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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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gerungszustnnd in Ungarn auf, und es erschien die bis nun Giltigkeit besitzende
Verordnung des k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht vom 3. Juli
1854, durch welche der oben erwähnte Haynausche Erlaß außer Kraft gesetzt
wird, und infolge Allerhöchster Entschließung vom 21. Juni 1854, bis zu
der definitiven Regelung der kirchlichen Angelegenheiten der Evangelischen beider
Bekenntnisse, welche nach Maßgabe des §. 4 im 20. Gesetzartikel vom Jahr
1791 zu erfolgen hat, folgende Bestimmungen in Wirksamkeit zu treten haben:
"Presbyterien dürfen sich ohne weiteres versammeln; große Local-, dann Se-
niorats- und Districtualconvente können nur, auf Einschreiten der geistlichen
Behörde bei den politischen, in Gegenwart eines landesfürstlichen Commissärs
abgehalten werden, welch letzterer darüber zu wachen hat, daß die Verhand¬
lung sich cmfdas kirchliche Gebiet beschränke; Gener alconvente sind nicht
bewilligt; der Generalinspcctor und die Districtualinspectoren
bleiben suspendirt; bis zu der definitiven Feststellung der Modalität der
Superintcndentenwahl fungiren die bestehenden Administratoren fort. Bei der
Wahl eines Pfarrers oder Lehrers ist der politischen Behörde von der Ge¬
meinde die Anzeige hierüber zu erstatten, und es hat erstere die politische Un¬
bescholtenheit der gewählten Person zu prüfen." Endlich sollten die Evange¬
lischen, wie K. 11 dieser Verordnung sagte, nach Maßgabe des §. 4 im 20.
Artikel von 1791 zum Zweck der definitiven Allerhöchsten Entscheidung über ihre
kirchlichen Angelegenheiten noch im Laus des Jahres 1854 gehört werden.

Dies ist die gegenwärtig für die protestantische Kirche in Ungarn ma߬
gebende Direction; wie sehr durch das Provisorium, welches ohne sichtliche
Nothwendigkeit Jahre lang aus den Zuständen der Protestanten lastet, die freie
Bewegung im Gebiet der Kirche beschränkt wird, geht aus der Betrachtung
der auszugsweise hier wiedergegebenen Bestimmungen der letzten kaiserlichen
Verfügung klar hervor. Der weltliche Einfluß auf die Leitung der kirchlichen
Angelegenheiten, der stets fördernd und gemeinnützig wirkte, ist nahezu annullirt;
die sreie Discussion ist zwar nicht gänzlich gehemmt, ihr aber eine Fessel an¬
gelegt; die höchste geistliche Würde des Superintendenten ist einem von der
Negierung abhängigen, gleich einem Beamten besoldeten Administrator ver¬
liehen, der von der Kirche als ihr gesetzmäßiges Haupt nicht anerkannt und
von dem deshalb auch die Weihe der protestantischen Geistlichen nicht vollzogen
werden kann.

Von dem beschränkten Recht, das die Verordnung vom Jahr -1854 ver¬
lieh, Gebrauch machend, hielten die Protestanten mehre Districtualconvente
ab -- die einzige Regung des öffentlichen Lebens in Ungarn. Regelmäßig
sandten sie Deputationen an die Negierung und an den Kaiser selbst, mit den
wiederholten Bitten um Herstellung der Kirchenverfassung in ihrer frühern
Ausdehnung und um Einberufung einer Synode zur Regelung der tires-


gerungszustnnd in Ungarn auf, und es erschien die bis nun Giltigkeit besitzende
Verordnung des k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht vom 3. Juli
1854, durch welche der oben erwähnte Haynausche Erlaß außer Kraft gesetzt
wird, und infolge Allerhöchster Entschließung vom 21. Juni 1854, bis zu
der definitiven Regelung der kirchlichen Angelegenheiten der Evangelischen beider
Bekenntnisse, welche nach Maßgabe des §. 4 im 20. Gesetzartikel vom Jahr
1791 zu erfolgen hat, folgende Bestimmungen in Wirksamkeit zu treten haben:
„Presbyterien dürfen sich ohne weiteres versammeln; große Local-, dann Se-
niorats- und Districtualconvente können nur, auf Einschreiten der geistlichen
Behörde bei den politischen, in Gegenwart eines landesfürstlichen Commissärs
abgehalten werden, welch letzterer darüber zu wachen hat, daß die Verhand¬
lung sich cmfdas kirchliche Gebiet beschränke; Gener alconvente sind nicht
bewilligt; der Generalinspcctor und die Districtualinspectoren
bleiben suspendirt; bis zu der definitiven Feststellung der Modalität der
Superintcndentenwahl fungiren die bestehenden Administratoren fort. Bei der
Wahl eines Pfarrers oder Lehrers ist der politischen Behörde von der Ge¬
meinde die Anzeige hierüber zu erstatten, und es hat erstere die politische Un¬
bescholtenheit der gewählten Person zu prüfen." Endlich sollten die Evange¬
lischen, wie K. 11 dieser Verordnung sagte, nach Maßgabe des §. 4 im 20.
Artikel von 1791 zum Zweck der definitiven Allerhöchsten Entscheidung über ihre
kirchlichen Angelegenheiten noch im Laus des Jahres 1854 gehört werden.

