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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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den Tasten von Küstrin in geheimem Briefwechsel mit Friedrich stand, suchte
diesem die Aussicht auf die zukünftige Heirath so angenehm wie möglich zu
machen; nicht durch übertriebene Lobpreisungen, sondern durch prosaische Dar¬
stellung ihrer Annehmlichkeiten, ihrer Fehler und der noch zu hoffenden Ent¬
wicklung. In seiner Ergebenheit und Dankbarkeit wünschte Friedrich Wilhelm
eine persönliche Zusammenkunft mit dem Kaiser. Aber mit allen möglichen
Gründen suchte mau diesen Plan von Wien aus zu hintertreiben. Die dor¬
tigen Herren des Hofamts befürchteten eine Verletzung der dem Kaiser schul¬
digen Würde und Etikette, und erachteten besonders einen Händedruck zwischen
beiden Monarchen für höchst unpassend. Dennoch ließ sich Friedrich Wilhelm
nicht abweisen. Grunde'vo begleitete ihn, eilte ihm in Böhmen voraus und
meldete ihn an. Bei der Trennung erhielt er, so wie der General Borel,
ein anderer Günstling des Königs, des Kaisers Bildniß mit Brillianten, im
Werth von sechstausend Thalern, gewiß auch nicht blos für schon geleistete
Dienste. Denn man gedachte sie bald noch mehr als bisher zu benutzen.

War die wiener Politik bisher nur eine kalte und hinterlistige, so stei¬
gerten jetzt die glücklichen Erfolge die Sicherheit der kaiserlichen Minister bis
zu höhnischem Uebermuth. In dem unbeständigen Strom damaliger Politik
hatten sich England und Oestreich wieder genähert, und man hielt nun in
Wien eine Heirath des preußischen Kronprinzen mit einer englischen Prinzessin
für vortheilhafter und den König mehr an das kaiserliche Bündniß fesselnd.
Demnach erhielt Seckendorff gegen Ende 17Z2 vom Prinzen Eugen die Wei¬
sung, dem König eine Aenderung in dieser Art vorzuschlagen. Grumbkow
erschrak über die thörichten Befehle; zum ersten Mal verweigerte er die Mit¬
wirkung, wenn er auch alles thun wolle, den König bei guter Laune zu er¬
halten. Aber er riskire alles, wenn er mit solchem Vorschlag käme. Secken¬
dorff schickte seine Einwände nach Wien, allein > die gemessensten Befehle
nöthigten ihn zum Vorgehen. Wie er vorausgesehen, ward der König wü¬
thend, daß man ihm einen Wortbruch zumuthe und einen Schurken aus ihm
machen wolle. Grumbkow berichtete genau über die heftigen Scenen im
Tabakscolleg und verlor ganz den Muth. Von neuem erhob die Partei der
Königin ihr Haupt, um wenigstens, da an eine englische Heirath nicht zu
deuten war, Grumbkow und Seckendorff zu stürzen. Es war nahe daran,
aber Seckendorff behielt den Kopf oben. Er erlangte durch seinen Freund
eine nochmalige Audienz, in welcher er sich noch glücklich aus der Gefahr
ziehn und dem König vorstellen konnte, wie er ganz unschuldig an jenen
Vorschlägen wäre, die ihm von Wien aus anbefohlen worden seien, und daß
der Kaiser dabei nur das Wohl Seiner preußischen Majestät im Auge gehabt
habe. Der König wurde milder, und Grumbkow that das Uebrige. In
jener Zeit aber war es, daß der letztere von Wien vierzigtausend Gulden als


den Tasten von Küstrin in geheimem Briefwechsel mit Friedrich stand, suchte
diesem die Aussicht auf die zukünftige Heirath so angenehm wie möglich zu
machen; nicht durch übertriebene Lobpreisungen, sondern durch prosaische Dar¬
stellung ihrer Annehmlichkeiten, ihrer Fehler und der noch zu hoffenden Ent¬
wicklung. In seiner Ergebenheit und Dankbarkeit wünschte Friedrich Wilhelm
eine persönliche Zusammenkunft mit dem Kaiser. Aber mit allen möglichen
Gründen suchte mau diesen Plan von Wien aus zu hintertreiben. Die dor¬
tigen Herren des Hofamts befürchteten eine Verletzung der dem Kaiser schul¬
digen Würde und Etikette, und erachteten besonders einen Händedruck zwischen
beiden Monarchen für höchst unpassend. Dennoch ließ sich Friedrich Wilhelm
nicht abweisen. Grunde'vo begleitete ihn, eilte ihm in Böhmen voraus und
meldete ihn an. Bei der Trennung erhielt er, so wie der General Borel,
ein anderer Günstling des Königs, des Kaisers Bildniß mit Brillianten, im
Werth von sechstausend Thalern, gewiß auch nicht blos für schon geleistete
Dienste. Denn man gedachte sie bald noch mehr als bisher zu benutzen.

