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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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wirren sei. Oestreich ist durch seine Politik in der orientalischen Frage iso-
lirt. Im Osten grollt ihm Rußland. Im Westen ist der Neffe des Siegers
von Marengo sicher nur durch Englands Einspruch abgehalten, sich auf Ober-
italien zu stürzen und dort die "Dotation" für Frankreich zu erobern, die nach
seiner Meinung die Familie Vonaparte der französischen Nation schuldet. Eng¬
land ist für Oestreich nur gegen Nußland ein Bundesgenosse, auf den zu zäh¬
len ist, Preußen unter den jetzigen Umständen vielleicht nur gegen Frankreich,
der deutsche Bund aber ohne Preußen fast eine Null, sein buntes Heer wenig
mehr werth (wir denken dabei nicht an die militärischen Eigenschaften der ein¬
zelnen Truppen, sondern an die vielen Stimmen, welche trotz der Einheit des
Oberbefehls hineinzusprechen hätten) als das weiland Reichsheer von 1757.
Conjecturen hieraus.aufzustellen und Fälle zu finden, die es für Oestreich noth¬
wendig machen, den alten Groll aufzugeben, und das alte Streben nach der
Hegemonie in Deutschland bei Seite setzend, sich einem Erstarken Norddeutschlands
nicht mehr entgegenzustemmen, überlassen wir der Phantasie der Leser. Wir haben
es nur mit der Gegenwart zu thun, und diese weist uns wieder auf die Er¬
wartung der Dinge zurück, die sich im Ständesaal von Itzehoe begeben werden.

"Die Mitglieder der Ständeversammlung werden sich gegenwärtig halten"
-- schießt Beseler seine Erörterung -- "daß es in den meisten Fällen nicht
allein ehrenhaft, sondern auch klug ist, die Wahrheit zu sagen; sie werden
kein Gewicht darauf legen, daß ein schwächliches Kompromiß mit der Unwahr¬
heit ihnen vielleicht augenblicklich eine kleine Erleichterung gewähren möchte,
während sie sich der Betrachtung nicht entziehen können, daß sie durch klein-
müthige Begehrlichkeit dem lebendigen Geist ihrer an guten und rühmlichen
Thaten reichen Geschichte, der lauten Mahnung einer unerbittlichen Gegenwart,
dem unbeugsamen Geist des alten Sachsenstammes den Rücken wenden, daß
sie die Ruhe ihrer Todten stören würden, über denen auf den Schlachtfeldern
vor Schleswig kaum der Nasen grün geworden."

Wir haben Beseler ausführlich sprechen lassen, nicht blos, weil sein red¬
licher Patriotismus das Wort haben sollte, nicht blos, weil er die Meinung
einer achtungswerthen Partei in Schleswig-Holstein und im innern Deutsch¬
land vertritt, sondern auch, weil sehr vieles in seiner Beweisführung voll¬
kommen richtig ist. Zu dem Ergebniß seiner Erörterung aber, zu dem Rathe,
den er den Holsteinern ertheilt, können wir uns nicht bekennen. Er kann
nicht meinen, daß Deutschland, daß die norddeutsche Großmacht einer Befol¬
gung dieses Rathes durch die holsteinischen Stände jetzt ihre Unterstützung
leihen würde. Er verlangt zu viel von den Holsteinern, damit sie nicht zu wenig
thun, oder er denkt, wie wir bereits hervorgehoben, an eine bessere Zukunft. Wir
haben uns aber an die Gegenwart zu halten, und die Dinge vorläufig zu nehmen,
wie sie gegeben sind. Auf diesem Standpunkt sind dann folgende Sätze maßgebend:


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wirren sei. Oestreich ist durch seine Politik in der orientalischen Frage iso-
lirt. Im Osten grollt ihm Rußland. Im Westen ist der Neffe des Siegers
von Marengo sicher nur durch Englands Einspruch abgehalten, sich auf Ober-
italien zu stürzen und dort die „Dotation" für Frankreich zu erobern, die nach
seiner Meinung die Familie Vonaparte der französischen Nation schuldet. Eng¬
land ist für Oestreich nur gegen Nußland ein Bundesgenosse, auf den zu zäh¬
len ist, Preußen unter den jetzigen Umständen vielleicht nur gegen Frankreich,
der deutsche Bund aber ohne Preußen fast eine Null, sein buntes Heer wenig
mehr werth (wir denken dabei nicht an die militärischen Eigenschaften der ein¬
zelnen Truppen, sondern an die vielen Stimmen, welche trotz der Einheit des
Oberbefehls hineinzusprechen hätten) als das weiland Reichsheer von 1757.
Conjecturen hieraus.aufzustellen und Fälle zu finden, die es für Oestreich noth¬
wendig machen, den alten Groll aufzugeben, und das alte Streben nach der
Hegemonie in Deutschland bei Seite setzend, sich einem Erstarken Norddeutschlands
nicht mehr entgegenzustemmen, überlassen wir der Phantasie der Leser. Wir haben
es nur mit der Gegenwart zu thun, und diese weist uns wieder auf die Er¬
wartung der Dinge zurück, die sich im Ständesaal von Itzehoe begeben werden.

„Die Mitglieder der Ständeversammlung werden sich gegenwärtig halten"
— schießt Beseler seine Erörterung — „daß es in den meisten Fällen nicht
allein ehrenhaft, sondern auch klug ist, die Wahrheit zu sagen; sie werden
kein Gewicht darauf legen, daß ein schwächliches Kompromiß mit der Unwahr¬
heit ihnen vielleicht augenblicklich eine kleine Erleichterung gewähren möchte,
während sie sich der Betrachtung nicht entziehen können, daß sie durch klein-
müthige Begehrlichkeit dem lebendigen Geist ihrer an guten und rühmlichen
Thaten reichen Geschichte, der lauten Mahnung einer unerbittlichen Gegenwart,
dem unbeugsamen Geist des alten Sachsenstammes den Rücken wenden, daß
sie die Ruhe ihrer Todten stören würden, über denen auf den Schlachtfeldern
vor Schleswig kaum der Nasen grün geworden."

Wir haben Beseler ausführlich sprechen lassen, nicht blos, weil sein red¬
licher Patriotismus das Wort haben sollte, nicht blos, weil er die Meinung
einer achtungswerthen Partei in Schleswig-Holstein und im innern Deutsch¬
land vertritt, sondern auch, weil sehr vieles in seiner Beweisführung voll¬
kommen richtig ist. Zu dem Ergebniß seiner Erörterung aber, zu dem Rathe,
den er den Holsteinern ertheilt, können wir uns nicht bekennen. Er kann
nicht meinen, daß Deutschland, daß die norddeutsche Großmacht einer Befol¬
gung dieses Rathes durch die holsteinischen Stände jetzt ihre Unterstützung
leihen würde. Er verlangt zu viel von den Holsteinern, damit sie nicht zu wenig
thun, oder er denkt, wie wir bereits hervorgehoben, an eine bessere Zukunft. Wir
haben uns aber an die Gegenwart zu halten, und die Dinge vorläufig zu nehmen,
wie sie gegeben sind. Auf diesem Standpunkt sind dann folgende Sätze maßgebend:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/498>, abgerufen am 05.07.2024.