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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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lichst viele liefern zu können, glaubt man etwa, daß sie die Neger fragen werden,
ob sie wollen oder nicht? Die Erfahrung hat gezeigt, daß jene schauderhaften Men-
schenjagden, welche, als der Sklavenhandel blühte, an der Tagesordnung waren,
Wieder angefangen haben -- wer will die Freiwilligkeit der Anwerbung controliren?
wird man dem Delegirten glauben, der Interesse vor allen daran hat, daß das Ge¬
schäft zu Stande kommt? Beim Charles Georges erklärten alle Neger, mit Gewalt
auf das Schiff geschleppt zu sein. In den französischen Vorschriften mag auf dem
Papier alles fehr in der Ordnung sein, in der Wirklichkeit ist es anders, die
Schwarzen mögen, wenn sie erst in den Kolonien angekommen sind, besser als
Sklaven behandelt werden; die Art/wie sie dorthin gebracht werden, ist nicht besser
als offener Sklavenhandel.
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Die Wahlen in den größeren Städten, die einzigen, die wir bis jetzt über¬
setzn können, sind, wie man voraussehn konnte, überwiegend liberal ausgefal¬
len ; gelang es doch schon vor drei Jahren dem vorigen Ministerium mir durch das
Aufgebot aller erdenklichen Mittel, hier seinen Kandidaten einige Geltung zu verschaf¬
fen. Das Resultat auf dem Platten Lande bleibt zweifelhafter, da sich bei der Ver¬
einzelung der Gemeinden die veränderte Luftströmung nicht so schnell mittheilen
läßt, und da es für die Landleute und Bewohner der kleineren Städte schwieriger
sein wird, auszumitteln, wer die Regierung ist und was sie will. Die reactionären
Beamten haben alles aufgeboten, die Sache so darzustellen, als habe man es noch
mit der alten Verwaltung zu thun und als bestehe die wahre Loyalität der Preu¬
ßen noch immer darin, den Herrn v. Westphalen und den geheimen Regierungsrath
Hahn für die besten Staatsmänner der Monarchie zu halten. Das merkwürdigste
Aktenstück in dieser Beziehung ist das Circular des Grafen Krassow in Stral-
sund; es wird ein ewig denkwürdiges Zeugniß dafür bleiben, daß mit der Verände¬
rung des Ministeriums noch lange nicht alles gethan ist, um die Verwaltung wirk¬
lich zu ändern.'

Dieser Umstand muß bei den eigentlichenWahlen, die in der nächsten Woche
bcvorstehn, die Wahlmänner darauf aufmerksam machen, daß ihr Geschäft noch
immer kein leichtes ist, daß, wenn sie wirklich dem Ministerium zu Hilfe kommen
Wollen, sie sich nicht mit bloßen "ministeriellen" d. h. gutgesinnten Wahlen begnü¬
gen dürfen. Wir halten das Stichwort "ministeriell" für ein recht unglückliches.
Das Ministerium ist bis jetzt nur ein Ministerium des Wunsches und der Hoffnung.
Die Namen seiner Mitglieder lassen voraussetzen, daß es die Verwaltung besser füh¬
ren wird als seine Vorgänger, aber eine bestimmte Physiognomie hat es noch nicht.
Ueber seine Maximen und Entwürfe hat es sich noch nicht ausgesprochen und für
seine Energie ist es vorläufig kein schlagendes Zeugniß, daß hohe Staatsbeamte es
wagen dürfen, angeblich im Namen der Regierung die Wähler gegen die voraus¬
sichtlichen Ideen des neuen Ministeriums aufzuregen. Die Wähler haben hier keinen


lichst viele liefern zu können, glaubt man etwa, daß sie die Neger fragen werden,
ob sie wollen oder nicht? Die Erfahrung hat gezeigt, daß jene schauderhaften Men-
schenjagden, welche, als der Sklavenhandel blühte, an der Tagesordnung waren,
Wieder angefangen haben — wer will die Freiwilligkeit der Anwerbung controliren?
wird man dem Delegirten glauben, der Interesse vor allen daran hat, daß das Ge¬
schäft zu Stande kommt? Beim Charles Georges erklärten alle Neger, mit Gewalt
auf das Schiff geschleppt zu sein. In den französischen Vorschriften mag auf dem
Papier alles fehr in der Ordnung sein, in der Wirklichkeit ist es anders, die
Schwarzen mögen, wenn sie erst in den Kolonien angekommen sind, besser als
Sklaven behandelt werden; die Art/wie sie dorthin gebracht werden, ist nicht besser
als offener Sklavenhandel.
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Die Wahlen in den größeren Städten, die einzigen, die wir bis jetzt über¬
setzn können, sind, wie man voraussehn konnte, überwiegend liberal ausgefal¬
len ; gelang es doch schon vor drei Jahren dem vorigen Ministerium mir durch das
Aufgebot aller erdenklichen Mittel, hier seinen Kandidaten einige Geltung zu verschaf¬
fen. Das Resultat auf dem Platten Lande bleibt zweifelhafter, da sich bei der Ver¬
einzelung der Gemeinden die veränderte Luftströmung nicht so schnell mittheilen
läßt, und da es für die Landleute und Bewohner der kleineren Städte schwieriger
sein wird, auszumitteln, wer die Regierung ist und was sie will. Die reactionären
Beamten haben alles aufgeboten, die Sache so darzustellen, als habe man es noch
mit der alten Verwaltung zu thun und als bestehe die wahre Loyalität der Preu¬
ßen noch immer darin, den Herrn v. Westphalen und den geheimen Regierungsrath
Hahn für die besten Staatsmänner der Monarchie zu halten. Das merkwürdigste
Aktenstück in dieser Beziehung ist das Circular des Grafen Krassow in Stral-
sund; es wird ein ewig denkwürdiges Zeugniß dafür bleiben, daß mit der Verände¬
rung des Ministeriums noch lange nicht alles gethan ist, um die Verwaltung wirk¬
lich zu ändern.'

Dieser Umstand muß bei den eigentlichenWahlen, die in der nächsten Woche
bcvorstehn, die Wahlmänner darauf aufmerksam machen, daß ihr Geschäft noch
immer kein leichtes ist, daß, wenn sie wirklich dem Ministerium zu Hilfe kommen
Wollen, sie sich nicht mit bloßen „ministeriellen" d. h. gutgesinnten Wahlen begnü¬
gen dürfen. Wir halten das Stichwort „ministeriell" für ein recht unglückliches.
Das Ministerium ist bis jetzt nur ein Ministerium des Wunsches und der Hoffnung.
Die Namen seiner Mitglieder lassen voraussetzen, daß es die Verwaltung besser füh¬
ren wird als seine Vorgänger, aber eine bestimmte Physiognomie hat es noch nicht.
Ueber seine Maximen und Entwürfe hat es sich noch nicht ausgesprochen und für
seine Energie ist es vorläufig kein schlagendes Zeugniß, daß hohe Staatsbeamte es
wagen dürfen, angeblich im Namen der Regierung die Wähler gegen die voraus¬
sichtlichen Ideen des neuen Ministeriums aufzuregen. Die Wähler haben hier keinen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/325>, abgerufen am 05.07.2024.