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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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geheimes Geschenk mit dem Versprechen erhielt, daß er im Fall der Noth eine
sichere Zufluchtsstätte in Oestreich finden solle.

Aber noch war man in Wien nicht zufrieden. Selbst am Tag der Hoch¬
zeit, im Juni 1733, mußte Seckendorff sein Ansinnen wiederholen. Diesmal
entledigte er sich aber seines Auftrags so sein und klug, daß der König wenig¬
stens nicht dergestalt erbost wurde. Aber das Zutrauen und die Freundschaft
zum Kaiser war dahin, zumal er immer klarer erkannte, daß man ihn in Be¬
zug auf Jülich-Berg getäuscht habe.

Grumbkows Stellung war zu jener Zeit höchst schwierig und unbequem.
Er mußte Front nach drei Seiten machen, um sich zu schützen. Er war des
Königs Günstling und Freund, ein Vertrauter des Kronprinzen, und der ge¬
horsame Diener des Kaisers, dem er die beiden ersten verrieth. Besonders
das Verhältniß zu Friedrich ist merkwürdig genug, und für dessen spätere
Entwicklung von Bedeutung geworden. Vor der Flucht hatten sich Grumb-
kow und der Kronprinz feindselig einander gegenübergestanden. Gewiß war
die politische Stellung das Hauptmotiv dazu; denn Friedrich mußte in ihm
und Seckendorff die Unheilstifter erkennen. Doch war auch die Antipathie der
Naturen groß genug, und die französische Bildung beider himmelweit ver¬
schieden, die ohnehin bei Grumbkow nicht viel haften geblieben war. Das
feine Wesen des jungen Prinzen, dessen Vorliebe für die Wissenschaft behagte
dem General gewiß nicht, der derb in seinen Aeußerungen, und auf den Ge¬
horsam sehend, als ein Hauptmitglied des Tabakscollegs sich von der Ver¬
achtung und dem Spott hauptsächlich getroffen fand. Aber die Katastrophe
des Jahres 1730 veränderte viel. Grumbkows Politik zeigte ihm den ver¬
söhnlichen Weg als den besten, durch Zureden und klares Auseinandersetzen
der Verhältnisse bewog er Friedrich zum Nachgeben. Dieser dagegen wurde
fester in seinem Charakter, in seinem Benehmen männlicher, er wurde mehr
Soldat und bekümmerte sich um die Verwaltung. Das waren Anknüpfungs¬
punkte, die Grumbkow zu benutzen wußte. Indem er ihm Rathschläge gab.
wie er sich dem König gegenüber benehmen sollte, meldete er ihm dessen Ge¬
sinnungen, verschaffte ihm heimlich große Rekruten oder das Geld dazu und
unterstützte ihn hinter dem Rücken des Königs in seinen Arbeiten in dem Ver-
waltungs- und Finanzwesen des ihm zugewiesenen Bezirks. Dazu kam noch
die Vorliebe beider für die Freuden des Mahls, für Witz und Satire. so daß
der junge Prinz bald seine Zurückhaltung mehr fahren ließ. Grumbkow wurde
allmälig auch wärmer. Zwar ließ er sich, besonders anfangs aus Küstrin,
von des Prinzen Umgebung noch besondere Berichte erstatten, als dieser aber
geheirathet hatte, bildete sich das gezwungene und unwahre Verhältniß all¬
mälig zu einem angenehmen Briefverkehr aus. Immer jedoch blieb Grumb¬
kows Hauptabsicht auf den künftigen Einfluß gerichtet, und alle Freundschaft


geheimes Geschenk mit dem Versprechen erhielt, daß er im Fall der Noth eine
sichere Zufluchtsstätte in Oestreich finden solle.

Aber noch war man in Wien nicht zufrieden. Selbst am Tag der Hoch¬
zeit, im Juni 1733, mußte Seckendorff sein Ansinnen wiederholen. Diesmal
entledigte er sich aber seines Auftrags so sein und klug, daß der König wenig¬
stens nicht dergestalt erbost wurde. Aber das Zutrauen und die Freundschaft
zum Kaiser war dahin, zumal er immer klarer erkannte, daß man ihn in Be¬
zug auf Jülich-Berg getäuscht habe.