Dies ist die gegenwärtig für die protestantische Kirche in Ungarn ma߬
gebende Direction; wie sehr durch das Provisorium, welches ohne sichtliche
Nothwendigkeit Jahre lang aus den Zuständen der Protestanten lastet, die freie
Bewegung im Gebiet der Kirche beschränkt wird, geht aus der Betrachtung
der auszugsweise hier wiedergegebenen Bestimmungen der letzten kaiserlichen
Verfügung klar hervor. Der weltliche Einfluß auf die Leitung der kirchlichen
Angelegenheiten, der stets fördernd und gemeinnützig wirkte, ist nahezu annullirt;
die sreie Discussion ist zwar nicht gänzlich gehemmt, ihr aber eine Fessel an¬
gelegt; die höchste geistliche Würde des Superintendenten ist einem von der
Negierung abhängigen, gleich einem Beamten besoldeten Administrator ver¬
liehen, der von der Kirche als ihr gesetzmäßiges Haupt nicht anerkannt und
von dem deshalb auch die Weihe der protestantischen Geistlichen nicht vollzogen
werden kann.

Von dem beschränkten Recht, das die Verordnung vom Jahr -1854 ver¬
lieh, Gebrauch machend, hielten die Protestanten mehre Districtualconvente
ab — die einzige Regung des öffentlichen Lebens in Ungarn. Regelmäßig
sandten sie Deputationen an die Negierung und an den Kaiser selbst, mit den
wiederholten Bitten um Herstellung der Kirchenverfassung in ihrer frühern
Ausdehnung und um Einberufung einer Synode zur Regelung der tires-


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[0426] gerungszustnnd in Ungarn auf, und es erschien die bis nun Giltigkeit besitzende Verordnung des k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht vom 3. Juli 1854, durch welche der oben erwähnte Haynausche Erlaß außer Kraft gesetzt wird, und infolge Allerhöchster Entschließung vom 21. Juni 1854, bis zu der definitiven Regelung der kirchlichen Angelegenheiten der Evangelischen beider Bekenntnisse, welche nach Maßgabe des §. 4 im 20. Gesetzartikel vom Jahr 1791 zu erfolgen hat, folgende Bestimmungen in Wirksamkeit zu treten haben: „Presbyterien dürfen sich ohne weiteres versammeln; große Local-, dann Se- niorats- und Districtualconvente können nur, auf Einschreiten der geistlichen Behörde bei den politischen, in Gegenwart eines landesfürstlichen Commissärs abgehalten werden, welch letzterer darüber zu wachen hat, daß die Verhand¬ lung sich cmfdas kirchliche Gebiet beschränke; Gener alconvente sind nicht bewilligt; der Generalinspcctor und die Districtualinspectoren bleiben suspendirt; bis zu der definitiven Feststellung der Modalität der Superintcndentenwahl fungiren die bestehenden Administratoren fort. Bei der Wahl eines Pfarrers oder Lehrers ist der politischen Behörde von der Ge¬ meinde die Anzeige hierüber zu erstatten, und es hat erstere die politische Un¬ bescholtenheit der gewählten Person zu prüfen." Endlich sollten die Evange¬ lischen, wie K. 11 dieser Verordnung sagte, nach Maßgabe des §. 4 im 20. Artikel von 1791 zum Zweck der definitiven Allerhöchsten Entscheidung über ihre kirchlichen Angelegenheiten noch im Laus des Jahres 1854 gehört werden. Dies ist die gegenwärtig für die protestantische Kirche in Ungarn ma߬ gebende Direction; wie sehr durch das Provisorium, welches ohne sichtliche Nothwendigkeit Jahre lang aus den Zuständen der Protestanten lastet, die freie Bewegung im Gebiet der Kirche beschränkt wird, geht aus der Betrachtung der auszugsweise hier wiedergegebenen Bestimmungen der letzten kaiserlichen Verfügung klar hervor. Der weltliche Einfluß auf die Leitung der kirchlichen Angelegenheiten, der stets fördernd und gemeinnützig wirkte, ist nahezu annullirt; die sreie Discussion ist zwar nicht gänzlich gehemmt, ihr aber eine Fessel an¬ gelegt; die höchste geistliche Würde des Superintendenten ist einem von der Negierung abhängigen, gleich einem Beamten besoldeten Administrator ver¬ liehen, der von der Kirche als ihr gesetzmäßiges Haupt nicht anerkannt und von dem deshalb auch die Weihe der protestantischen Geistlichen nicht vollzogen werden kann. Von dem beschränkten Recht, das die Verordnung vom Jahr -1854 ver¬ lieh, Gebrauch machend, hielten die Protestanten mehre Districtualconvente ab — die einzige Regung des öffentlichen Lebens in Ungarn. Regelmäßig sandten sie Deputationen an die Negierung und an den Kaiser selbst, mit den wiederholten Bitten um Herstellung der Kirchenverfassung in ihrer frühern Ausdehnung und um Einberufung einer Synode zur Regelung der tires-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/426>, abgerufen am 26.07.2024.