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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Wir sind am Schluß. Es sei uns jedoch noch gestattet, wenigstens mit
einigen Worten die Bestimmungen des bei uns geltenden Rechts mit den
Bestimmungen des Congresses, so weit sie die Dauer des geistigen Eigen¬
thums betreffen, zu vergleichen. Der deutsche Bund hat in das Bereich seiner
Fürsorge die Gattin des Schriftstellers und Künstlers nicht gezogen, und es
lag sür ihn hierzu auch keine Veranlassung vor, weil es dem Schriftsteller
und Künstler jederzeit frei steht, seine Gattin zu seiner Erbin zu ernennen. Es
sei jedoch fern von uns, gegen die Galanterie des Congresses irgend etwas
zu sagen. Bei der Uebertragung dieser Bestimmung auf unser deutsches Recht
wird es nur nöthig sein, das Verhältniß des Rechts der Gattin zu dem der
Erben etwas genauer zu fixiren, da beide sonst vielleicht miteinander collidi-
ren könnten. Wir müssen sodann auch die Partei des Bundes insoweit er¬
greifen, als er nur für dreißig Jahre die Rechte des Erblassers bei den Er¬
ben anerkannt hat. Dreißig Jahre ist ein Menschenalter, und dieser Zeitraum
dünkt uns ein ganz passender Abschluß. Nachdem jedoch der brüsseler Kon¬
greß sich für.den größern Zeitraum eines halben Jahrhunderts entschieden
hat, können wir nur wünschen, daß der deutsche Bund diese Erweiterung der
Rechte der Erben ebenfalls eintreten lasse, wie wir denn überhaupt den auf¬
richtigen Wunsch hegen, die Bestimmungen des internationalen Congresses
W. I. sämmtlich bei uns in Ausübung gebracht zu sehen.




Zur vergleichenden Architektur.

Aus dem wunderbaren Schönheitssinn der Griechen ist ihre Baukunst
hervorgegangen, in welcher das Ansprechende mit dem Zweckmäßiger -- die
sonst oft gegeneinander im Widerspruch stehen -- glücklich vereint ist. Die
unnachahmlich edle Einfachheit jene-s Volkes ließ auch hier seine Künstler,
ohne Ueberschwenglichkeit und Verkünstelung, das Wesen in den Formen tref¬
fen und, gleichsam ohne Schweiß und Mühe, zu demjenigen gelangen, was
der eigenthümliche Ausdruck der Sprache als Kalokagathia bezeichnete, das
Gute, das durch sich selbst auch ebenso das Schöne ist, Aber auch die Natur
des Wohnortes kam dabei zu Hilfe. Das milde Klima forderte im Ganzen
wenig Schutz gegen die Witterung, keine starken Mauern gegen Frost oder
glühende Hitze. Eine über die Menschen und die Götterbilder sich erhebende
Decke, welche sie gegen Regen und die Strahlen der Mittagssonne schützte.


Wir sind am Schluß. Es sei uns jedoch noch gestattet, wenigstens mit
einigen Worten die Bestimmungen des bei uns geltenden Rechts mit den
Bestimmungen des Congresses, so weit sie die Dauer des geistigen Eigen¬
thums betreffen, zu vergleichen. Der deutsche Bund hat in das Bereich seiner
Fürsorge die Gattin des Schriftstellers und Künstlers nicht gezogen, und es
lag sür ihn hierzu auch keine Veranlassung vor, weil es dem Schriftsteller
und Künstler jederzeit frei steht, seine Gattin zu seiner Erbin zu ernennen. Es
sei jedoch fern von uns, gegen die Galanterie des Congresses irgend etwas
zu sagen. Bei der Uebertragung dieser Bestimmung auf unser deutsches Recht
wird es nur nöthig sein, das Verhältniß des Rechts der Gattin zu dem der
Erben etwas genauer zu fixiren, da beide sonst vielleicht miteinander collidi-
ren könnten. Wir müssen sodann auch die Partei des Bundes insoweit er¬
greifen, als er nur für dreißig Jahre die Rechte des Erblassers bei den Er¬
ben anerkannt hat. Dreißig Jahre ist ein Menschenalter, und dieser Zeitraum
dünkt uns ein ganz passender Abschluß. Nachdem jedoch der brüsseler Kon¬
greß sich für.den größern Zeitraum eines halben Jahrhunderts entschieden
hat, können wir nur wünschen, daß der deutsche Bund diese Erweiterung der
Rechte der Erben ebenfalls eintreten lasse, wie wir denn überhaupt den auf¬
richtigen Wunsch hegen, die Bestimmungen des internationalen Congresses
W. I. sämmtlich bei uns in Ausübung gebracht zu sehen.




Zur vergleichenden Architektur.

Aus dem wunderbaren Schönheitssinn der Griechen ist ihre Baukunst
hervorgegangen, in welcher das Ansprechende mit dem Zweckmäßiger — die
sonst oft gegeneinander im Widerspruch stehen — glücklich vereint ist. Die
unnachahmlich edle Einfachheit jene-s Volkes ließ auch hier seine Künstler,
ohne Ueberschwenglichkeit und Verkünstelung, das Wesen in den Formen tref¬
fen und, gleichsam ohne Schweiß und Mühe, zu demjenigen gelangen, was
der eigenthümliche Ausdruck der Sprache als Kalokagathia bezeichnete, das
Gute, das durch sich selbst auch ebenso das Schöne ist, Aber auch die Natur
des Wohnortes kam dabei zu Hilfe. Das milde Klima forderte im Ganzen
wenig Schutz gegen die Witterung, keine starken Mauern gegen Frost oder
glühende Hitze. Eine über die Menschen und die Götterbilder sich erhebende
Decke, welche sie gegen Regen und die Strahlen der Mittagssonne schützte.


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[0221] Wir sind am Schluß. Es sei uns jedoch noch gestattet, wenigstens mit einigen Worten die Bestimmungen des bei uns geltenden Rechts mit den Bestimmungen des Congresses, so weit sie die Dauer des geistigen Eigen¬ thums betreffen, zu vergleichen. Der deutsche Bund hat in das Bereich seiner Fürsorge die Gattin des Schriftstellers und Künstlers nicht gezogen, und es lag sür ihn hierzu auch keine Veranlassung vor, weil es dem Schriftsteller und Künstler jederzeit frei steht, seine Gattin zu seiner Erbin zu ernennen. Es sei jedoch fern von uns, gegen die Galanterie des Congresses irgend etwas zu sagen. Bei der Uebertragung dieser Bestimmung auf unser deutsches Recht wird es nur nöthig sein, das Verhältniß des Rechts der Gattin zu dem der Erben etwas genauer zu fixiren, da beide sonst vielleicht miteinander collidi- ren könnten. Wir müssen sodann auch die Partei des Bundes insoweit er¬ greifen, als er nur für dreißig Jahre die Rechte des Erblassers bei den Er¬ ben anerkannt hat. Dreißig Jahre ist ein Menschenalter, und dieser Zeitraum dünkt uns ein ganz passender Abschluß. Nachdem jedoch der brüsseler Kon¬ greß sich für.den größern Zeitraum eines halben Jahrhunderts entschieden hat, können wir nur wünschen, daß der deutsche Bund diese Erweiterung der Rechte der Erben ebenfalls eintreten lasse, wie wir denn überhaupt den auf¬ richtigen Wunsch hegen, die Bestimmungen des internationalen Congresses W. I. sämmtlich bei uns in Ausübung gebracht zu sehen. Zur vergleichenden Architektur. Aus dem wunderbaren Schönheitssinn der Griechen ist ihre Baukunst hervorgegangen, in welcher das Ansprechende mit dem Zweckmäßiger — die sonst oft gegeneinander im Widerspruch stehen — glücklich vereint ist. Die unnachahmlich edle Einfachheit jene-s Volkes ließ auch hier seine Künstler, ohne Ueberschwenglichkeit und Verkünstelung, das Wesen in den Formen tref¬ fen und, gleichsam ohne Schweiß und Mühe, zu demjenigen gelangen, was der eigenthümliche Ausdruck der Sprache als Kalokagathia bezeichnete, das Gute, das durch sich selbst auch ebenso das Schöne ist, Aber auch die Natur des Wohnortes kam dabei zu Hilfe. Das milde Klima forderte im Ganzen wenig Schutz gegen die Witterung, keine starken Mauern gegen Frost oder glühende Hitze. Eine über die Menschen und die Götterbilder sich erhebende Decke, welche sie gegen Regen und die Strahlen der Mittagssonne schützte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/221>, abgerufen am 04.11.2024.