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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Charlotte, Fräulein de la Chevallerie, mit der er fünfzehn Kinder, vier Söhne
und elf Töchter, erzeugte. Seine Söhne traten wol meist zum Militär, einer
seiner Schwiegersöhne war Herr von Podewils. der durch seinen Einfluß zum
Minister aufstieg. Einen jüngeren Bruder haben wir bereits als Minister
und Oberprnsidenten von Pommern erwähnt, und dessen Sohn war bis 175?
Flügeladjutant Friedrichs II., wo er in Schweidnitz gefangen genommen und
seitdem nicht mehr im Krieg verwandt wurde.

Haben wir das Leben des Generals verfolgt, so weit es uns möglich
war, so wird uns, wenn wir alle Züge zusammenfassen, zwar kein angeneh¬
mes, aber doch ein merkwürdiges Bild entgegentreten. Denn wir sehen in
ihm mehr, als den an und für sich nicht einmal so bedeutenden Mann; wir
erkennen durch ihn die ganze Zeit. So streng wir nun auch urtheilen müssen,
wenn wir den allgemeinen Charakter einer ganzen Periode ins Auge sassen,
so werden wir grade deshalb bei dem Urtheil über einen Einzelnen, der doch
nur das Kind seiner Zeit ist. eine billige Rücksicht auf den Einfluß derselben
nehmen müssen. Grumbkow stand aber mitten in seiner Zeit, die nur auf
das Praktische und Materielle gerichtet war und jeden Gedanken an ein
Höheres verloren hatte. Dieselben Künste der Bestechung, mit denen Wnlpole
die ersten Männer Englands und des Parlaments gewann, wurden auf dem
ganzen Festland als Hauptwerfzeug einer glänzenden Staatskunst benutzt.
Grumbkow dachte nicht anders. Er ergriff mit unbedenklicher Hand die Ge¬
legenheit und beutete sie nur schlauer als andere aus. Wir haben das zur
Genüge hervorgehoben, aber zum richtigen Verständniß muß dabei noch er¬
zählt werden, wie weit sich diese Falschheit und niedere Treulosigkeit damals
erstreckte. Friedrich Wilhelm selbst leitete seine Staatsmänner dazu an. In
der Instruction sür das Generaldirectorium befahl er den einzelnen Vorständen,
Spione in ihren Bezirken zu halten, die ihnen geheime Berichte erstatten soll¬
ten; ja er, führte in seiner eigenen Familie dieses System ein, wie wir aus
Seckendorffs Bericht an den Prinzen Eugen vom 29. März 1732 ersehen.
Der Graf erzählt darin, daß die Diener des Kronprinzen beauftragt seien,
alles Auffallende in dem Betragen und der Umgebung desselben dem König
unverzüglich mitzutheilen. Kein Wunder, wenn die Minister und Beamten auch
für die eignen Zwecke die krummen Wege betraten. Seckendorff konnte den
ganzen Hof bestechen, und seinen Zweck zu erreichen, fehlte es ihm nie an
Geld. Vom Kronprinzen und der Prinzessin von Baireuth, die bedeutende
Zuschüsse erhielten, ging es herab bis zum Kammerdiener des Königs, Evers-
mann, dem man eine jährliche Pension von hundert Ducctten zusicherte, und
dem Kammermohr, der über die Laune und das Befinden des Königs berich¬
tete. Friedrichs Lehrer und Freund Duham bekam nur deshalb vom Kaiser
einen kleinen Gehalt, weil man sich seinen Einfluß sür die Folgezeit sichern


Grenzbote" IV. 1LS8. 49

Charlotte, Fräulein de la Chevallerie, mit der er fünfzehn Kinder, vier Söhne
und elf Töchter, erzeugte. Seine Söhne traten wol meist zum Militär, einer
seiner Schwiegersöhne war Herr von Podewils. der durch seinen Einfluß zum
Minister aufstieg. Einen jüngeren Bruder haben wir bereits als Minister
und Oberprnsidenten von Pommern erwähnt, und dessen Sohn war bis 175?
Flügeladjutant Friedrichs II., wo er in Schweidnitz gefangen genommen und
seitdem nicht mehr im Krieg verwandt wurde.

Haben wir das Leben des Generals verfolgt, so weit es uns möglich
war, so wird uns, wenn wir alle Züge zusammenfassen, zwar kein angeneh¬
mes, aber doch ein merkwürdiges Bild entgegentreten. Denn wir sehen in
ihm mehr, als den an und für sich nicht einmal so bedeutenden Mann; wir
erkennen durch ihn die ganze Zeit. So streng wir nun auch urtheilen müssen,
wenn wir den allgemeinen Charakter einer ganzen Periode ins Auge sassen,
so werden wir grade deshalb bei dem Urtheil über einen Einzelnen, der doch
nur das Kind seiner Zeit ist. eine billige Rücksicht auf den Einfluß derselben
nehmen müssen. Grumbkow stand aber mitten in seiner Zeit, die nur auf
das Praktische und Materielle gerichtet war und jeden Gedanken an ein
Höheres verloren hatte. Dieselben Künste der Bestechung, mit denen Wnlpole
die ersten Männer Englands und des Parlaments gewann, wurden auf dem
ganzen Festland als Hauptwerfzeug einer glänzenden Staatskunst benutzt.
Grumbkow dachte nicht anders. Er ergriff mit unbedenklicher Hand die Ge¬
legenheit und beutete sie nur schlauer als andere aus. Wir haben das zur
Genüge hervorgehoben, aber zum richtigen Verständniß muß dabei noch er¬
zählt werden, wie weit sich diese Falschheit und niedere Treulosigkeit damals
erstreckte. Friedrich Wilhelm selbst leitete seine Staatsmänner dazu an. In
der Instruction sür das Generaldirectorium befahl er den einzelnen Vorständen,
Spione in ihren Bezirken zu halten, die ihnen geheime Berichte erstatten soll¬
ten; ja er, führte in seiner eigenen Familie dieses System ein, wie wir aus
Seckendorffs Bericht an den Prinzen Eugen vom 29. März 1732 ersehen.
Der Graf erzählt darin, daß die Diener des Kronprinzen beauftragt seien,
alles Auffallende in dem Betragen und der Umgebung desselben dem König
unverzüglich mitzutheilen. Kein Wunder, wenn die Minister und Beamten auch
für die eignen Zwecke die krummen Wege betraten. Seckendorff konnte den
ganzen Hof bestechen, und seinen Zweck zu erreichen, fehlte es ihm nie an
Geld. Vom Kronprinzen und der Prinzessin von Baireuth, die bedeutende
Zuschüsse erhielten, ging es herab bis zum Kammerdiener des Königs, Evers-
mann, dem man eine jährliche Pension von hundert Ducctten zusicherte, und
dem Kammermohr, der über die Laune und das Befinden des Königs berich¬
tete. Friedrichs Lehrer und Freund Duham bekam nur deshalb vom Kaiser
einen kleinen Gehalt, weil man sich seinen Einfluß sür die Folgezeit sichern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/393>, abgerufen am 26.07.2024.