Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.saal hatte er ein eignes Katheder erbauen lassen, von welchem herab Gund- 49*
saal hatte er ein eignes Katheder erbauen lassen, von welchem herab Gund- 49*
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saal hatte er ein eignes Katheder erbauen lassen, von welchem herab Gund-
ling zur Unterhaltung des Königs und der andern Gaste seine Witze vor¬
bringen mußte. Dieser bekannte Hofnarr war von Grumbkow in einer ge¬
meinen Schenke, wo er als Zeitungsvorleser perorirte, gefunden und an den
Hof gebracht worden. Grumbkow verschmähte, wie man sieht, auch Wirths¬
häuser solcher Art nicht. In der damaligen Hauptstraße, der Königsstraße,
hatte er sich ein hübsches, großes Haus gebaut, das zu den schönsten der
Stadt gezählt wurde. Seine ganze Lebensweise kostete ihn viel Geld, dabei
liebte er das Spiel, und so war er trotz seines reichen Einkommens oft in
Verlegenheit. Seine verschiedenen hohen Aemter so wie der Ertrag seiner pom-
merischen Güter Möllen. Liebasch und Loist ließen seine jährliche Einnahme
auf 36,000 Thaler steigen, ungerechnet die vielen Geschenke, die er von frem¬
den Höfen erhielt, und doch hinterließ er kein Vermögen. Seine Neigung
zum Wohlleben, seine Bedürfnisse waren es also zum guten Theil, die ihn
jenes verrätherische Spiel mit Ehre und Treue spielen ließen. Seine Rolle
zu behaupten, bedürfte er oft einer ehernen Stirn und der rücksichtslosesten
Unverschämtheit. Er wußte dies vortrefflich mit der offnen Derbheit zu ver¬
einigen, mit der er jedermann, auch dem König, gegenübertrat und starke
Wahrheiten sagte. Wenn er indessen wollte, konnte er ebenso sein und
liebenswürdig, reg in der Konversation und geistreich sein. Denn er hatte
einen raschen Verstand, der besonders schnell das Lächerliche auffaßte, und rasch
die verschieden Charaktere zu durchschauen und zu behandeln verstand. Da¬
her sein Hang zu den Intriguen, daher sein Glück in denselben. Je nach
den Umständen erschien er als em ganz andrer. In dem Tabakscolleg war
er der derbe, satirische Deutsche, während er im Umgang und im Briefwechsel
mit dem Kronprinzen die französische Erziehung bewies, französisch schrieb,
die Rückberufung Wolfs, des Philosophen (1733), befürwortete, und die
frivolen Aussprüche und Entschuldigungen Friedrichs in Betreff seiner sinn¬
lichen Ausschweifungen ganz ruhig und wohlgefällig entgegennahm. So
war auch wol das oft hervortretende religiöse Gefühl Grumbkows nur eine Nach¬
giebigkeit gegen die damalige Mode, der man am berliner Hof huldigte,
weil der König streng religiös und bibelsche war. Ein solcher Mann war
zu keinem geistigen Aufschwung geschaffen, wozu ihm vor allem die nöthige
Energie abging. So wird ihm auch bei al! seinem Verstand und seiner Geschäfts¬
kenntniß eigentlicher Fleiß abgesprochen. Schwer nur mag er die stren¬
gen, für Friedrich Wilhelm so charakteristischen Anordnungen befolgt haben,
wonach die Sitzungen des Generaldirectoriums zur bestimmten Stunde früh
Morgens anfangen und so lange dauern sollten, bis alle Geschäfte erledigt
seien, wobei der König gastfreundlich ein Mittagessen von vier Schüsseln aus
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