Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.Parasitengeschlecht, das ohne eigne selbstständige Triebkraft aus Kosten andrer Voll von diesen Eindrücken, setzt er den Fuß wieder in den Steig¬ Parasitengeschlecht, das ohne eigne selbstständige Triebkraft aus Kosten andrer Voll von diesen Eindrücken, setzt er den Fuß wieder in den Steig¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266128"/> <p xml:id="ID_847" prev="#ID_846"> Parasitengeschlecht, das ohne eigne selbstständige Triebkraft aus Kosten andrer<lb/> sein Leben fristet. In verrätherischer Umarmung winden sie sich um den un¬<lb/> teren Theil des Stammes, erreichen gieng die Zweige und streben von Ast zu<lb/> Ast schief in die Höhe, also daß sie sich dem Blicke entziehen, und senden<lb/> schwächere Triebe wieder nach unten, die steif und starr quer durcheinander¬<lb/> hängen. Der Kampf würde gar nicht so ernsthaft scheinen, starrten nicht an<lb/> einzelnen Stellen Baumstümpfe mit entblätterten Besten, Gespenstern gleich,<lb/> kahl in die Wildnis; hinaus. — Nur langsam setzt hier der Fremdling seinen<lb/> Weg fort, seine Aufmerksamkeit wird allenthalben gefesselt, er fühlt sich in<lb/> einer neuen schönen Welt, und seine Stimmung erhöht der Zauber,<lb/> welchen der tiefblaue Himmel, durch das in der Sonne goldblitzende Laub<lb/> hindurch sichtbar, hervorbringt. Und nähert er sich erst in der Tiefe der<lb/> Schlucht einer Cascade, deren oberste Wasserschicht von der Frühsonne beschie-<lb/> nen, „gleich Diamantenfunken blitzt" (Worte der Bewunderung von einem<lb/> einfachen treuherzigen Bergbewohner, der uns auf einem Ausfluge als Führer<lb/> diente), so erschließen sich auf einmal alle die geheimsten Reize einer tropischen<lb/> Halbwildniß. Unter dem Zusammenwirken aller Bedingungen größtmöglicher<lb/> Fruchtbarkeit entfaltet sich dort das Kleid der Natur in allen Farben und<lb/> Tinten, in allen Formen von der zarten Mimose bis zum seidenartigen Riesen-<lb/> blatt des segensreichen Pisang. Hier ruht er im Schatten eines immer noch<lb/> jugcndkrüftigen Beteranen, gestützt auf einen Felsen am Rande des Wassers,<lb/> in dessen Klarheit die Farbenpracht der Pflanzen sich spiegelt, und horcht dem<lb/> Rauschen des Sturzes und lauscht dem Geschwirr der lebensfroher Insekten,<lb/> indeß sein ermattetes Thier' sich an der frischen Quelle labt. Wunderbar<lb/> schöne und große Schmetterlinge, flattern von Blume zu Blume, und fremd¬<lb/> artige Küfer mit tausendfach schillernden Flügeldecken nähren sich mit Be¬<lb/> hagen an saftreichen Blättern. Nichts stört die Harmonie seiner Empfindung,<lb/> eine tiefe lautlose Stille umgibt ihn, und in stummem Entzücken weilt sein<lb/> Auge auf der engen und doch so unerschöpflich reichen Naturscene.</p><lb/> <p xml:id="ID_848" next="#ID_849"> Voll von diesen Eindrücken, setzt er den Fuß wieder in den Steig¬<lb/> bügel, unmerklich hat er schon mehr denn 300V F. Höhe erreicht, der beschattete<lb/> Pfad führt ihn immer in Windungen weiter hinan, kühlende Nebelwolken,<lb/> die flüchtig vorüberziehn. umfangen ihn auf kurze Momente — da aus ein¬<lb/> mal sieht er sich aus dem Waldesdunkel in den hellen Schein des Tages ver¬<lb/> setzt, und dein erstaunten Blicke öffnet sich das weite, weite Meer, dessen<lb/> Wellenschlag ihm die schäumende Brandung verräth; geblähte Segel sichren<lb/> seinen Geist wieder hinaus in die Ferne, von wannen er gekommen, und in<lb/> stolzem Bewußtsein sagt er sich: Du bist in der That auf dem festen<lb/> Boden der neuen Welt. Sein Blick verfolgt die Buchrenkrümmungen<lb/> des Meeres, als kleine Häusergruppen erscheinen ihm La Gnaira uno</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0319]
