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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Einfluß der Zeit überlassen, in welchem Umfang sich zwischen den nebenein¬
ander gestellten Völkern durch Verträge engere Beziehungen knüpfen werden.
Beide in einen und denselben Staat hineinzwängen heißt, den Krieg zwischen
ihnen verewigen, indem keine in dem Grade die stärkere ist, daß sie die an¬
dere unterjochen könnte.

2) Holstein allein ist nicht im Stande, der dänischen Macht auf den In¬
seln und in Jütland die Spitze zu bieten.. Die Vereinigung Schleswigs mit
Holstein zu einem Staat wurde daher zwei Jahrhunderte hindurch von den
Bewohnern der Herzogthümer erstrebt und endlich 1460 erreicht/ Fast alle
seitdem zwischen beiden Theilen geführten diplomatischen Kämpfe beziehen sich
auf Schleswig, welches die Dänen vergeblich von Holstein zu trennen und
an das Königreich zu fesseln suchten. Als seit dem Beginn des vorigen Jahr¬
hunderts die Verfassung in Schleswig-Holstein thatsächlich außer Wirksamkeit
getreten war, blieben Gesetzgebung und Verwaltung der Herzogthümer gemein¬
schaftlich und beinahe gänzlich von Dänemark getrennt, und als 1830 der
alte Kampf zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark von neuem entbrannte,
wurde Schleswig sofort wieder der Gegenstand des Streits. Dann folgte
der dreijährige Krieg gegen die Dänen zum Zweck der Verhütung einer Ein¬
verleibung Schleswigs in Dänemark und sein durch die deutsche Diplomatie
herbeigeführtes beklagenswerthes Ende. Den Holsteinern zu sagen, was An¬
gesichts des von dänischer Willkürherrschaft gemißhandelten Schleswigs Mensch¬
lichkeit und Ehre ihnen zu thun gebieten, wäre überflüssig und unangemessen.
Es ist aber ein Glück, daß beide mit der Politik Hand in Hand gehen. Dä¬
nemark hat sich 1843 aus einer unbeschränkten Monarchie in eine beschränkte
verwandelt, das dänische Volk hat eine Verfassung, die ihm einen entschei¬
denden Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten sichert. Nun leuchtet ein,
daß. wenn die Personalunion zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark
wiederhergestellt würde, der gemeinschaftliche Landesherr nicht hier als con-
stitutioneller König und dort als absoluter Herzog regieren könnte, ohne daß
die Abhängigkeit des unbeschränkt regierten Landes von dem Volke des be¬
schränkt regierten die Folge wäre. Schleswig-Holstein müßte somit, eine der
dänischen ähnliche Verfassung erhalten, und zwar müßten die beiden getrenn¬
ten, nunmehr gleich dem dänischen Reichstag mit beschließender Befugniß aus¬
zustattenden Ständeversammlungen für Schleswig und für Holstein zu einer
gemeinschaftlich lagerten Versammlung umgeschaffen werden. Vor 1848 konn¬
ten bei gemeinschaftlicher Gesetzgebung und Verwaltung zwei berathende
Versammlungen nebeneinander sein; stimmten die Gutachten derselben über
die ihnen vorgelegten Gesetzentwürfe nicht überein, so konnte der Landesherr
das eine oder das andere oder auch beide unberücksichtigt lassen. Zwei gesetz¬
gebende und steuerbewilligende örtlich getrennte Versammlungen stehen


Einfluß der Zeit überlassen, in welchem Umfang sich zwischen den nebenein¬
ander gestellten Völkern durch Verträge engere Beziehungen knüpfen werden.
Beide in einen und denselben Staat hineinzwängen heißt, den Krieg zwischen
ihnen verewigen, indem keine in dem Grade die stärkere ist, daß sie die an¬
dere unterjochen könnte.

