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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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von der richtigen Seite an, er gewann sich Grumbkow, was ihm, der schon
vom Feld mit ihm bekannt war, gewiß nicht schwer siel. Der König selbst
kam ihm entgegen, er fühlte sich von England getauscht, das ihn zum Ein¬
fall in Schlesien hätte bereden, und ihn dadurch nur unheilbar mit dem
Kaiser hätte veruneinigen wollen. Außerdem zögerte es mit der Zustimmung
zu den Heirathen und hatte preußische Wcrbeübergriffe nicht geduldet. Grumb¬
kow schürte und der König erging sich in den feurigsten Betheuerungen seiner
Treue gegen den Kaiser.

Es war das Gefühl der falschen politischen Stellung und der Jsolirung
trotz aller Bündnisse, was ihn so schnell wieder zu Oestreich trieb. Denn der
Standpunkt Friedrich Wilhelms I. war noch durchaus der eines Reichsfürsten
seinem Kaiser gegenüber, und die preußischen Minister und Generale sahen
alle noch mit ehrfurchtsvoller Scheu nach Wien. Wenn Friedrich der Große
später mit kühnem Griff die Größe seines Landes dadurch erreichte, daß er
sich in directe Opposition gegen Oestreich und das angestammte'Kaiserhaus
setzte, so finden wir von Friedrich Wilhelm an bis herab zu seinem nieder¬
sten Beamten die Idee vorwalten, daß nur der innigste Anschluß an Wien
zum dauernden Glück ausschlagen könne. Das Gefühl der Sclbstsiändigkeit
war überhaupt in Preußen noch nicht so rege, und Worte, wie sie Grumb-
kow später einmal dem Baron von Seckendorff gegenüber äußerte, Preußen
müsse sich immer von einem andern Staat leiten lassen, enthielten keine ver¬
einzelte Anschauungsweise. So ward es für Seckendorff nicht schwer, den
König ganz zu gewinnen. Der Entwurf des viel besprochenen Vertrags zu
Wusterhausen war sein Werk. Dem König wurden dann die guten Dienste
des Kaisers zugesichert, um ihm die Erbfolge in Jülich und Berg zu verschaf¬
fen. und dafür ein Schutz- und Trutzbündniß abgeschlossen. Binnen sechs
Monaten sollte die jülich-bergsche Erbfolge regulirt sein, widrigenfalls der
Bertrag keine Giltigkeit bekommen sollte. Das Ausführliche darüber bietet
Försters "Friedrich Wilhelm I.". Für unsern Zweck genügt es. daß der öst¬
reichische Hof nicht im mindesten an die Erfüllung seines Versprechens dachte,
sondern zu gleicher Zeit der pfälzer Linie die nämliche Zusicherung gab. Frei¬
lich schickte Eugen die wärmsten Versprechungen nach Berlin; doch arbeitete
man heimlich gegen den König, und suchte, da man es im Großen nicht
konnte, ihn im Kleinen zu ärgern. Seckendorff kannte den König und war
mit Grumbkow einverstanden, daß man dem Wunsch des Königs diesmal
Genüge leisten müsse. Er schrieb dringend nach Wien, wenn man den König
jetzt täusche, werde man ihn für immer zum Feind haben. Aber man ver¬
stand es dort nicht, durch eine freie Politik den preußischen Fürsten und dessen
Sohn für immer an sich zu fesseln. Man wollte ihn beim Bündniß fest-


Gvenzboten IV. ISYg. 48

von der richtigen Seite an, er gewann sich Grumbkow, was ihm, der schon
vom Feld mit ihm bekannt war, gewiß nicht schwer siel. Der König selbst
kam ihm entgegen, er fühlte sich von England getauscht, das ihn zum Ein¬
fall in Schlesien hätte bereden, und ihn dadurch nur unheilbar mit dem
Kaiser hätte veruneinigen wollen. Außerdem zögerte es mit der Zustimmung
zu den Heirathen und hatte preußische Wcrbeübergriffe nicht geduldet. Grumb¬
kow schürte und der König erging sich in den feurigsten Betheuerungen seiner
Treue gegen den Kaiser.

