Augen ein hoher,
künstlich aus Holz gebildeter Berg, der Homerische Jda, mit Gesträuch und
lebendigen Bäumen bepflanzt. Vom höchsten Gipfel desselben rieselte Quell¬
wasser herab, einige Jungen pflückten sich Gras und ein Jüngling in phry-
gischer Tracht spielte den Hirten Paris, durch eine goldene Tiara seine könig¬
liche Abkunft verrathend. Da erschien ein anderer netter Jüngling, blondgelockt,
nur mit einem kurzen, von der linken Schulter herabwallenden Mantel be¬
kleidet. Der Heroldsstab und die goldenen Flügelchen zu beiden Seiten des
Hauptes kennzeichneten ihn als den Götterboten Mercur. Leichtfüßig herbei¬
tanzend reichte er Paris einen goldenen Apfel dar, richtete ihm durch Geberden
den Austrag Jupiters aus und verschwand ebenso schnell, wie er gekommen
war. Hierauf traten drei Tänzerinnen auf. Die eine, würdigen Antlitzes,
mit Diadem und Scepter geschmückt, stellte Juno vor, die zweite erkannte
man als Minerva am funkelnden Helm, den eine Krone von Olivenzweigen


noch die sujets der Darstellungen sich bis dahin geändert haben. Justinian
endlich, dessen schamlose Gattin selbst früher Tänzerin gewesen war, hat unter
anderm auch die Bestimmung des Kaisers Theodosius in seine Gesetzsamm¬
lung aufgenommen: daß die Bildnisse der Pantomimen nicht neben den Por¬
träts der Kaiser an öffentlichen Orten figuriren sollten, sondern blos am Cir-"
aus und im Theater. Wenn nun aber auch die Kunst sich ziemlich gleich
blieb, so artete doch der sinnliche Reiz der pantomimischen Stücke in Scham¬
losigkeit aus, als im vierten Jahrhundert die ausschweifendste Lüsternheit das
Spiel weiblicher Pantomimen auf die Bühne brachte. Bevor je.doch dies ge¬
schah, kam noch neben der hergebrachten eine Gattung des dramatischen Bal-
lets auf, welche insofern größere Aehnlichkeit mit dem unsrigen hat, als hier
dramatische Gegenstände von mehren Personen dargestellt wurden und der
Chorgesang wegblieb. Der altdorische Waffentanz, Pyrrhiche genannt, war
schon zu Cäsars Zeit nach Rom verpflanzt und dort von Asiaten getanzt wor¬
den. Nach und nach wurde er aber mehr theatralisch als kriegerisch-mimisch
und stellte theils mythologische Stoffe, die Thaten des Dionysos, des Ikarus
u. a. dramatisch vor, theils blos künstliche Chortänze. Im „goldenen Esel"
des Appulejus findet sich noch die interessante Schilderung einer theatra¬
lischen Aufführung beider Arten der Pyrrhiche hintereinander. Sie lautet:
„Zuerst tanzten Jünglinge und Mädchen von jugendlicher Frische und schöner
Gestalt, in glänzendem Costüm, mit graziöser Haltung, die griechische Pyrr¬
hiche. Reihenweise geordnet schwebten sie in zierlichen Windungen einher, bald
im Kreise sich drehend, bald in Kreuzungen sich verschlingend, und jetzt zum
hohlen Viereck geschart, jetzt wieder sich trennend in einzelne Haufen. Endlich
gab das Schmettern der Trompete das Zeichen zur Auflösung der labyrin¬
thischen Drehungen, der Vorhang hob sich und die Bühne wurde anders
arrangirt. Als sie sich wieder öffnete, stand vor unsern Augen ein hoher,
künstlich aus Holz gebildeter Berg, der Homerische Jda, mit Gesträuch und
lebendigen Bäumen bepflanzt. Vom höchsten Gipfel desselben rieselte Quell¬
wasser herab, einige Jungen pflückten sich Gras und ein Jüngling in phry-
gischer Tracht spielte den Hirten Paris, durch eine goldene Tiara seine könig¬
liche Abkunft verrathend. Da erschien ein anderer netter Jüngling, blondgelockt,
nur mit einem kurzen, von der linken Schulter herabwallenden Mantel be¬
kleidet. Der Heroldsstab und die goldenen Flügelchen zu beiden Seiten des