War die wiener Politik bisher nur eine kalte und hinterlistige, so stei¬
gerten jetzt die glücklichen Erfolge die Sicherheit der kaiserlichen Minister bis
zu höhnischem Uebermuth. In dem unbeständigen Strom damaliger Politik
hatten sich England und Oestreich wieder genähert, und man hielt nun in
Wien eine Heirath des preußischen Kronprinzen mit einer englischen Prinzessin
für vortheilhafter und den König mehr an das kaiserliche Bündniß fesselnd.
Demnach erhielt Seckendorff gegen Ende 17Z2 vom Prinzen Eugen die Wei¬
sung, dem König eine Aenderung in dieser Art vorzuschlagen. Grumbkow
erschrak über die thörichten Befehle; zum ersten Mal verweigerte er die Mit¬
wirkung, wenn er auch alles thun wolle, den König bei guter Laune zu er¬
halten. Aber er riskire alles, wenn er mit solchem Vorschlag käme. Secken¬
dorff schickte seine Einwände nach Wien, allein > die gemessensten Befehle
nöthigten ihn zum Vorgehen. Wie er vorausgesehen, ward der König wü¬
thend, daß man ihm einen Wortbruch zumuthe und einen Schurken aus ihm
machen wolle. Grumbkow berichtete genau über die heftigen Scenen im
Tabakscolleg und verlor ganz den Muth. Von neuem erhob die Partei der
Königin ihr Haupt, um wenigstens, da an eine englische Heirath nicht zu
deuten war, Grumbkow und Seckendorff zu stürzen. Es war nahe daran,
aber Seckendorff behielt den Kopf oben. Er erlangte durch seinen Freund
eine nochmalige Audienz, in welcher er sich noch glücklich aus der Gefahr
ziehn und dem König vorstellen konnte, wie er ganz unschuldig an jenen
Vorschlägen wäre, die ihm von Wien aus anbefohlen worden seien, und daß
der Kaiser dabei nur das Wohl Seiner preußischen Majestät im Auge gehabt
habe. Der König wurde milder, und Grumbkow that das Uebrige. In
jener Zeit aber war es, daß der letztere von Wien vierzigtausend Gulden als


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[0388] den Tasten von Küstrin in geheimem Briefwechsel mit Friedrich stand, suchte diesem die Aussicht auf die zukünftige Heirath so angenehm wie möglich zu machen; nicht durch übertriebene Lobpreisungen, sondern durch prosaische Dar¬ stellung ihrer Annehmlichkeiten, ihrer Fehler und der noch zu hoffenden Ent¬ wicklung. In seiner Ergebenheit und Dankbarkeit wünschte Friedrich Wilhelm eine persönliche Zusammenkunft mit dem Kaiser. Aber mit allen möglichen Gründen suchte mau diesen Plan von Wien aus zu hintertreiben. Die dor¬ tigen Herren des Hofamts befürchteten eine Verletzung der dem Kaiser schul¬ digen Würde und Etikette, und erachteten besonders einen Händedruck zwischen beiden Monarchen für höchst unpassend. Dennoch ließ sich Friedrich Wilhelm nicht abweisen. Grunde'vo begleitete ihn, eilte ihm in Böhmen voraus und meldete ihn an. Bei der Trennung erhielt er, so wie der General Borel, ein anderer Günstling des Königs, des Kaisers Bildniß mit Brillianten, im Werth von sechstausend Thalern, gewiß auch nicht blos für schon geleistete Dienste. Denn man gedachte sie bald noch mehr als bisher zu benutzen. War die wiener Politik bisher nur eine kalte und hinterlistige, so stei¬ gerten jetzt die glücklichen Erfolge die Sicherheit der kaiserlichen Minister bis zu höhnischem Uebermuth. In dem unbeständigen Strom damaliger Politik hatten sich England und Oestreich wieder genähert, und man hielt nun in Wien eine Heirath des preußischen Kronprinzen mit einer englischen Prinzessin für vortheilhafter und den König mehr an das kaiserliche Bündniß fesselnd. Demnach erhielt Seckendorff gegen Ende 17Z2 vom Prinzen Eugen die Wei¬ sung, dem König eine Aenderung in dieser Art vorzuschlagen. Grumbkow erschrak über die thörichten Befehle; zum ersten Mal verweigerte er die Mit¬ wirkung, wenn er auch alles thun wolle, den König bei guter Laune zu er¬ halten. Aber er riskire alles, wenn er mit solchem Vorschlag käme. Secken¬ dorff schickte seine Einwände nach Wien, allein > die gemessensten Befehle nöthigten ihn zum Vorgehen. Wie er vorausgesehen, ward der König wü¬ thend, daß man ihm einen Wortbruch zumuthe und einen Schurken aus ihm machen wolle. Grumbkow berichtete genau über die heftigen Scenen im Tabakscolleg und verlor ganz den Muth. Von neuem erhob die Partei der Königin ihr Haupt, um wenigstens, da an eine englische Heirath nicht zu deuten war, Grumbkow und Seckendorff zu stürzen. Es war nahe daran, aber Seckendorff behielt den Kopf oben. Er erlangte durch seinen Freund eine nochmalige Audienz, in welcher er sich noch glücklich aus der Gefahr ziehn und dem König vorstellen konnte, wie er ganz unschuldig an jenen Vorschlägen wäre, die ihm von Wien aus anbefohlen worden seien, und daß der Kaiser dabei nur das Wohl Seiner preußischen Majestät im Auge gehabt habe. Der König wurde milder, und Grumbkow that das Uebrige. In jener Zeit aber war es, daß der letztere von Wien vierzigtausend Gulden als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/388>, abgerufen am 26.07.2024.