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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Die Mischen Inseln und ihr Verhältniß zu England.

Unter den wenigen Ereignissen von Bedeutung, welche die letzten Wochen
in England brachten, schien die Sendung Gladstones nach den jonischen
Inseln das bedeutendste. Anfänglich ein Gegenstand der Vermuthung, klärte
sich der Zweck dieser Sendung plötzlich durch die Veröffentlichung einer Denk¬
schrift auf, welche den gegenwärtigen Lordobercommissär Sir John Doung
zum Verfasser hat und, vom 10. Juni. v. I. datirt, der Negierung den Rath
ertheilt, ihr Verhältniß zur Republik der sieben Inseln umzugestalten, die
Oberschutzherrsclmft über die südlichen unter denselben auszugeben, Korfu aber
sammt dem benachbarten Paxo dem britischen Reich einzuverleiben. Der
Verfasser der Denkschrift hält den jetzigen Augenblick für einen derartigen
Schritt besonders geeignet, da der Parteigeist unter den Eptanifiern gegen¬
wärtig sehr abgenommen habe und nicht mehr über Mißbrauch der Gewalt
von Seiten der Schutzmacht geklagt werde. Er unterstützt sodann seinen Vor¬
schlag durch Gründe, die in Kurzem folgende sind:

Die Inseln liegen zu weit auseinander, und ihre Interessen sind zu ver¬
schiedenartig, als daß sie unter fremden Auspicien ein homogenes Ganze bil¬
den könnten. Die Schwierigkeiten, mit denen das englische Protektorat bis¬
her zu kämpfen gehabt, haben ihren Ursprung hauptsächlich in den südlichen
Inseln Cephalonia. Ithaka, Santa Maura, Zarte und Cerigo, die, weit
abgelegen von Korfu, der Abstammung ihrer Bewohner nach so wie zufolge
ihrer Sympathien mehr zum Königreich Griechenland gehören, als die Inseln
der nördlichen Gruppe, und die andererseits für England von geringer Be¬
deutung, ja mehr eine Last, als ein gewinnbringender Besitz sind. Korfu da¬
gegen muß man behalten; denn wenn es an Griechenland fiele, würde es
Albanien und die türkischen Theile von Epirus in steter Aufregung erhalten.
Es ist sogar wünschenswert^, daß es enger mit England verbunden, daß es
englische Colonie wird. Es zahlt ebenso wieseine Trabanteninsel Paxo mehr
als es kostet, und es würde, dem britischen Staat einverleibt, in seinem
Ackerbau, der jetzt vernachlässigt ist, und seinem Handel einen Aufschwung
nehmen, der es zu einem Garten und seinen Hasen zum Mittelpunkt für den
Verkehr der benachbarten Gewässer machen würde. Dies weiß man auf Korfu,
und so kommt es, daß hier die Abneigung gegen das englische Protektorat
am schwächsten ist. Sodann ist Korfu der Schlüssel des adriatischen Meeres,
es ist für die über Trieft führende Straße von England nach Aegypten und
Indien so wichtig, wie Malta für die Route über Gibraltar und Marseille,


Die Mischen Inseln und ihr Verhältniß zu England.

Unter den wenigen Ereignissen von Bedeutung, welche die letzten Wochen
in England brachten, schien die Sendung Gladstones nach den jonischen
Inseln das bedeutendste. Anfänglich ein Gegenstand der Vermuthung, klärte
sich der Zweck dieser Sendung plötzlich durch die Veröffentlichung einer Denk¬
schrift auf, welche den gegenwärtigen Lordobercommissär Sir John Doung
zum Verfasser hat und, vom 10. Juni. v. I. datirt, der Negierung den Rath
ertheilt, ihr Verhältniß zur Republik der sieben Inseln umzugestalten, die
Oberschutzherrsclmft über die südlichen unter denselben auszugeben, Korfu aber
sammt dem benachbarten Paxo dem britischen Reich einzuverleiben. Der
Verfasser der Denkschrift hält den jetzigen Augenblick für einen derartigen
Schritt besonders geeignet, da der Parteigeist unter den Eptanifiern gegen¬
wärtig sehr abgenommen habe und nicht mehr über Mißbrauch der Gewalt
von Seiten der Schutzmacht geklagt werde. Er unterstützt sodann seinen Vor¬
schlag durch Gründe, die in Kurzem folgende sind:

