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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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mehr Gewinn brächte als das Tabakmonopol, ist unzweifelhaft; und diese
Belastung erhält dadurch den Charakter einer willkürlichen Bedrückung und trägt
gewiß nicht dazu bei, die Maßregeln der Regierung populär zu machen.

Aber aus dem Tabakmonopol erwächst noch ein anderer Uebelstand, der
in nationalökonomischer Hinsicht einer besondern Erwähnung bedarf. Nach
der Bestimmung des Monopolreglements muß jeder, der den Tabakbau fort-'
setzen oder beginnen will, dies bei der Regierung anzeigen. Seine Pflanzung
wird hierauf unter die Aufsicht der Grenzwache gestellt, damit der ganze Er¬
trag nach beendigter Ernte der Regierung zur Verfügung gestellt werde, die
denselben nach eignem Gutdünken abschätzt und ausbezahlt. Dem Pflanzer
ist nur gestattet, für jede in seiner Familie j>der Behausung lebende, Tabak
rauchende Person eine gewisse Quantität zurückzuhalten, und er darf von
dieser Quantität seinen Freun-den kein Geschenk machen, wenn er nicht sich selbst
und den Empfänger in Strafe bringen will. Daß bei der Mißliebigkeit der
Maßregel selbst, und bei der Lästigkeit einer solchen Überwachung, Conflicte
und andere Unannehmlichkeiten für die Pflanzer unvermeidlich sind, versteht
sich von selbst; die Tabakpflanzung verliert dadurch viel von ihrem früheren
Reiz, und ist seit der Einführung des Monopols immer mehr im Abnehmen
begriffen. Bei dieser Abnahme leidet die Production der edleren Gattungen
.am meisten, da diese meistens von den wohlhabenden und gebildeten Classen
cultivirt wurden, und diese am allerwenigsten geneigt sind, sich mit rohen
Grenzwächtern und aufgeblasenen Bureaukraten herumzustreiten.

Auch der Weinbau, diese edelste Blüte in dem reichen ^Garten Ungarns,
soll nach zuverlässigen Berechnungen seit der Einführung der Weinsteuer eine
nicht unbeträchtliche Verminderung erlitten haben.

Schließlich wollen wir noch einer Maßregel gedenken, die im Ausland
zwar mehr als hinreichend besprochen, aber in Bezug auf Ungarn noch nicht
genügend gewürdigt worden ist. Ungarn zählt bekanntlich im Verhältniß zu
seiner Gesammtbevölkerung die meisten Religionssekten im östreichischen Kaiser¬
staat. Katholiken (ungefähr der vierte Theil), Lutheraner, Calvinisten (zu¬
sammen ebenfalls ein Viertheil), unirte und mchtunirte Griechen, Juden, Ar¬
menier und Unitarier lebten in den letzten Decennien vor der Revolution
meistens friedlich und duldsam nebeneinander. Man konnte oft in einem
Städtchen fünf bis sechs verschiedene Bekenntnisse mit ebenso vielen Kirchen
und Seelsorgern finden, ohne daß dieser Umstand die mindeste Reibung er¬
zeugte. Die Kämpfe der Matholiken gegen die Eingriffe der östreichisch-katho¬
lischen Partei waren verklungen; derartige Fragen wurden nur noch manchmal
in den Reichstagen verhandelt, und da keins der genannten Bekenntnisse in
überwiegender Mehrheit war, so führte schon das Interesse eines jeden zur
gegenseitigen Toleranz. In der octroyirten Verfassung vom 4. März 1849


mehr Gewinn brächte als das Tabakmonopol, ist unzweifelhaft; und diese
Belastung erhält dadurch den Charakter einer willkürlichen Bedrückung und trägt
gewiß nicht dazu bei, die Maßregeln der Regierung populär zu machen.

Aber aus dem Tabakmonopol erwächst noch ein anderer Uebelstand, der
in nationalökonomischer Hinsicht einer besondern Erwähnung bedarf. Nach
der Bestimmung des Monopolreglements muß jeder, der den Tabakbau fort-'
setzen oder beginnen will, dies bei der Regierung anzeigen. Seine Pflanzung
wird hierauf unter die Aufsicht der Grenzwache gestellt, damit der ganze Er¬
trag nach beendigter Ernte der Regierung zur Verfügung gestellt werde, die
denselben nach eignem Gutdünken abschätzt und ausbezahlt. Dem Pflanzer
ist nur gestattet, für jede in seiner Familie j>der Behausung lebende, Tabak
rauchende Person eine gewisse Quantität zurückzuhalten, und er darf von
dieser Quantität seinen Freun-den kein Geschenk machen, wenn er nicht sich selbst
und den Empfänger in Strafe bringen will. Daß bei der Mißliebigkeit der
Maßregel selbst, und bei der Lästigkeit einer solchen Überwachung, Conflicte
und andere Unannehmlichkeiten für die Pflanzer unvermeidlich sind, versteht
sich von selbst; die Tabakpflanzung verliert dadurch viel von ihrem früheren
Reiz, und ist seit der Einführung des Monopols immer mehr im Abnehmen
begriffen. Bei dieser Abnahme leidet die Production der edleren Gattungen
.am meisten, da diese meistens von den wohlhabenden und gebildeten Classen
cultivirt wurden, und diese am allerwenigsten geneigt sind, sich mit rohen
Grenzwächtern und aufgeblasenen Bureaukraten herumzustreiten.

