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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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gelegt worden ist, und eine Cuadra weiter aufsteigend haben wir den Markt¬
platz mit der Kathedrale östlich, das Universitätsgebäude nebst crzbischöflichcr
Wohnung südlich und das schmucke Regierungsgebäude westlich vor uns.
Nördlich und östlich mit einer Freitreppe und eisernem Geländer ausgestattet,
wird der Platz an den andern Seiten durch Verkaufsboutiken verunziert.
Dieses Centrum der Stadt mit den nahe anliegenden Straßen ist auch das
Centrum des Verkehrslebens, welches wir uns nun flüchtig anschauen wollen.

Ein buntes Gemisch von Menschen aller Farben, von beladenen Eseln
und Maulthieren, von zweirädrigen Karren und stattlichen Reitern wogt hier
in den Vormittagsstunden durcheinander. Fleischbuden füllen die südliche
Seite des Marktes, weiter herauf gruppiren sich die farbigen Hökerinnen
und breiten vor sich eine reiche Fülle tropischer Gemüse. Garten- und Feld¬
früchte und trefflichen Obstes aus. Da liegt die feine Ananas neben den groben
Nuamesknollen, Welschkohl, Apio. süße und gemeine Kartoffel, Hülsenfrüchte
aller Art, Oliven und Quitten. Mispeln und nährende Camburcs -- ein Bild
des Reichthums südlichen Bodens. Rings umher stehen Esel, beladen mit
Kübeln voll frischer Seefische; Hühner. Calicuten, Fasanen und andres Geflü¬
gel fehlen nicht; rechts in der Nähe der Kathedrale dampft und brodelt
es aus irdenen Gefäßen. Breitschultrige Negerinnen sitzen davor und schöpfen
daraus in rundliche Totemas, das echt nationale Trinkgefäß, aus der dicken
Rinde einer kolossalen Frucht bereitet, ein dunkelbraunes Gebräu: es ist der
berühmte Montongo, wer kennte ihn nicht im spanischen Amerika? Thierein¬
geweide, Knochenmark, Muskeln, zerstampfte Nindspfoten, Gewürz, Kartoffeln
und allerhand Zuthaten sind seine Elemente. Dem hungernden Aethiopier
daneben gilt es gleich, ob die Hökerin ihre dunklen Specksinger mit in die
Kraftbrühe taucht, mit Wohlbehagen verzehrt er stehend sein Frühstück. Junge
Zambas. hübsche Mulattinnen drängen sich durch mit Körben oder Gefäßen
auf dem Kopf, um dem Frühstückstisch ihrer Herrschaft Proviant zu liefern,
nur hier und da zeigt sich in diesem Markttreiben ein weißes Gesicht:
die Neger und Farbigen beherrschen das Volksleben. Es geht munter und
lustig her: da wird gehandelt, wie anderwärts, geneckt und geschraubt,
geschäkert und gelacht, geflucht und geschimpft. Geschwätzig und beweglich
winden sich die Leute durcheinander, mitten in den Tumult schreien Esel
jammervoll hinein, dazu noch die Disharmonien der verstimmten Orgel,
welche aus den offenen Thüren der Kathedrale herüberklingen, und schlimmer
als alles, das fortwährende Gebimmel der Glocken, die in unrytbmischen
Intervallen mit Stäben geschlagen werden, erzeugen einen sinnebetäubenden
Wirrwarr. -- Und doch breitet sich über das Ganze, dem heitern Himmel
entsprechend, ein gescilliger anmuthiger Ton. Helle Farben der Hunnen leich¬
ten Kleidung, natürlicher Anstand in den Formen, Grazie in den Bewegun-


gelegt worden ist, und eine Cuadra weiter aufsteigend haben wir den Markt¬
platz mit der Kathedrale östlich, das Universitätsgebäude nebst crzbischöflichcr
Wohnung südlich und das schmucke Regierungsgebäude westlich vor uns.
Nördlich und östlich mit einer Freitreppe und eisernem Geländer ausgestattet,
wird der Platz an den andern Seiten durch Verkaufsboutiken verunziert.
Dieses Centrum der Stadt mit den nahe anliegenden Straßen ist auch das
Centrum des Verkehrslebens, welches wir uns nun flüchtig anschauen wollen.

