Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.dem königlichen Frankreich an. Sein natürlicher Scharfsinn war früh zu Als Barklay auf das Andringen der altrussischen Partei vom Oberbefehl Grenzboten IV. 18S3.34
dem königlichen Frankreich an. Sein natürlicher Scharfsinn war früh zu Als Barklay auf das Andringen der altrussischen Partei vom Oberbefehl Grenzboten IV. 18S3.34
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0273" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266082"/> <p xml:id="ID_712" prev="#ID_711"> dem königlichen Frankreich an. Sein natürlicher Scharfsinn war früh zu<lb/> beißenden Antworten geübt worden und die Energie seines Charakters verlieh<lb/> den Witzfunken seiner Rede, besonders wenn er gereizt ward, die Heftigkeit<lb/> eines tödtlichen Geschosses. Besonders waren es die Emporkömmlinge der<lb/> Revolution, die sein Witz verfolgte. Ueber alle geschichtliche Wahrheit sprach<lb/> er sich skeptisch aus und Salomos Ausspruch: alles ist eitel! war seine Lieb¬<lb/> lingswendung. Später schrieb er für eine Dame einen scherzhaften Aussatz,<lb/> „meine Memoiren". Das eine Capitel lautete: ich habe verschiedene Rollen<lb/> gespielt, den zärtlichen Liebhaber, den Mann von Anstand, den großmüthigen<lb/> Vater, aber nie den Bedienten. AIs seine Grabschrift schlug er vor: lei vn<lb/> s. doxoss xour 86 roxossi-, avse uns ame blas^ö, un coeur 0Mis6 et un<lb/> corps us6, un vieux Siable trsxassö. Nesäames et Nessieurs, xassvx!</p><lb/> <p xml:id="ID_713"> Als Barklay auf das Andringen der altrussischen Partei vom Oberbefehl<lb/> entfernt wurde, versah Löwenstern bei seinem Nachfolger Kutusom die Stelle<lb/> eines Adjutanten. „Wenn es bei Barklay nur schmale Bissen, eine sparta¬<lb/> nische Feldsuppe gab. führte der Fürst eine schwelgerische Tafel. Von der<lb/> stündlichen Lebensgefahr, der man sich in Barklays Umgebung aussetzte, war<lb/> vollends in des Fürsten beschwichtigender Wolkenhöhe nicht ein Schatten vor¬<lb/> handen." Aus irgend einer jener unerklärlichen Combinationen, die in der<lb/> russischen Geschichte so häufig vorkommen, verfiel Löwenstern in die kaiserliche<lb/> Ungnade; sein Name, der auf der Beförderungsliste stand, wurde vom Kaiser<lb/> eigenhändig gestrichen. Er hatte mitunter schon die Idee, sich eine Kugel<lb/> durch den Kopf zu jagen, aber das immer wiederkehrende Liebesglück tröstete<lb/> ihn bald und er rief einmal zu sich selbst: „In Wahrheit, Löwenstern, du bist<lb/> doch mit Frauen kurios glücklich." So geht es Schwank auf Schwank. Ein¬<lb/> mal hat der muntere Kosatenoberst eine gefüllte Feldkasse erobert, man ver¬<lb/> langt von ihm, daß er sie der Behörde abliefern soll, aber er weiß dieselbe<lb/> mit so viel Humor zu betrügen und den Streich so lustig zu erzählen, daß<lb/> man die Frage, ob es mit Fug und Recht geschehn, als völlig gleichgiltig<lb/> zurückweist. Das Glück will ihm noch Weiler wohl, er veranlaßt die Kapitu¬<lb/> lation von Soissons; über die Ehre derselben hat er mit dem preußischen<lb/> Oberst Mariens einen lebhaften Federkrieg zu führen; gleichzeitig gewinnt er<lb/> 10.000 Rubel im Färö. So begleiten wir ihn nach Paris, wo er ganz in<lb/> seinem Element ist. Der muntere Herr ist erst im Februar dieses Jahres,<lb/> 82 Jahr alt, gestorben. Sein Buch gehört zu den liebenswürdigsten, die über<lb/> diesen Feldzug geschrieben sind.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 18S3.34</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0273]
dem königlichen Frankreich an. Sein natürlicher Scharfsinn war früh zu
beißenden Antworten geübt worden und die Energie seines Charakters verlieh
den Witzfunken seiner Rede, besonders wenn er gereizt ward, die Heftigkeit
eines tödtlichen Geschosses. Besonders waren es die Emporkömmlinge der
Revolution, die sein Witz verfolgte. Ueber alle geschichtliche Wahrheit sprach
er sich skeptisch aus und Salomos Ausspruch: alles ist eitel! war seine Lieb¬
lingswendung. Später schrieb er für eine Dame einen scherzhaften Aussatz,
„meine Memoiren". Das eine Capitel lautete: ich habe verschiedene Rollen
gespielt, den zärtlichen Liebhaber, den Mann von Anstand, den großmüthigen
Vater, aber nie den Bedienten. AIs seine Grabschrift schlug er vor: lei vn
s. doxoss xour 86 roxossi-, avse uns ame blas^ö, un coeur 0Mis6 et un
corps us6, un vieux Siable trsxassö. Nesäames et Nessieurs, xassvx!
Als Barklay auf das Andringen der altrussischen Partei vom Oberbefehl
entfernt wurde, versah Löwenstern bei seinem Nachfolger Kutusom die Stelle
eines Adjutanten. „Wenn es bei Barklay nur schmale Bissen, eine sparta¬
nische Feldsuppe gab. führte der Fürst eine schwelgerische Tafel. Von der
stündlichen Lebensgefahr, der man sich in Barklays Umgebung aussetzte, war
vollends in des Fürsten beschwichtigender Wolkenhöhe nicht ein Schatten vor¬
handen." Aus irgend einer jener unerklärlichen Combinationen, die in der
russischen Geschichte so häufig vorkommen, verfiel Löwenstern in die kaiserliche
Ungnade; sein Name, der auf der Beförderungsliste stand, wurde vom Kaiser
eigenhändig gestrichen. Er hatte mitunter schon die Idee, sich eine Kugel
durch den Kopf zu jagen, aber das immer wiederkehrende Liebesglück tröstete
ihn bald und er rief einmal zu sich selbst: „In Wahrheit, Löwenstern, du bist
doch mit Frauen kurios glücklich." So geht es Schwank auf Schwank. Ein¬
mal hat der muntere Kosatenoberst eine gefüllte Feldkasse erobert, man ver¬
langt von ihm, daß er sie der Behörde abliefern soll, aber er weiß dieselbe
mit so viel Humor zu betrügen und den Streich so lustig zu erzählen, daß
man die Frage, ob es mit Fug und Recht geschehn, als völlig gleichgiltig
zurückweist. Das Glück will ihm noch Weiler wohl, er veranlaßt die Kapitu¬
lation von Soissons; über die Ehre derselben hat er mit dem preußischen
Oberst Mariens einen lebhaften Federkrieg zu führen; gleichzeitig gewinnt er
10.000 Rubel im Färö. So begleiten wir ihn nach Paris, wo er ganz in
seinem Element ist. Der muntere Herr ist erst im Februar dieses Jahres,
82 Jahr alt, gestorben. Sein Buch gehört zu den liebenswürdigsten, die über
diesen Feldzug geschrieben sind.
Grenzboten IV. 18S3.34
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |