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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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higkeit. Vor allem galt der Fürst von Dessau als ein Orakel in der Kriegs¬
kunst; seine Verbesserungen in der Bewaffnung, der Taktik, der Manövrir-
sühigkeit sind anerkannt, und es war niemand in Preußen, der ihm in seinem
Fach gleich gekommen wäre. Ebenso geeignet war Grumbkow für die Ver¬
waltung. Er war hierbei des Königs beste Hilfe. Zehn Jahre lang machte
sich Friedrich Wilden erst mit dem Zustand seines Landes bekannt, ehe er es
unternahm, eine neue Ordnung in dem Staatshaushalt einzuführen. In
dem neuen General-Finanz- und Donmncndirectorium nahm Grumbkow die
erste Stelle ein und gab in allen wichtigen Fällen maßgebenden Rath. Für
dieses Colleg wurde, 'zum großen Theil von des Königs eigner Hand, eine
Instruction ausgefertigt, die von dem sorgsamen Sinn des hohen Herrn das
beste Zeugniß ablegt und so sehr in das Einzelne eingeht, daß selbst die
Aufsicht über die nöthige Anlage von Mistpfützen in den Bauerhöfen nicht
vergessen ist; wie denn auch dem Directorium darin vorgeschrieben wird, auf
den Domänen einen tüchtigen Butterhandel anzufangen. Ein Einfluß, der
sich auf solchen Grund stützt, ist immer schwer zu brechen, selbst wenn er sich
sonst schwere Uebergriffe erlaubt. Darum blieben beide selbst dann in Macht
und Ansehn, als sich ihr Bund lockerte und sie endlich sogar in offne Feind¬
schaft geriethen. Grumbkow besaß nicht die Energie des Charakters, einen
Feind bis zum Tod zu verfolgen; seine schlaue Besonnenheit zeigte es ihm
als vortheilhafter, wenn er die einmal Gedemüthigten wieder etwas erheben
und sich so ihren Dank verdienen könnte. Wir werden diesen Charakterzug
noch öfter, besonders in seinem Verhältniß zum Kronprinzen antreffen. So
schloß er sich bald etwas näher an die Königin an. und als die Fragen aus-
Wärtiger Politik um das Jahr 1724 mehr in den Vordergrund traten, war
Grumbkow ganz von der Königin gewonnen und aus englischer Seite. Leo¬
pold von Anhalt blieb seinem Leben und seinen Grundsätzen getreu; er hatte
im Verein mit den kaiserlichen Adlern, im Interesse des kaiserlichen Hauses
und unter dem kaiserlichen Feldherrn, dem Prinzen Eugen, seine schönsten
Siege errungen, war vom kaiserlichen Hos geehrt und geschätzt worden; er
mußte die östreichische Sache vertheidigen und somit war der Zwiespalt zwi¬
schen den beiden Günstlingen offen. Bald genug sollte er sich offenbaren.
Friedrich Wilhelm, von dem kaiserlichen Hof sehr gereizt, und von seiner
Gemahlin dazu angetrieben, schloß zu Herrenhausen mit England und Frank¬
reich eine Allianz, die direct gegen Oestreich gerichtet war, und die, wenn sie
auch ohne praktische Folgen blieb, doch sür das Verhältniß einzelner Fürsten
zum Reich höchst charakteristisch ist. Leopold von Anhalt wüthete und schalt
laut aus Grumbkow, der sich von England habe bestechen lassen. Der letztere
blieb nichts schuldig, sondern erging sich in den beißendsten Stichelreden, die
den Marschall so aufbrachten, daß eine Anforderung auf Leben und Tod die


higkeit. Vor allem galt der Fürst von Dessau als ein Orakel in der Kriegs¬
kunst; seine Verbesserungen in der Bewaffnung, der Taktik, der Manövrir-
sühigkeit sind anerkannt, und es war niemand in Preußen, der ihm in seinem
Fach gleich gekommen wäre. Ebenso geeignet war Grumbkow für die Ver¬
waltung. Er war hierbei des Königs beste Hilfe. Zehn Jahre lang machte
sich Friedrich Wilden erst mit dem Zustand seines Landes bekannt, ehe er es
unternahm, eine neue Ordnung in dem Staatshaushalt einzuführen. In
dem neuen General-Finanz- und Donmncndirectorium nahm Grumbkow die
erste Stelle ein und gab in allen wichtigen Fällen maßgebenden Rath. Für
dieses Colleg wurde, 'zum großen Theil von des Königs eigner Hand, eine
Instruction ausgefertigt, die von dem sorgsamen Sinn des hohen Herrn das
beste Zeugniß ablegt und so sehr in das Einzelne eingeht, daß selbst die
Aufsicht über die nöthige Anlage von Mistpfützen in den Bauerhöfen nicht
vergessen ist; wie denn auch dem Directorium darin vorgeschrieben wird, auf
den Domänen einen tüchtigen Butterhandel anzufangen. Ein Einfluß, der
sich auf solchen Grund stützt, ist immer schwer zu brechen, selbst wenn er sich
sonst schwere Uebergriffe erlaubt. Darum blieben beide selbst dann in Macht
und Ansehn, als sich ihr Bund lockerte und sie endlich sogar in offne Feind¬
schaft geriethen. Grumbkow besaß nicht die Energie des Charakters, einen
Feind bis zum Tod zu verfolgen; seine schlaue Besonnenheit zeigte es ihm
als vortheilhafter, wenn er die einmal Gedemüthigten wieder etwas erheben
und sich so ihren Dank verdienen könnte. Wir werden diesen Charakterzug
noch öfter, besonders in seinem Verhältniß zum Kronprinzen antreffen. So
schloß er sich bald etwas näher an die Königin an. und als die Fragen aus-
Wärtiger Politik um das Jahr 1724 mehr in den Vordergrund traten, war
Grumbkow ganz von der Königin gewonnen und aus englischer Seite. Leo¬
pold von Anhalt blieb seinem Leben und seinen Grundsätzen getreu; er hatte
im Verein mit den kaiserlichen Adlern, im Interesse des kaiserlichen Hauses
und unter dem kaiserlichen Feldherrn, dem Prinzen Eugen, seine schönsten
Siege errungen, war vom kaiserlichen Hos geehrt und geschätzt worden; er
mußte die östreichische Sache vertheidigen und somit war der Zwiespalt zwi¬
schen den beiden Günstlingen offen. Bald genug sollte er sich offenbaren.
Friedrich Wilhelm, von dem kaiserlichen Hof sehr gereizt, und von seiner
Gemahlin dazu angetrieben, schloß zu Herrenhausen mit England und Frank¬
reich eine Allianz, die direct gegen Oestreich gerichtet war, und die, wenn sie
auch ohne praktische Folgen blieb, doch sür das Verhältniß einzelner Fürsten
zum Reich höchst charakteristisch ist. Leopold von Anhalt wüthete und schalt
laut aus Grumbkow, der sich von England habe bestechen lassen. Der letztere
blieb nichts schuldig, sondern erging sich in den beißendsten Stichelreden, die
den Marschall so aufbrachten, daß eine Anforderung auf Leben und Tod die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/383>, abgerufen am 26.07.2024.