Grumbkows Stellung war zu jener Zeit höchst schwierig und unbequem.
Er mußte Front nach drei Seiten machen, um sich zu schützen. Er war des
Königs Günstling und Freund, ein Vertrauter des Kronprinzen, und der ge¬
horsame Diener des Kaisers, dem er die beiden ersten verrieth. Besonders
das Verhältniß zu Friedrich ist merkwürdig genug, und für dessen spätere
Entwicklung von Bedeutung geworden. Vor der Flucht hatten sich Grumb-
kow und der Kronprinz feindselig einander gegenübergestanden. Gewiß war
die politische Stellung das Hauptmotiv dazu; denn Friedrich mußte in ihm
und Seckendorff die Unheilstifter erkennen. Doch war auch die Antipathie der
Naturen groß genug, und die französische Bildung beider himmelweit ver¬
schieden, die ohnehin bei Grumbkow nicht viel haften geblieben war. Das
feine Wesen des jungen Prinzen, dessen Vorliebe für die Wissenschaft behagte
dem General gewiß nicht, der derb in seinen Aeußerungen, und auf den Ge¬
horsam sehend, als ein Hauptmitglied des Tabakscollegs sich von der Ver¬
achtung und dem Spott hauptsächlich getroffen fand. Aber die Katastrophe
des Jahres 1730 veränderte viel. Grumbkows Politik zeigte ihm den ver¬
söhnlichen Weg als den besten, durch Zureden und klares Auseinandersetzen
der Verhältnisse bewog er Friedrich zum Nachgeben. Dieser dagegen wurde
fester in seinem Charakter, in seinem Benehmen männlicher, er wurde mehr
Soldat und bekümmerte sich um die Verwaltung. Das waren Anknüpfungs¬
punkte, die Grumbkow zu benutzen wußte. Indem er ihm Rathschläge gab.
wie er sich dem König gegenüber benehmen sollte, meldete er ihm dessen Ge¬
sinnungen, verschaffte ihm heimlich große Rekruten oder das Geld dazu und
unterstützte ihn hinter dem Rücken des Königs in seinen Arbeiten in dem Ver-
waltungs- und Finanzwesen des ihm zugewiesenen Bezirks. Dazu kam noch
die Vorliebe beider für die Freuden des Mahls, für Witz und Satire. so daß
der junge Prinz bald seine Zurückhaltung mehr fahren ließ. Grumbkow wurde
allmälig auch wärmer. Zwar ließ er sich, besonders anfangs aus Küstrin,
von des Prinzen Umgebung noch besondere Berichte erstatten, als dieser aber
geheirathet hatte, bildete sich das gezwungene und unwahre Verhältniß all¬
mälig zu einem angenehmen Briefverkehr aus. Immer jedoch blieb Grumb¬
kows Hauptabsicht auf den künftigen Einfluß gerichtet, und alle Freundschaft


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[0389] geheimes Geschenk mit dem Versprechen erhielt, daß er im Fall der Noth eine sichere Zufluchtsstätte in Oestreich finden solle. Aber noch war man in Wien nicht zufrieden. Selbst am Tag der Hoch¬ zeit, im Juni 1733, mußte Seckendorff sein Ansinnen wiederholen. Diesmal entledigte er sich aber seines Auftrags so sein und klug, daß der König wenig¬ stens nicht dergestalt erbost wurde. Aber das Zutrauen und die Freundschaft zum Kaiser war dahin, zumal er immer klarer erkannte, daß man ihn in Be¬ zug auf Jülich-Berg getäuscht habe. Grumbkows Stellung war zu jener Zeit höchst schwierig und unbequem. Er mußte Front nach drei Seiten machen, um sich zu schützen. Er war des Königs Günstling und Freund, ein Vertrauter des Kronprinzen, und der ge¬ horsame Diener des Kaisers, dem er die beiden ersten verrieth. Besonders das Verhältniß zu Friedrich ist merkwürdig genug, und für dessen spätere Entwicklung von Bedeutung geworden. Vor der Flucht hatten sich Grumb- kow und der Kronprinz feindselig einander gegenübergestanden. Gewiß war die politische Stellung das Hauptmotiv dazu; denn Friedrich mußte in ihm und Seckendorff die Unheilstifter erkennen. Doch war auch die Antipathie der Naturen groß genug, und die französische Bildung beider himmelweit ver¬ schieden, die ohnehin bei Grumbkow nicht viel haften geblieben war. Das feine Wesen des jungen Prinzen, dessen Vorliebe für die Wissenschaft behagte dem General gewiß nicht, der derb in seinen Aeußerungen, und auf den Ge¬ horsam sehend, als ein Hauptmitglied des Tabakscollegs sich von der Ver¬ achtung und dem Spott hauptsächlich getroffen fand. Aber die Katastrophe des Jahres 1730 veränderte viel. Grumbkows Politik zeigte ihm den ver¬ söhnlichen Weg als den besten, durch Zureden und klares Auseinandersetzen der Verhältnisse bewog er Friedrich zum Nachgeben. Dieser dagegen wurde fester in seinem Charakter, in seinem Benehmen männlicher, er wurde mehr Soldat und bekümmerte sich um die Verwaltung. Das waren Anknüpfungs¬ punkte, die Grumbkow zu benutzen wußte. Indem er ihm Rathschläge gab. wie er sich dem König gegenüber benehmen sollte, meldete er ihm dessen Ge¬ sinnungen, verschaffte ihm heimlich große Rekruten oder das Geld dazu und unterstützte ihn hinter dem Rücken des Königs in seinen Arbeiten in dem Ver- waltungs- und Finanzwesen des ihm zugewiesenen Bezirks. Dazu kam noch die Vorliebe beider für die Freuden des Mahls, für Witz und Satire. so daß der junge Prinz bald seine Zurückhaltung mehr fahren ließ. Grumbkow wurde allmälig auch wärmer. Zwar ließ er sich, besonders anfangs aus Küstrin, von des Prinzen Umgebung noch besondere Berichte erstatten, als dieser aber geheirathet hatte, bildete sich das gezwungene und unwahre Verhältniß all¬ mälig zu einem angenehmen Briefverkehr aus. Immer jedoch blieb Grumb¬ kows Hauptabsicht auf den künftigen Einfluß gerichtet, und alle Freundschaft

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/389>, abgerufen am 26.07.2024.