Parasitengeschlecht, das ohne eigne selbstständige Triebkraft aus Kosten andrer
sein Leben fristet. In verrätherischer Umarmung winden sie sich um den un¬
teren Theil des Stammes, erreichen gieng die Zweige und streben von Ast zu
Ast schief in die Höhe, also daß sie sich dem Blicke entziehen, und senden
schwächere Triebe wieder nach unten, die steif und starr quer durcheinander¬
hängen. Der Kampf würde gar nicht so ernsthaft scheinen, starrten nicht an
einzelnen Stellen Baumstümpfe mit entblätterten Besten, Gespenstern gleich,
kahl in die Wildnis; hinaus. — Nur langsam setzt hier der Fremdling seinen
Weg fort, seine Aufmerksamkeit wird allenthalben gefesselt, er fühlt sich in
einer neuen schönen Welt, und seine Stimmung erhöht der Zauber,
welchen der tiefblaue Himmel, durch das in der Sonne goldblitzende Laub
hindurch sichtbar, hervorbringt. Und nähert er sich erst in der Tiefe der
Schlucht einer Cascade, deren oberste Wasserschicht von der Frühsonne beschie-
nen, „gleich Diamantenfunken blitzt" (Worte der Bewunderung von einem
einfachen treuherzigen Bergbewohner, der uns auf einem Ausfluge als Führer
diente), so erschließen sich auf einmal alle die geheimsten Reize einer tropischen
Halbwildniß. Unter dem Zusammenwirken aller Bedingungen größtmöglicher
Fruchtbarkeit entfaltet sich dort das Kleid der Natur in allen Farben und
Tinten, in allen Formen von der zarten Mimose bis zum seidenartigen Riesen-
blatt des segensreichen Pisang. Hier ruht er im Schatten eines immer noch
jugcndkrüftigen Beteranen, gestützt auf einen Felsen am Rande des Wassers,
in dessen Klarheit die Farbenpracht der Pflanzen sich spiegelt, und horcht dem
Rauschen des Sturzes und lauscht dem Geschwirr der lebensfroher Insekten,
indeß sein ermattetes Thier' sich an der frischen Quelle labt. Wunderbar
schöne und große Schmetterlinge, flattern von Blume zu Blume, und fremd¬
artige Küfer mit tausendfach schillernden Flügeldecken nähren sich mit Be¬
hagen an saftreichen Blättern. Nichts stört die Harmonie seiner Empfindung,
eine tiefe lautlose Stille umgibt ihn, und in stummem Entzücken weilt sein
Auge auf der engen und doch so unerschöpflich reichen Naturscene.
Voll von diesen Eindrücken, setzt er den Fuß wieder in den Steig¬
bügel, unmerklich hat er schon mehr denn 300V F. Höhe erreicht, der beschattete
Pfad führt ihn immer in Windungen weiter hinan, kühlende Nebelwolken,
die flüchtig vorüberziehn. umfangen ihn auf kurze Momente — da aus ein¬
mal sieht er sich aus dem Waldesdunkel in den hellen Schein des Tages ver¬
setzt, und dein erstaunten Blicke öffnet sich das weite, weite Meer, dessen
Wellenschlag ihm die schäumende Brandung verräth; geblähte Segel sichren
seinen Geist wieder hinaus in die Ferne, von wannen er gekommen, und in
stolzem Bewußtsein sagt er sich: Du bist in der That auf dem festen
Boden der neuen Welt. Sein Blick verfolgt die Buchrenkrümmungen
des Meeres, als kleine Häusergruppen erscheinen ihm La Gnaira uno
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |