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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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ihrem pathologischen Gehalt dem'Laien in der Regel einen Rechtssatz erst so
ganz mundgerecht machen. Wenn die Wortführer der Majorität hervorgeho¬
ben haben, das Schicksal, ja die Existenz einer geistigen Schöpfung, an der
vielleicht Hunderttausende sich ergötzen und erheben, könne nicht in die Will¬
kür eines Einzelnen gelegt werden; wenn der deutsche Bund, etwas weniger
zart, die allzugroße Vertheuerung der Büchcrpreise gegen die dauernde Berech¬
tigung eines Einzelnen geltend gemacht, so mögen diese Gründe für diesen
oder jenen, je nach Charakter und Individualität, immerhin als Mittel die¬
nen, sich die Gerechtigkeit unserer Entscheidung anschaulich zu macheu --recht¬
fertigen, dem kühlen, strengen Rechtsgefühl gegenüber rechtfertigen, können sie
jedoch unsere Entscheidung nicht. Wenn ich ein Recht habe, so gibt mir dies
auch die Befugniß, mit dem Object desselben anzufangen, was ich will; wenn
ich ein Recht habe und ein anderer will davon Genuß ziehen, so mag ich
immerhin den Preis hierfür so hoch stellen, als das Interesse des andern
reicht. Es wird immer eine Verletzung meines Rechts und meiner Persönlich¬
keit bleiben, wenn man mir die freie Disposition über'das Object meines
Rechts entzieht, wenn man den Preis desselben mir octroyirt. Hätte der Erbe
Guttenbergs auch wirklich die Erfindung seines Erblassers wieder vernichtet
^ so unermeßlich dieser Verlust sür die Menschheit gewesen, es wäre jeder
Versuch, ihn daran zu hindern, eine Verletzung seines Rechts geblieben, wenn
man ihm überhaupt eins daran zugestand. Weshalb denn auch dem zweiten
und dritten Berechtigten auf einmal Fesseln anlegen, wenn man sie beim
ersten nicht für gerechtfertigt hält? Oder konnte nicht auch Guttenberg selbst seine
Erfindung der Welt wieder entziehen, kann nicht auch der Dichter selbst den Preis
sür sein Drama so hoch treiben, als es ihm beliebt? Ein Recht bleibt des¬
halb nicht weniger ein Recht, weil seine Ausübung einem dritten unbequem
ist und vor dem Ernst und der Wahrheit dieses Satzes zerstieben alle solche
Argumente vager Billigkeit, wie Spreu vor dem Wind. Vor unserm Rechts-
gefühl wird immer nur deshalb die Entscheidung der Majorität Stich halten,
weil die eigenthümliche Natur vom Object des Rechts des Schriftstellers und
Künstlers für einen jeden andern, als den geistigen Schöpfer selbst, die Thä¬
tigkeit nicht zuläßt, die nun einmal von einem jeden und unter allen Um¬
ständen gefordert wird, wenn seine ausschließliche Macht über einen Gegen¬
stand die allgemeine Anerkennung finden, wenn er ein Recht daran haben
soll. Erst wenn wir vom Standpunkt dieses Princips, das alle Rechte trifft
und deshalb keines verletzt, die Entscheidung der Majorität betrachten, können
wir uns mit ihr aussöhnen; denn nur dann unterliegt sie dem Stempel der
Gleichheit, der die charakteristische Eigenschaft alles menschlichen Rechts von
jeher war und für alle Zeit bleiben wird.

Es wird uns jetzt nur übrig bleiben, einigen Einwendungen zu begcg-


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ihrem pathologischen Gehalt dem'Laien in der Regel einen Rechtssatz erst so
ganz mundgerecht machen. Wenn die Wortführer der Majorität hervorgeho¬
ben haben, das Schicksal, ja die Existenz einer geistigen Schöpfung, an der
vielleicht Hunderttausende sich ergötzen und erheben, könne nicht in die Will¬
kür eines Einzelnen gelegt werden; wenn der deutsche Bund, etwas weniger
zart, die allzugroße Vertheuerung der Büchcrpreise gegen die dauernde Berech¬
tigung eines Einzelnen geltend gemacht, so mögen diese Gründe für diesen
oder jenen, je nach Charakter und Individualität, immerhin als Mittel die¬
nen, sich die Gerechtigkeit unserer Entscheidung anschaulich zu macheu —recht¬
fertigen, dem kühlen, strengen Rechtsgefühl gegenüber rechtfertigen, können sie
jedoch unsere Entscheidung nicht. Wenn ich ein Recht habe, so gibt mir dies
auch die Befugniß, mit dem Object desselben anzufangen, was ich will; wenn
ich ein Recht habe und ein anderer will davon Genuß ziehen, so mag ich
immerhin den Preis hierfür so hoch stellen, als das Interesse des andern
reicht. Es wird immer eine Verletzung meines Rechts und meiner Persönlich¬
keit bleiben, wenn man mir die freie Disposition über'das Object meines
Rechts entzieht, wenn man den Preis desselben mir octroyirt. Hätte der Erbe
Guttenbergs auch wirklich die Erfindung seines Erblassers wieder vernichtet
^ so unermeßlich dieser Verlust sür die Menschheit gewesen, es wäre jeder
Versuch, ihn daran zu hindern, eine Verletzung seines Rechts geblieben, wenn
man ihm überhaupt eins daran zugestand. Weshalb denn auch dem zweiten
und dritten Berechtigten auf einmal Fesseln anlegen, wenn man sie beim
ersten nicht für gerechtfertigt hält? Oder konnte nicht auch Guttenberg selbst seine
Erfindung der Welt wieder entziehen, kann nicht auch der Dichter selbst den Preis
sür sein Drama so hoch treiben, als es ihm beliebt? Ein Recht bleibt des¬
halb nicht weniger ein Recht, weil seine Ausübung einem dritten unbequem
ist und vor dem Ernst und der Wahrheit dieses Satzes zerstieben alle solche
Argumente vager Billigkeit, wie Spreu vor dem Wind. Vor unserm Rechts-
gefühl wird immer nur deshalb die Entscheidung der Majorität Stich halten,
weil die eigenthümliche Natur vom Object des Rechts des Schriftstellers und
Künstlers für einen jeden andern, als den geistigen Schöpfer selbst, die Thä¬
tigkeit nicht zuläßt, die nun einmal von einem jeden und unter allen Um¬
ständen gefordert wird, wenn seine ausschließliche Macht über einen Gegen¬
stand die allgemeine Anerkennung finden, wenn er ein Recht daran haben
soll. Erst wenn wir vom Standpunkt dieses Princips, das alle Rechte trifft
und deshalb keines verletzt, die Entscheidung der Majorität betrachten, können
wir uns mit ihr aussöhnen; denn nur dann unterliegt sie dem Stempel der
Gleichheit, der die charakteristische Eigenschaft alles menschlichen Rechts von
jeher war und für alle Zeit bleiben wird.

Es wird uns jetzt nur übrig bleiben, einigen Einwendungen zu begcg-


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[0219] ihrem pathologischen Gehalt dem'Laien in der Regel einen Rechtssatz erst so ganz mundgerecht machen. Wenn die Wortführer der Majorität hervorgeho¬ ben haben, das Schicksal, ja die Existenz einer geistigen Schöpfung, an der vielleicht Hunderttausende sich ergötzen und erheben, könne nicht in die Will¬ kür eines Einzelnen gelegt werden; wenn der deutsche Bund, etwas weniger zart, die allzugroße Vertheuerung der Büchcrpreise gegen die dauernde Berech¬ tigung eines Einzelnen geltend gemacht, so mögen diese Gründe für diesen oder jenen, je nach Charakter und Individualität, immerhin als Mittel die¬ nen, sich die Gerechtigkeit unserer Entscheidung anschaulich zu macheu —recht¬ fertigen, dem kühlen, strengen Rechtsgefühl gegenüber rechtfertigen, können sie jedoch unsere Entscheidung nicht. Wenn ich ein Recht habe, so gibt mir dies auch die Befugniß, mit dem Object desselben anzufangen, was ich will; wenn ich ein Recht habe und ein anderer will davon Genuß ziehen, so mag ich immerhin den Preis hierfür so hoch stellen, als das Interesse des andern reicht. Es wird immer eine Verletzung meines Rechts und meiner Persönlich¬ keit bleiben, wenn man mir die freie Disposition über'das Object meines Rechts entzieht, wenn man den Preis desselben mir octroyirt. Hätte der Erbe Guttenbergs auch wirklich die Erfindung seines Erblassers wieder vernichtet ^ so unermeßlich dieser Verlust sür die Menschheit gewesen, es wäre jeder Versuch, ihn daran zu hindern, eine Verletzung seines Rechts geblieben, wenn man ihm überhaupt eins daran zugestand. Weshalb denn auch dem zweiten und dritten Berechtigten auf einmal Fesseln anlegen, wenn man sie beim ersten nicht für gerechtfertigt hält? Oder konnte nicht auch Guttenberg selbst seine Erfindung der Welt wieder entziehen, kann nicht auch der Dichter selbst den Preis sür sein Drama so hoch treiben, als es ihm beliebt? Ein Recht bleibt des¬ halb nicht weniger ein Recht, weil seine Ausübung einem dritten unbequem ist und vor dem Ernst und der Wahrheit dieses Satzes zerstieben alle solche Argumente vager Billigkeit, wie Spreu vor dem Wind. Vor unserm Rechts- gefühl wird immer nur deshalb die Entscheidung der Majorität Stich halten, weil die eigenthümliche Natur vom Object des Rechts des Schriftstellers und Künstlers für einen jeden andern, als den geistigen Schöpfer selbst, die Thä¬ tigkeit nicht zuläßt, die nun einmal von einem jeden und unter allen Um¬ ständen gefordert wird, wenn seine ausschließliche Macht über einen Gegen¬ stand die allgemeine Anerkennung finden, wenn er ein Recht daran haben soll. Erst wenn wir vom Standpunkt dieses Princips, das alle Rechte trifft und deshalb keines verletzt, die Entscheidung der Majorität betrachten, können wir uns mit ihr aussöhnen; denn nur dann unterliegt sie dem Stempel der Gleichheit, der die charakteristische Eigenschaft alles menschlichen Rechts von jeher war und für alle Zeit bleiben wird. Es wird uns jetzt nur übrig bleiben, einigen Einwendungen zu begcg- 27 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/219>, abgerufen am 02.07.2024.