Die Inseln liegen zu weit auseinander, und ihre Interessen sind zu ver¬
schiedenartig, als daß sie unter fremden Auspicien ein homogenes Ganze bil¬
den könnten. Die Schwierigkeiten, mit denen das englische Protektorat bis¬
her zu kämpfen gehabt, haben ihren Ursprung hauptsächlich in den südlichen
Inseln Cephalonia. Ithaka, Santa Maura, Zarte und Cerigo, die, weit
abgelegen von Korfu, der Abstammung ihrer Bewohner nach so wie zufolge
ihrer Sympathien mehr zum Königreich Griechenland gehören, als die Inseln
der nördlichen Gruppe, und die andererseits für England von geringer Be¬
deutung, ja mehr eine Last, als ein gewinnbringender Besitz sind. Korfu da¬
gegen muß man behalten; denn wenn es an Griechenland fiele, würde es
Albanien und die türkischen Theile von Epirus in steter Aufregung erhalten.
Es ist sogar wünschenswert^, daß es enger mit England verbunden, daß es
englische Colonie wird. Es zahlt ebenso wieseine Trabanteninsel Paxo mehr
als es kostet, und es würde, dem britischen Staat einverleibt, in seinem
Ackerbau, der jetzt vernachlässigt ist, und seinem Handel einen Aufschwung
nehmen, der es zu einem Garten und seinen Hasen zum Mittelpunkt für den
Verkehr der benachbarten Gewässer machen würde. Dies weiß man auf Korfu,
und so kommt es, daß hier die Abneigung gegen das englische Protektorat
am schwächsten ist. Sodann ist Korfu der Schlüssel des adriatischen Meeres,
es ist für die über Trieft führende Straße von England nach Aegypten und
Indien so wichtig, wie Malta für die Route über Gibraltar und Marseille,


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[0469] Die Mischen Inseln und ihr Verhältniß zu England. Unter den wenigen Ereignissen von Bedeutung, welche die letzten Wochen in England brachten, schien die Sendung Gladstones nach den jonischen Inseln das bedeutendste. Anfänglich ein Gegenstand der Vermuthung, klärte sich der Zweck dieser Sendung plötzlich durch die Veröffentlichung einer Denk¬ schrift auf, welche den gegenwärtigen Lordobercommissär Sir John Doung zum Verfasser hat und, vom 10. Juni. v. I. datirt, der Negierung den Rath ertheilt, ihr Verhältniß zur Republik der sieben Inseln umzugestalten, die Oberschutzherrsclmft über die südlichen unter denselben auszugeben, Korfu aber sammt dem benachbarten Paxo dem britischen Reich einzuverleiben. Der Verfasser der Denkschrift hält den jetzigen Augenblick für einen derartigen Schritt besonders geeignet, da der Parteigeist unter den Eptanifiern gegen¬ wärtig sehr abgenommen habe und nicht mehr über Mißbrauch der Gewalt von Seiten der Schutzmacht geklagt werde. Er unterstützt sodann seinen Vor¬ schlag durch Gründe, die in Kurzem folgende sind: Die Inseln liegen zu weit auseinander, und ihre Interessen sind zu ver¬ schiedenartig, als daß sie unter fremden Auspicien ein homogenes Ganze bil¬ den könnten. Die Schwierigkeiten, mit denen das englische Protektorat bis¬ her zu kämpfen gehabt, haben ihren Ursprung hauptsächlich in den südlichen Inseln Cephalonia. Ithaka, Santa Maura, Zarte und Cerigo, die, weit abgelegen von Korfu, der Abstammung ihrer Bewohner nach so wie zufolge ihrer Sympathien mehr zum Königreich Griechenland gehören, als die Inseln der nördlichen Gruppe, und die andererseits für England von geringer Be¬ deutung, ja mehr eine Last, als ein gewinnbringender Besitz sind. Korfu da¬ gegen muß man behalten; denn wenn es an Griechenland fiele, würde es Albanien und die türkischen Theile von Epirus in steter Aufregung erhalten. Es ist sogar wünschenswert^, daß es enger mit England verbunden, daß es englische Colonie wird. Es zahlt ebenso wieseine Trabanteninsel Paxo mehr als es kostet, und es würde, dem britischen Staat einverleibt, in seinem Ackerbau, der jetzt vernachlässigt ist, und seinem Handel einen Aufschwung nehmen, der es zu einem Garten und seinen Hasen zum Mittelpunkt für den Verkehr der benachbarten Gewässer machen würde. Dies weiß man auf Korfu, und so kommt es, daß hier die Abneigung gegen das englische Protektorat am schwächsten ist. Sodann ist Korfu der Schlüssel des adriatischen Meeres, es ist für die über Trieft führende Straße von England nach Aegypten und Indien so wichtig, wie Malta für die Route über Gibraltar und Marseille,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/469>, abgerufen am 05.07.2024.