2) Holstein allein ist nicht im Stande, der dänischen Macht auf den In¬
seln und in Jütland die Spitze zu bieten.. Die Vereinigung Schleswigs mit
Holstein zu einem Staat wurde daher zwei Jahrhunderte hindurch von den
Bewohnern der Herzogthümer erstrebt und endlich 1460 erreicht/ Fast alle
seitdem zwischen beiden Theilen geführten diplomatischen Kämpfe beziehen sich
auf Schleswig, welches die Dänen vergeblich von Holstein zu trennen und
an das Königreich zu fesseln suchten. Als seit dem Beginn des vorigen Jahr¬
hunderts die Verfassung in Schleswig-Holstein thatsächlich außer Wirksamkeit
getreten war, blieben Gesetzgebung und Verwaltung der Herzogthümer gemein¬
schaftlich und beinahe gänzlich von Dänemark getrennt, und als 1830 der
alte Kampf zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark von neuem entbrannte,
wurde Schleswig sofort wieder der Gegenstand des Streits. Dann folgte
der dreijährige Krieg gegen die Dänen zum Zweck der Verhütung einer Ein¬
verleibung Schleswigs in Dänemark und sein durch die deutsche Diplomatie
herbeigeführtes beklagenswerthes Ende. Den Holsteinern zu sagen, was An¬
gesichts des von dänischer Willkürherrschaft gemißhandelten Schleswigs Mensch¬
lichkeit und Ehre ihnen zu thun gebieten, wäre überflüssig und unangemessen.
Es ist aber ein Glück, daß beide mit der Politik Hand in Hand gehen. Dä¬
nemark hat sich 1843 aus einer unbeschränkten Monarchie in eine beschränkte
verwandelt, das dänische Volk hat eine Verfassung, die ihm einen entschei¬
denden Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten sichert. Nun leuchtet ein,
daß. wenn die Personalunion zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark
wiederhergestellt würde, der gemeinschaftliche Landesherr nicht hier als con-
stitutioneller König und dort als absoluter Herzog regieren könnte, ohne daß
die Abhängigkeit des unbeschränkt regierten Landes von dem Volke des be¬
schränkt regierten die Folge wäre. Schleswig-Holstein müßte somit, eine der
dänischen ähnliche Verfassung erhalten, und zwar müßten die beiden getrenn¬
ten, nunmehr gleich dem dänischen Reichstag mit beschließender Befugniß aus¬
zustattenden Ständeversammlungen für Schleswig und für Holstein zu einer
gemeinschaftlich lagerten Versammlung umgeschaffen werden. Vor 1848 konn¬
ten bei gemeinschaftlicher Gesetzgebung und Verwaltung zwei berathende
Versammlungen nebeneinander sein; stimmten die Gutachten derselben über
die ihnen vorgelegten Gesetzentwürfe nicht überein, so konnte der Landesherr
das eine oder das andere oder auch beide unberücksichtigt lassen. Zwei gesetz¬
gebende und steuerbewilligende örtlich getrennte Versammlungen stehen


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[0492] Einfluß der Zeit überlassen, in welchem Umfang sich zwischen den nebenein¬ ander gestellten Völkern durch Verträge engere Beziehungen knüpfen werden. Beide in einen und denselben Staat hineinzwängen heißt, den Krieg zwischen ihnen verewigen, indem keine in dem Grade die stärkere ist, daß sie die an¬ dere unterjochen könnte. 2) Holstein allein ist nicht im Stande, der dänischen Macht auf den In¬ seln und in Jütland die Spitze zu bieten.. Die Vereinigung Schleswigs mit Holstein zu einem Staat wurde daher zwei Jahrhunderte hindurch von den Bewohnern der Herzogthümer erstrebt und endlich 1460 erreicht/ Fast alle seitdem zwischen beiden Theilen geführten diplomatischen Kämpfe beziehen sich auf Schleswig, welches die Dänen vergeblich von Holstein zu trennen und an das Königreich zu fesseln suchten. Als seit dem Beginn des vorigen Jahr¬ hunderts die Verfassung in Schleswig-Holstein thatsächlich außer Wirksamkeit getreten war, blieben Gesetzgebung und Verwaltung der Herzogthümer gemein¬ schaftlich und beinahe gänzlich von Dänemark getrennt, und als 1830 der alte Kampf zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark von neuem entbrannte, wurde Schleswig sofort wieder der Gegenstand des Streits. Dann folgte der dreijährige Krieg gegen die Dänen zum Zweck der Verhütung einer Ein¬ verleibung Schleswigs in Dänemark und sein durch die deutsche Diplomatie herbeigeführtes beklagenswerthes Ende. Den Holsteinern zu sagen, was An¬ gesichts des von dänischer Willkürherrschaft gemißhandelten Schleswigs Mensch¬ lichkeit und Ehre ihnen zu thun gebieten, wäre überflüssig und unangemessen. Es ist aber ein Glück, daß beide mit der Politik Hand in Hand gehen. Dä¬ nemark hat sich 1843 aus einer unbeschränkten Monarchie in eine beschränkte verwandelt, das dänische Volk hat eine Verfassung, die ihm einen entschei¬ denden Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten sichert. Nun leuchtet ein, daß. wenn die Personalunion zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark wiederhergestellt würde, der gemeinschaftliche Landesherr nicht hier als con- stitutioneller König und dort als absoluter Herzog regieren könnte, ohne daß die Abhängigkeit des unbeschränkt regierten Landes von dem Volke des be¬ schränkt regierten die Folge wäre. Schleswig-Holstein müßte somit, eine der dänischen ähnliche Verfassung erhalten, und zwar müßten die beiden getrenn¬ ten, nunmehr gleich dem dänischen Reichstag mit beschließender Befugniß aus¬ zustattenden Ständeversammlungen für Schleswig und für Holstein zu einer gemeinschaftlich lagerten Versammlung umgeschaffen werden. Vor 1848 konn¬ ten bei gemeinschaftlicher Gesetzgebung und Verwaltung zwei berathende Versammlungen nebeneinander sein; stimmten die Gutachten derselben über die ihnen vorgelegten Gesetzentwürfe nicht überein, so konnte der Landesherr das eine oder das andere oder auch beide unberücksichtigt lassen. Zwei gesetz¬ gebende und steuerbewilligende örtlich getrennte Versammlungen stehen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/492>, abgerufen am 05.07.2024.