Es war das Gefühl der falschen politischen Stellung und der Jsolirung
trotz aller Bündnisse, was ihn so schnell wieder zu Oestreich trieb. Denn der
Standpunkt Friedrich Wilhelms I. war noch durchaus der eines Reichsfürsten
seinem Kaiser gegenüber, und die preußischen Minister und Generale sahen
alle noch mit ehrfurchtsvoller Scheu nach Wien. Wenn Friedrich der Große
später mit kühnem Griff die Größe seines Landes dadurch erreichte, daß er
sich in directe Opposition gegen Oestreich und das angestammte'Kaiserhaus
setzte, so finden wir von Friedrich Wilhelm an bis herab zu seinem nieder¬
sten Beamten die Idee vorwalten, daß nur der innigste Anschluß an Wien
zum dauernden Glück ausschlagen könne. Das Gefühl der Sclbstsiändigkeit
war überhaupt in Preußen noch nicht so rege, und Worte, wie sie Grumb-
kow später einmal dem Baron von Seckendorff gegenüber äußerte, Preußen
müsse sich immer von einem andern Staat leiten lassen, enthielten keine ver¬
einzelte Anschauungsweise. So ward es für Seckendorff nicht schwer, den
König ganz zu gewinnen. Der Entwurf des viel besprochenen Vertrags zu
Wusterhausen war sein Werk. Dem König wurden dann die guten Dienste
des Kaisers zugesichert, um ihm die Erbfolge in Jülich und Berg zu verschaf¬
fen. und dafür ein Schutz- und Trutzbündniß abgeschlossen. Binnen sechs
Monaten sollte die jülich-bergsche Erbfolge regulirt sein, widrigenfalls der
Bertrag keine Giltigkeit bekommen sollte. Das Ausführliche darüber bietet
Försters „Friedrich Wilhelm I.". Für unsern Zweck genügt es. daß der öst¬
reichische Hof nicht im mindesten an die Erfüllung seines Versprechens dachte,
sondern zu gleicher Zeit der pfälzer Linie die nämliche Zusicherung gab. Frei¬
lich schickte Eugen die wärmsten Versprechungen nach Berlin; doch arbeitete
man heimlich gegen den König, und suchte, da man es im Großen nicht
konnte, ihn im Kleinen zu ärgern. Seckendorff kannte den König und war
mit Grumbkow einverstanden, daß man dem Wunsch des Königs diesmal
Genüge leisten müsse. Er schrieb dringend nach Wien, wenn man den König
jetzt täusche, werde man ihn für immer zum Feind haben. Aber man ver¬
stand es dort nicht, durch eine freie Politik den preußischen Fürsten und dessen
Sohn für immer an sich zu fesseln. Man wollte ihn beim Bündniß fest-


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[0385] von der richtigen Seite an, er gewann sich Grumbkow, was ihm, der schon vom Feld mit ihm bekannt war, gewiß nicht schwer siel. Der König selbst kam ihm entgegen, er fühlte sich von England getauscht, das ihn zum Ein¬ fall in Schlesien hätte bereden, und ihn dadurch nur unheilbar mit dem Kaiser hätte veruneinigen wollen. Außerdem zögerte es mit der Zustimmung zu den Heirathen und hatte preußische Wcrbeübergriffe nicht geduldet. Grumb¬ kow schürte und der König erging sich in den feurigsten Betheuerungen seiner Treue gegen den Kaiser. Es war das Gefühl der falschen politischen Stellung und der Jsolirung trotz aller Bündnisse, was ihn so schnell wieder zu Oestreich trieb. Denn der Standpunkt Friedrich Wilhelms I. war noch durchaus der eines Reichsfürsten seinem Kaiser gegenüber, und die preußischen Minister und Generale sahen alle noch mit ehrfurchtsvoller Scheu nach Wien. Wenn Friedrich der Große später mit kühnem Griff die Größe seines Landes dadurch erreichte, daß er sich in directe Opposition gegen Oestreich und das angestammte'Kaiserhaus setzte, so finden wir von Friedrich Wilhelm an bis herab zu seinem nieder¬ sten Beamten die Idee vorwalten, daß nur der innigste Anschluß an Wien zum dauernden Glück ausschlagen könne. Das Gefühl der Sclbstsiändigkeit war überhaupt in Preußen noch nicht so rege, und Worte, wie sie Grumb- kow später einmal dem Baron von Seckendorff gegenüber äußerte, Preußen müsse sich immer von einem andern Staat leiten lassen, enthielten keine ver¬ einzelte Anschauungsweise. So ward es für Seckendorff nicht schwer, den König ganz zu gewinnen. Der Entwurf des viel besprochenen Vertrags zu Wusterhausen war sein Werk. Dem König wurden dann die guten Dienste des Kaisers zugesichert, um ihm die Erbfolge in Jülich und Berg zu verschaf¬ fen. und dafür ein Schutz- und Trutzbündniß abgeschlossen. Binnen sechs Monaten sollte die jülich-bergsche Erbfolge regulirt sein, widrigenfalls der Bertrag keine Giltigkeit bekommen sollte. Das Ausführliche darüber bietet Försters „Friedrich Wilhelm I.". Für unsern Zweck genügt es. daß der öst¬ reichische Hof nicht im mindesten an die Erfüllung seines Versprechens dachte, sondern zu gleicher Zeit der pfälzer Linie die nämliche Zusicherung gab. Frei¬ lich schickte Eugen die wärmsten Versprechungen nach Berlin; doch arbeitete man heimlich gegen den König, und suchte, da man es im Großen nicht konnte, ihn im Kleinen zu ärgern. Seckendorff kannte den König und war mit Grumbkow einverstanden, daß man dem Wunsch des Königs diesmal Genüge leisten müsse. Er schrieb dringend nach Wien, wenn man den König jetzt täusche, werde man ihn für immer zum Feind haben. Aber man ver¬ stand es dort nicht, durch eine freie Politik den preußischen Fürsten und dessen Sohn für immer an sich zu fesseln. Man wollte ihn beim Bündniß fest- Gvenzboten IV. ISYg. 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/385>, abgerufen am 26.07.2024.