Ein buntes Gemisch von Menschen aller Farben, von beladenen Eseln
und Maulthieren, von zweirädrigen Karren und stattlichen Reitern wogt hier
in den Vormittagsstunden durcheinander. Fleischbuden füllen die südliche
Seite des Marktes, weiter herauf gruppiren sich die farbigen Hökerinnen
und breiten vor sich eine reiche Fülle tropischer Gemüse. Garten- und Feld¬
früchte und trefflichen Obstes aus. Da liegt die feine Ananas neben den groben
Nuamesknollen, Welschkohl, Apio. süße und gemeine Kartoffel, Hülsenfrüchte
aller Art, Oliven und Quitten. Mispeln und nährende Camburcs — ein Bild
des Reichthums südlichen Bodens. Rings umher stehen Esel, beladen mit
Kübeln voll frischer Seefische; Hühner. Calicuten, Fasanen und andres Geflü¬
gel fehlen nicht; rechts in der Nähe der Kathedrale dampft und brodelt
es aus irdenen Gefäßen. Breitschultrige Negerinnen sitzen davor und schöpfen
daraus in rundliche Totemas, das echt nationale Trinkgefäß, aus der dicken
Rinde einer kolossalen Frucht bereitet, ein dunkelbraunes Gebräu: es ist der
berühmte Montongo, wer kennte ihn nicht im spanischen Amerika? Thierein¬
geweide, Knochenmark, Muskeln, zerstampfte Nindspfoten, Gewürz, Kartoffeln
und allerhand Zuthaten sind seine Elemente. Dem hungernden Aethiopier
daneben gilt es gleich, ob die Hökerin ihre dunklen Specksinger mit in die
Kraftbrühe taucht, mit Wohlbehagen verzehrt er stehend sein Frühstück. Junge
Zambas. hübsche Mulattinnen drängen sich durch mit Körben oder Gefäßen
auf dem Kopf, um dem Frühstückstisch ihrer Herrschaft Proviant zu liefern,
nur hier und da zeigt sich in diesem Markttreiben ein weißes Gesicht:
die Neger und Farbigen beherrschen das Volksleben. Es geht munter und
lustig her: da wird gehandelt, wie anderwärts, geneckt und geschraubt,
geschäkert und gelacht, geflucht und geschimpft. Geschwätzig und beweglich
winden sich die Leute durcheinander, mitten in den Tumult schreien Esel
jammervoll hinein, dazu noch die Disharmonien der verstimmten Orgel,
welche aus den offenen Thüren der Kathedrale herüberklingen, und schlimmer
als alles, das fortwährende Gebimmel der Glocken, die in unrytbmischen
Intervallen mit Stäben geschlagen werden, erzeugen einen sinnebetäubenden
Wirrwarr. — Und doch breitet sich über das Ganze, dem heitern Himmel
entsprechend, ein gescilliger anmuthiger Ton. Helle Farben der Hunnen leich¬
ten Kleidung, natürlicher Anstand in den Formen, Grazie in den Bewegun-


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[0356] gelegt worden ist, und eine Cuadra weiter aufsteigend haben wir den Markt¬ platz mit der Kathedrale östlich, das Universitätsgebäude nebst crzbischöflichcr Wohnung südlich und das schmucke Regierungsgebäude westlich vor uns. Nördlich und östlich mit einer Freitreppe und eisernem Geländer ausgestattet, wird der Platz an den andern Seiten durch Verkaufsboutiken verunziert. Dieses Centrum der Stadt mit den nahe anliegenden Straßen ist auch das Centrum des Verkehrslebens, welches wir uns nun flüchtig anschauen wollen. Ein buntes Gemisch von Menschen aller Farben, von beladenen Eseln und Maulthieren, von zweirädrigen Karren und stattlichen Reitern wogt hier in den Vormittagsstunden durcheinander. Fleischbuden füllen die südliche Seite des Marktes, weiter herauf gruppiren sich die farbigen Hökerinnen und breiten vor sich eine reiche Fülle tropischer Gemüse. Garten- und Feld¬ früchte und trefflichen Obstes aus. Da liegt die feine Ananas neben den groben Nuamesknollen, Welschkohl, Apio. süße und gemeine Kartoffel, Hülsenfrüchte aller Art, Oliven und Quitten. Mispeln und nährende Camburcs — ein Bild des Reichthums südlichen Bodens. Rings umher stehen Esel, beladen mit Kübeln voll frischer Seefische; Hühner. Calicuten, Fasanen und andres Geflü¬ gel fehlen nicht; rechts in der Nähe der Kathedrale dampft und brodelt es aus irdenen Gefäßen. Breitschultrige Negerinnen sitzen davor und schöpfen daraus in rundliche Totemas, das echt nationale Trinkgefäß, aus der dicken Rinde einer kolossalen Frucht bereitet, ein dunkelbraunes Gebräu: es ist der berühmte Montongo, wer kennte ihn nicht im spanischen Amerika? Thierein¬ geweide, Knochenmark, Muskeln, zerstampfte Nindspfoten, Gewürz, Kartoffeln und allerhand Zuthaten sind seine Elemente. Dem hungernden Aethiopier daneben gilt es gleich, ob die Hökerin ihre dunklen Specksinger mit in die Kraftbrühe taucht, mit Wohlbehagen verzehrt er stehend sein Frühstück. Junge Zambas. hübsche Mulattinnen drängen sich durch mit Körben oder Gefäßen auf dem Kopf, um dem Frühstückstisch ihrer Herrschaft Proviant zu liefern, nur hier und da zeigt sich in diesem Markttreiben ein weißes Gesicht: die Neger und Farbigen beherrschen das Volksleben. Es geht munter und lustig her: da wird gehandelt, wie anderwärts, geneckt und geschraubt, geschäkert und gelacht, geflucht und geschimpft. Geschwätzig und beweglich winden sich die Leute durcheinander, mitten in den Tumult schreien Esel jammervoll hinein, dazu noch die Disharmonien der verstimmten Orgel, welche aus den offenen Thüren der Kathedrale herüberklingen, und schlimmer als alles, das fortwährende Gebimmel der Glocken, die in unrytbmischen Intervallen mit Stäben geschlagen werden, erzeugen einen sinnebetäubenden Wirrwarr. — Und doch breitet sich über das Ganze, dem heitern Himmel entsprechend, ein gescilliger anmuthiger Ton. Helle Farben der Hunnen leich¬ ten Kleidung, natürlicher Anstand in den Formen, Grazie in den Bewegun-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/356>, abgerufen am 26.07.2024.