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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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ist, in unsern abgelebten sogenannten gebildeten Ständen, massenhaft sind die
I ud en, denen Christus ein Aergerniß ist, in unsern Demokraten und Kommuni¬
sten auf den Schauplatz getreten. So ist es seit sast 1800 Jahren in der
Welt nicht gewesen/' "Und was soll nun daraus werden?"

"Die Griechenweisheit unsrer Tage wird ein klägliches Ende nehmen,
wahrscheinlich blos durch sich selbst, ein Ende der Zersrümelung und Vermo¬
derung; freilich unter der Mitwirkung großer Weltstürme. Bekehre werden
diese Massen neumodigcr Griechen nicht werden." "Wie damals durch den
Einbruch unsrer Altväter in das römische Reich eine sogenannte, von den grie¬
chischen Schwachköpfen bejammerte, aber in der That wohlthätige Barbarei
um die Stelle der griechischen, kindisch gewordenen Cultur gesetzt wurde, so
wird auch unser Culturzeitalter von dem Zeitalter einer wo sieh allgem Bar¬
barei abgelöst werden, innerhalb deren sich, vielleicht ungesehen, vielleicht
aber auch gerettet in ein sichtbares Zoar, die Kirche des Gekreuzigten bereitet,
um den Herrn zu empfangen, der da kommt." "Die, welchen Christus neuerdings
in alter Judenweise ein Aergerniß ist, diese dagegen werden untergehn durch ein
Gericht, vielleicht erst, nachdem sie den Antichrist ausgeboren haben werden;
durch das Weltgericht, das einzige, dessen wir noch zu warten haben.
Diese werden fort und fort nach ihrem Communisten-Messias rufen und schreien,
und sich am Ende auch unter einem solchen zu allgemeiner Auflehnung gegen
göttliche und menschliche Ordnung scharen. Wir unsrer Seits werden nicht
berufen sein, Hand an sie zu legen; im Gegentheil werden wir, nachdem wir
vorher reichliche Verfolgung von ihnen werden erlitten haben, aus dem ent¬
scheidenden Kampf, welchen Gott heraufführen wird, herausgenommen und
gleichsam in einem zweiten Pella geborgen werden."

Dies sind die Aussichten, welche der Prophet des Herrn unsrer Zukunft
eröffnet. Auch hier hat er im radicalen und ultramontanen Lager Verbündete,
er hat sie wenigstens gehabt. Herr von Lassaulx in München und Bruno
Bauer in Berlin haben Deutschland den Beruf prophezeit, den Dünger für
die Natmkraft der russischen Barbaren zu bilden. Da wir keine Propheten
sind, so halten wir uns an die Gegenwart und versuchen die Anschauungs¬
weise Vilmars in unsrer Sprache verständlich zu machen.

Der Gegensatz zwischen Christen, Juden und Griechen d. h. zwischen
denen, die ihr Ideal im Himmel suchen, denen, die es im öffentlichen Leben,
und denen, die es in Kunst und Wissenschaft finden, ist ein vollkommen rich¬
tiger; er geht mit naturgemäßer Nothwendigkeit aus der Geschichte unsrer
Bildung hervor. Wir haben eine dreifache Schule durchgemacht: unser ger¬
manisches Blut, welches sich doch nie ganz verleugnet hat, wurde erst durch
das christianisirte Römerthum, dann durch die wieder aufgefundene Antike
modificirt. Es ist aber unrichtig, diese Gegensätze äußerlich zu sondern.


ist, in unsern abgelebten sogenannten gebildeten Ständen, massenhaft sind die
I ud en, denen Christus ein Aergerniß ist, in unsern Demokraten und Kommuni¬
sten auf den Schauplatz getreten. So ist es seit sast 1800 Jahren in der
Welt nicht gewesen/' „Und was soll nun daraus werden?"

„Die Griechenweisheit unsrer Tage wird ein klägliches Ende nehmen,
wahrscheinlich blos durch sich selbst, ein Ende der Zersrümelung und Vermo¬
derung; freilich unter der Mitwirkung großer Weltstürme. Bekehre werden
diese Massen neumodigcr Griechen nicht werden." „Wie damals durch den
Einbruch unsrer Altväter in das römische Reich eine sogenannte, von den grie¬
chischen Schwachköpfen bejammerte, aber in der That wohlthätige Barbarei
um die Stelle der griechischen, kindisch gewordenen Cultur gesetzt wurde, so
wird auch unser Culturzeitalter von dem Zeitalter einer wo sieh allgem Bar¬
barei abgelöst werden, innerhalb deren sich, vielleicht ungesehen, vielleicht
aber auch gerettet in ein sichtbares Zoar, die Kirche des Gekreuzigten bereitet,
um den Herrn zu empfangen, der da kommt." „Die, welchen Christus neuerdings
in alter Judenweise ein Aergerniß ist, diese dagegen werden untergehn durch ein
Gericht, vielleicht erst, nachdem sie den Antichrist ausgeboren haben werden;
durch das Weltgericht, das einzige, dessen wir noch zu warten haben.
Diese werden fort und fort nach ihrem Communisten-Messias rufen und schreien,
und sich am Ende auch unter einem solchen zu allgemeiner Auflehnung gegen
göttliche und menschliche Ordnung scharen. Wir unsrer Seits werden nicht
berufen sein, Hand an sie zu legen; im Gegentheil werden wir, nachdem wir
vorher reichliche Verfolgung von ihnen werden erlitten haben, aus dem ent¬
scheidenden Kampf, welchen Gott heraufführen wird, herausgenommen und
gleichsam in einem zweiten Pella geborgen werden."