Hauptes kennzeichneten ihn als den Götterboten Mercur. Leichtfüßig herbei¬
tanzend reichte er Paris einen goldenen Apfel dar, richtete ihm durch Geberden
den Austrag Jupiters aus und verschwand ebenso schnell, wie er gekommen
war. Hierauf traten drei Tänzerinnen auf. Die eine, würdigen Antlitzes,
mit Diadem und Scepter geschmückt, stellte Juno vor, die zweite erkannte
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[0524] noch die sujets der Darstellungen sich bis dahin geändert haben. Justinian endlich, dessen schamlose Gattin selbst früher Tänzerin gewesen war, hat unter anderm auch die Bestimmung des Kaisers Theodosius in seine Gesetzsamm¬ lung aufgenommen: daß die Bildnisse der Pantomimen nicht neben den Por¬ träts der Kaiser an öffentlichen Orten figuriren sollten, sondern blos am Cir-" aus und im Theater. Wenn nun aber auch die Kunst sich ziemlich gleich blieb, so artete doch der sinnliche Reiz der pantomimischen Stücke in Scham¬ losigkeit aus, als im vierten Jahrhundert die ausschweifendste Lüsternheit das Spiel weiblicher Pantomimen auf die Bühne brachte. Bevor je.doch dies ge¬ schah, kam noch neben der hergebrachten eine Gattung des dramatischen Bal- lets auf, welche insofern größere Aehnlichkeit mit dem unsrigen hat, als hier dramatische Gegenstände von mehren Personen dargestellt wurden und der Chorgesang wegblieb. Der altdorische Waffentanz, Pyrrhiche genannt, war schon zu Cäsars Zeit nach Rom verpflanzt und dort von Asiaten getanzt wor¬ den. Nach und nach wurde er aber mehr theatralisch als kriegerisch-mimisch und stellte theils mythologische Stoffe, die Thaten des Dionysos, des Ikarus u. a. dramatisch vor, theils blos künstliche Chortänze. Im „goldenen Esel" des Appulejus findet sich noch die interessante Schilderung einer theatra¬ lischen Aufführung beider Arten der Pyrrhiche hintereinander. Sie lautet: „Zuerst tanzten Jünglinge und Mädchen von jugendlicher Frische und schöner Gestalt, in glänzendem Costüm, mit graziöser Haltung, die griechische Pyrr¬ hiche. Reihenweise geordnet schwebten sie in zierlichen Windungen einher, bald im Kreise sich drehend, bald in Kreuzungen sich verschlingend, und jetzt zum hohlen Viereck geschart, jetzt wieder sich trennend in einzelne Haufen. Endlich gab das Schmettern der Trompete das Zeichen zur Auflösung der labyrin¬ thischen Drehungen, der Vorhang hob sich und die Bühne wurde anders arrangirt. Als sie sich wieder öffnete, stand vor unsern Augen ein hoher, künstlich aus Holz gebildeter Berg, der Homerische Jda, mit Gesträuch und lebendigen Bäumen bepflanzt. Vom höchsten Gipfel desselben rieselte Quell¬ wasser herab, einige Jungen pflückten sich Gras und ein Jüngling in phry- gischer Tracht spielte den Hirten Paris, durch eine goldene Tiara seine könig¬ liche Abkunft verrathend. Da erschien ein anderer netter Jüngling, blondgelockt, nur mit einem kurzen, von der linken Schulter herabwallenden Mantel be¬ kleidet. Der Heroldsstab und die goldenen Flügelchen zu beiden Seiten des Hauptes kennzeichneten ihn als den Götterboten Mercur. Leichtfüßig herbei¬ tanzend reichte er Paris einen goldenen Apfel dar, richtete ihm durch Geberden den Austrag Jupiters aus und verschwand ebenso schnell, wie er gekommen war. Hierauf traten drei Tänzerinnen auf. Die eine, würdigen Antlitzes, mit Diadem und Scepter geschmückt, stellte Juno vor, die zweite erkannte man als Minerva am funkelnden Helm, den eine Krone von Olivenzweigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/524>, abgerufen am 06.02.2025.