Auch der Weinbau, diese edelste Blüte in dem reichen ^Garten Ungarns,
soll nach zuverlässigen Berechnungen seit der Einführung der Weinsteuer eine
nicht unbeträchtliche Verminderung erlitten haben.

Schließlich wollen wir noch einer Maßregel gedenken, die im Ausland
zwar mehr als hinreichend besprochen, aber in Bezug auf Ungarn noch nicht
genügend gewürdigt worden ist. Ungarn zählt bekanntlich im Verhältniß zu
seiner Gesammtbevölkerung die meisten Religionssekten im östreichischen Kaiser¬
staat. Katholiken (ungefähr der vierte Theil), Lutheraner, Calvinisten (zu¬
sammen ebenfalls ein Viertheil), unirte und mchtunirte Griechen, Juden, Ar¬
menier und Unitarier lebten in den letzten Decennien vor der Revolution
meistens friedlich und duldsam nebeneinander. Man konnte oft in einem
Städtchen fünf bis sechs verschiedene Bekenntnisse mit ebenso vielen Kirchen
und Seelsorgern finden, ohne daß dieser Umstand die mindeste Reibung er¬
zeugte. Die Kämpfe der Matholiken gegen die Eingriffe der östreichisch-katho¬
lischen Partei waren verklungen; derartige Fragen wurden nur noch manchmal
in den Reichstagen verhandelt, und da keins der genannten Bekenntnisse in
überwiegender Mehrheit war, so führte schon das Interesse eines jeden zur
gegenseitigen Toleranz. In der octroyirten Verfassung vom 4. März 1849


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[0260] mehr Gewinn brächte als das Tabakmonopol, ist unzweifelhaft; und diese Belastung erhält dadurch den Charakter einer willkürlichen Bedrückung und trägt gewiß nicht dazu bei, die Maßregeln der Regierung populär zu machen. Aber aus dem Tabakmonopol erwächst noch ein anderer Uebelstand, der in nationalökonomischer Hinsicht einer besondern Erwähnung bedarf. Nach der Bestimmung des Monopolreglements muß jeder, der den Tabakbau fort-' setzen oder beginnen will, dies bei der Regierung anzeigen. Seine Pflanzung wird hierauf unter die Aufsicht der Grenzwache gestellt, damit der ganze Er¬ trag nach beendigter Ernte der Regierung zur Verfügung gestellt werde, die denselben nach eignem Gutdünken abschätzt und ausbezahlt. Dem Pflanzer ist nur gestattet, für jede in seiner Familie j>der Behausung lebende, Tabak rauchende Person eine gewisse Quantität zurückzuhalten, und er darf von dieser Quantität seinen Freun-den kein Geschenk machen, wenn er nicht sich selbst und den Empfänger in Strafe bringen will. Daß bei der Mißliebigkeit der Maßregel selbst, und bei der Lästigkeit einer solchen Überwachung, Conflicte und andere Unannehmlichkeiten für die Pflanzer unvermeidlich sind, versteht sich von selbst; die Tabakpflanzung verliert dadurch viel von ihrem früheren Reiz, und ist seit der Einführung des Monopols immer mehr im Abnehmen begriffen. Bei dieser Abnahme leidet die Production der edleren Gattungen .am meisten, da diese meistens von den wohlhabenden und gebildeten Classen cultivirt wurden, und diese am allerwenigsten geneigt sind, sich mit rohen Grenzwächtern und aufgeblasenen Bureaukraten herumzustreiten. Auch der Weinbau, diese edelste Blüte in dem reichen ^Garten Ungarns, soll nach zuverlässigen Berechnungen seit der Einführung der Weinsteuer eine nicht unbeträchtliche Verminderung erlitten haben. Schließlich wollen wir noch einer Maßregel gedenken, die im Ausland zwar mehr als hinreichend besprochen, aber in Bezug auf Ungarn noch nicht genügend gewürdigt worden ist. Ungarn zählt bekanntlich im Verhältniß zu seiner Gesammtbevölkerung die meisten Religionssekten im östreichischen Kaiser¬ staat. Katholiken (ungefähr der vierte Theil), Lutheraner, Calvinisten (zu¬ sammen ebenfalls ein Viertheil), unirte und mchtunirte Griechen, Juden, Ar¬ menier und Unitarier lebten in den letzten Decennien vor der Revolution meistens friedlich und duldsam nebeneinander. Man konnte oft in einem Städtchen fünf bis sechs verschiedene Bekenntnisse mit ebenso vielen Kirchen und Seelsorgern finden, ohne daß dieser Umstand die mindeste Reibung er¬ zeugte. Die Kämpfe der Matholiken gegen die Eingriffe der östreichisch-katho¬ lischen Partei waren verklungen; derartige Fragen wurden nur noch manchmal in den Reichstagen verhandelt, und da keins der genannten Bekenntnisse in überwiegender Mehrheit war, so führte schon das Interesse eines jeden zur gegenseitigen Toleranz. In der octroyirten Verfassung vom 4. März 1849

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/260>, abgerufen am 02.07.2024.