Dies sind die Aussichten, welche der Prophet des Herrn unsrer Zukunft
eröffnet. Auch hier hat er im radicalen und ultramontanen Lager Verbündete,
er hat sie wenigstens gehabt. Herr von Lassaulx in München und Bruno
Bauer in Berlin haben Deutschland den Beruf prophezeit, den Dünger für
die Natmkraft der russischen Barbaren zu bilden. Da wir keine Propheten
sind, so halten wir uns an die Gegenwart und versuchen die Anschauungs¬
weise Vilmars in unsrer Sprache verständlich zu machen.

Der Gegensatz zwischen Christen, Juden und Griechen d. h. zwischen
denen, die ihr Ideal im Himmel suchen, denen, die es im öffentlichen Leben,
und denen, die es in Kunst und Wissenschaft finden, ist ein vollkommen rich¬
tiger; er geht mit naturgemäßer Nothwendigkeit aus der Geschichte unsrer
Bildung hervor. Wir haben eine dreifache Schule durchgemacht: unser ger¬
manisches Blut, welches sich doch nie ganz verleugnet hat, wurde erst durch
das christianisirte Römerthum, dann durch die wieder aufgefundene Antike
modificirt. Es ist aber unrichtig, diese Gegensätze äußerlich zu sondern.


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[0373] ist, in unsern abgelebten sogenannten gebildeten Ständen, massenhaft sind die I ud en, denen Christus ein Aergerniß ist, in unsern Demokraten und Kommuni¬ sten auf den Schauplatz getreten. So ist es seit sast 1800 Jahren in der Welt nicht gewesen/' „Und was soll nun daraus werden?" „Die Griechenweisheit unsrer Tage wird ein klägliches Ende nehmen, wahrscheinlich blos durch sich selbst, ein Ende der Zersrümelung und Vermo¬ derung; freilich unter der Mitwirkung großer Weltstürme. Bekehre werden diese Massen neumodigcr Griechen nicht werden." „Wie damals durch den Einbruch unsrer Altväter in das römische Reich eine sogenannte, von den grie¬ chischen Schwachköpfen bejammerte, aber in der That wohlthätige Barbarei um die Stelle der griechischen, kindisch gewordenen Cultur gesetzt wurde, so wird auch unser Culturzeitalter von dem Zeitalter einer wo sieh allgem Bar¬ barei abgelöst werden, innerhalb deren sich, vielleicht ungesehen, vielleicht aber auch gerettet in ein sichtbares Zoar, die Kirche des Gekreuzigten bereitet, um den Herrn zu empfangen, der da kommt." „Die, welchen Christus neuerdings in alter Judenweise ein Aergerniß ist, diese dagegen werden untergehn durch ein Gericht, vielleicht erst, nachdem sie den Antichrist ausgeboren haben werden; durch das Weltgericht, das einzige, dessen wir noch zu warten haben. Diese werden fort und fort nach ihrem Communisten-Messias rufen und schreien, und sich am Ende auch unter einem solchen zu allgemeiner Auflehnung gegen göttliche und menschliche Ordnung scharen. Wir unsrer Seits werden nicht berufen sein, Hand an sie zu legen; im Gegentheil werden wir, nachdem wir vorher reichliche Verfolgung von ihnen werden erlitten haben, aus dem ent¬ scheidenden Kampf, welchen Gott heraufführen wird, herausgenommen und gleichsam in einem zweiten Pella geborgen werden." Dies sind die Aussichten, welche der Prophet des Herrn unsrer Zukunft eröffnet. Auch hier hat er im radicalen und ultramontanen Lager Verbündete, er hat sie wenigstens gehabt. Herr von Lassaulx in München und Bruno Bauer in Berlin haben Deutschland den Beruf prophezeit, den Dünger für die Natmkraft der russischen Barbaren zu bilden. Da wir keine Propheten sind, so halten wir uns an die Gegenwart und versuchen die Anschauungs¬ weise Vilmars in unsrer Sprache verständlich zu machen. Der Gegensatz zwischen Christen, Juden und Griechen d. h. zwischen denen, die ihr Ideal im Himmel suchen, denen, die es im öffentlichen Leben, und denen, die es in Kunst und Wissenschaft finden, ist ein vollkommen rich¬ tiger; er geht mit naturgemäßer Nothwendigkeit aus der Geschichte unsrer Bildung hervor. Wir haben eine dreifache Schule durchgemacht: unser ger¬ manisches Blut, welches sich doch nie ganz verleugnet hat, wurde erst durch das christianisirte Römerthum, dann durch die wieder aufgefundene Antike modificirt. Es ist aber unrichtig, diese Gegensätze äußerlich zu sondern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/373>, abgerufen am 22.07.2024.