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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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hinderte ihn nicht, den Hofstaat des neuvermählten Paares ganz aus seinen
Creaturen zu bilden, und die einflußreichsten, so die Oberhofmeisterin Frau
von Katsch, dem östreichischen Sold zu empfehlen.

So lange Seckendorff in Berlin war, was bis zum polnischen Successions¬
krieg 1734 währte, zeigte ihm Grumbkow getreulich alle eingegangenen Briefe
des Kronprinzen, so wie seine eignen Antworten, woher es denn kommt, daß
sich in Seckendorffs Papieren dieser erste Theil des interessanten Briefwechsels
gefunden hat. Zu dem Nachfolger und Neffen des Grafen, dem Baron Secken¬
dorff, stand Grumbkow aus naheliegenden Gründen auch zwar sehr freund¬
schaftlich, doch berichtete er nicht mehr so getreulich den Inhalt der Briefe.
Auch war das bei dem hergestellten Einverständniß zwischen Vater und Sohn
nicht mehr nöthig; wichtige Bemerkungen über des Kronprinzen Ideen und
Pläne fielen deshalb doch. Nun sind die uns vorliegenden Briefe nicht in
der Art wichtig, daß sie, wie Preuß in der Geschichte Friedrichs meint, diesen
in der Staatskunst und Verwaltung heimisch gemacht hätten. Auch werden
die späteren Briefe diesen Charakter nicht angenommen haben,*) allein die
ganze Persönlichkeit eines solchen Mannes, wie Grumbkow, war auch ohne
das einflußreich genug. Er trat dem Prinzen mit Freundlichkeit entgegen,
konnte ihm aber auch derb seine Meinung sagen, weil er wußte, daß Friedrich auf
ihn hörte. Sie schickten sich, wie es damals Mode war, Delicatessen für ihre
Tafel, feierten auch bei Zusammenkünften ihre Leckerei, und Friedrich durfte
oft dem Unmuth über seinen Vater, den Hof, das Tabakscolleg und manche
andere Einrichtung freien Lauf lassen. Ja, er schrieb seinem "lieben, werthen
General" von seinen verpöntem Beschäftigungen mit Musik und Wissenschaften,
er erzählte ihm von Theateraussührungen, und Grumbkow -- antwortete mit
witzigen Bemerkungen, ließ hier und da sentimentale Redensarten von seinem
Ueberdruß an dem Hofleben und der Schönheit ländlicher Ruhe einfließen,
erzählte von den Übeln Folgen lustiger Abende und schwang sich sogar bis zu
Versen aus.

Aber trotz dieses eifrigen Verkehrs blieb der Argwohn und ein gewisses
Mißbehagen zwischen ihnen deutlich. In den spätern Jahren wurden die
Briefe seltner, und Seckendorffs geheimes Journal bemerkt die Kälte und das
steife Benehmen beider gegeneinander. Grumbkow erkannte, daß trotz aller seiner
Bemühungen sein Einfluß bei einem Thronwechsel sehr schwinden würde, und
sprach sich öfters gegen den Baron Seckendorff dahin aus, daß, so weit Fried¬
rich bei seiner Verstellungskunst zu durchschauen sei, Leopold von Dessau ein¬
mal der Hauptrathgeber sein werde. Wer den Prinzen überhaupt näher kannte,
der wußte zum voraus, daß ein kühner Kriegszug eine seiner ersten Regie-



*) Noch 1738 erwähnt das ^ourinl svorst des Baron Seckendorff diesen Briefverkehr.

hinderte ihn nicht, den Hofstaat des neuvermählten Paares ganz aus seinen
Creaturen zu bilden, und die einflußreichsten, so die Oberhofmeisterin Frau
von Katsch, dem östreichischen Sold zu empfehlen.

So lange Seckendorff in Berlin war, was bis zum polnischen Successions¬
krieg 1734 währte, zeigte ihm Grumbkow getreulich alle eingegangenen Briefe
des Kronprinzen, so wie seine eignen Antworten, woher es denn kommt, daß
sich in Seckendorffs Papieren dieser erste Theil des interessanten Briefwechsels
gefunden hat. Zu dem Nachfolger und Neffen des Grafen, dem Baron Secken¬
dorff, stand Grumbkow aus naheliegenden Gründen auch zwar sehr freund¬
schaftlich, doch berichtete er nicht mehr so getreulich den Inhalt der Briefe.
Auch war das bei dem hergestellten Einverständniß zwischen Vater und Sohn
nicht mehr nöthig; wichtige Bemerkungen über des Kronprinzen Ideen und
Pläne fielen deshalb doch. Nun sind die uns vorliegenden Briefe nicht in
der Art wichtig, daß sie, wie Preuß in der Geschichte Friedrichs meint, diesen
in der Staatskunst und Verwaltung heimisch gemacht hätten. Auch werden
die späteren Briefe diesen Charakter nicht angenommen haben,*) allein die
ganze Persönlichkeit eines solchen Mannes, wie Grumbkow, war auch ohne
das einflußreich genug. Er trat dem Prinzen mit Freundlichkeit entgegen,
konnte ihm aber auch derb seine Meinung sagen, weil er wußte, daß Friedrich auf
ihn hörte. Sie schickten sich, wie es damals Mode war, Delicatessen für ihre
Tafel, feierten auch bei Zusammenkünften ihre Leckerei, und Friedrich durfte
oft dem Unmuth über seinen Vater, den Hof, das Tabakscolleg und manche
andere Einrichtung freien Lauf lassen. Ja, er schrieb seinem „lieben, werthen
General" von seinen verpöntem Beschäftigungen mit Musik und Wissenschaften,
er erzählte ihm von Theateraussührungen, und Grumbkow — antwortete mit
witzigen Bemerkungen, ließ hier und da sentimentale Redensarten von seinem
Ueberdruß an dem Hofleben und der Schönheit ländlicher Ruhe einfließen,
erzählte von den Übeln Folgen lustiger Abende und schwang sich sogar bis zu
Versen aus.

Aber trotz dieses eifrigen Verkehrs blieb der Argwohn und ein gewisses
Mißbehagen zwischen ihnen deutlich. In den spätern Jahren wurden die
Briefe seltner, und Seckendorffs geheimes Journal bemerkt die Kälte und das
steife Benehmen beider gegeneinander. Grumbkow erkannte, daß trotz aller seiner
Bemühungen sein Einfluß bei einem Thronwechsel sehr schwinden würde, und
sprach sich öfters gegen den Baron Seckendorff dahin aus, daß, so weit Fried¬
rich bei seiner Verstellungskunst zu durchschauen sei, Leopold von Dessau ein¬
mal der Hauptrathgeber sein werde. Wer den Prinzen überhaupt näher kannte,
der wußte zum voraus, daß ein kühner Kriegszug eine seiner ersten Regie-



*) Noch 1738 erwähnt das ^ourinl svorst des Baron Seckendorff diesen Briefverkehr.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/390>, abgerufen am 26.07.2024.