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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Dagegen ist die Commission der Ansicht, daß das Recht des Urhebers eines
Werks der Wissenschaft und Kunst gegen unbefugte Vervielfältigung wie jedes
ändere Eigenthum auf dessen Erben und Rechtsnachfolger übergehe."

Was die Geschichte dieses Bundesbcschlusses nicht schon längst deutlich er¬
zählt hatte, war hier auf einmal gradezu ausgesprochen: Man reglenien-
tirte polizeimäßig die ganze verdrießliche Angelegenheit, man stopfte den fa¬
talen Literaten und Verlegern endlich einmal den Mund. Der Gedanke, daß
man nicht etwa ein Recht zu geben, daß man vielmehr nur ein aus der
Natur der Verhältnisse hervorgewachscnes Recht anzuerkennen und Jahrhun¬
derte altes Unrecht zu beseitigen habe, daß man also nicht nach den Interessen
des "großen Publicums" und nach polizeilichen Gesichtspunkten die Dauer
dieses Rechts auf einzelne Jahre abmessen könne, vielmehr aus der Natur
dieses Rechts selbst die Frage zu entscheiden habe, welche Dauer ihm zukom¬
men müsse -- diese ganze Auffassung, von welcher auf dem Kongreß zu Brüs¬
sel Minorität sowol, wie Majorität ausging, ist dem deutschen Bund bei
seinem Beschluß vom s. Novbr, 1837 nicht in den Sinn gekommen. Immer¬
hin war damit praktisch unendlich viel gewonnen. Vor allem war eine ge¬
meinsame Grundlage gegeben, auf der sich weiter bauen ließ. Ein weiteres
Fortschreiten auf der einmal gefundenen Bahn erfolgte denn auch schon durch
den Bundesbeschluß vom 22. April 1841, welcher die dramatischen und musi¬
kalischen Erzeugnisse zehn Jahre lang gegen unbefugte Ausführung schützte.
Diesen Schutz dehnte sodann der Bundesbeschluß vom 12. März 1857 aus
die Lebenszeit des Dichters und Componisten und noch weitere zehn Jahre
aus, nachdem schon durch den Bundesbcschluß vom 19. Juni 1845 der Schutz
der literarischen und artistischen Erzeugnisse auf die Lebenszeit der Schriftsteller
und Künstler und noch dreißig weitere Jahre erstreckt war.

Bei allen diesen weitern Schritten ist jedoch vom Bunde der Gesichts¬
punkt der Gnade, der obrigkeitlichen Fürsorge nicht aufgegeben worden. , Die
Ausschußberichte zum letzten Bundesbeschluß vom 12. März 1857 sprechen sich
hierüber noch grade so gönnerhaft willkürlich aus, wie es die Commission
zum Beschluß vom 9. November 1837 gethan hatte. Sie sagen z. B.: "der
Ausschuß muß es uns jedenfalls schon sür eine gerechte Verbesserung
der Lage der dramatischen und musikalischen Autoren in Deutschland und
für angemessen und wünschenswerth halten, wenn die beregte Bestim¬
mung zum Bundesbeschluß erhoben wurde." An einem andern Orte heißt
es: "Gleichwie in den Bundesbeschlüssen gegen den Nachdruck und die unbe¬
fugte Nachbildung literarischer und artistischer Werke allmäli'g zu dem durch¬
greifenden Princip des lebenslänglichen Schutzes der Autoren über¬
gegangen ist, ebenso dürfte es sich auch empfehlen, in Beziehung auf den
Schutz gegen unbefugte Aufführung musikalischer und dramatischer Werke zu


Dagegen ist die Commission der Ansicht, daß das Recht des Urhebers eines
Werks der Wissenschaft und Kunst gegen unbefugte Vervielfältigung wie jedes
ändere Eigenthum auf dessen Erben und Rechtsnachfolger übergehe."

Was die Geschichte dieses Bundesbcschlusses nicht schon längst deutlich er¬
zählt hatte, war hier auf einmal gradezu ausgesprochen: Man reglenien-
tirte polizeimäßig die ganze verdrießliche Angelegenheit, man stopfte den fa¬
talen Literaten und Verlegern endlich einmal den Mund. Der Gedanke, daß
man nicht etwa ein Recht zu geben, daß man vielmehr nur ein aus der
Natur der Verhältnisse hervorgewachscnes Recht anzuerkennen und Jahrhun¬
derte altes Unrecht zu beseitigen habe, daß man also nicht nach den Interessen
des „großen Publicums" und nach polizeilichen Gesichtspunkten die Dauer
dieses Rechts auf einzelne Jahre abmessen könne, vielmehr aus der Natur
dieses Rechts selbst die Frage zu entscheiden habe, welche Dauer ihm zukom¬
men müsse — diese ganze Auffassung, von welcher auf dem Kongreß zu Brüs¬
sel Minorität sowol, wie Majorität ausging, ist dem deutschen Bund bei
seinem Beschluß vom s. Novbr, 1837 nicht in den Sinn gekommen. Immer¬
hin war damit praktisch unendlich viel gewonnen. Vor allem war eine ge¬
meinsame Grundlage gegeben, auf der sich weiter bauen ließ. Ein weiteres
Fortschreiten auf der einmal gefundenen Bahn erfolgte denn auch schon durch
den Bundesbeschluß vom 22. April 1841, welcher die dramatischen und musi¬
kalischen Erzeugnisse zehn Jahre lang gegen unbefugte Ausführung schützte.
Diesen Schutz dehnte sodann der Bundesbeschluß vom 12. März 1857 aus
die Lebenszeit des Dichters und Componisten und noch weitere zehn Jahre
aus, nachdem schon durch den Bundesbcschluß vom 19. Juni 1845 der Schutz
der literarischen und artistischen Erzeugnisse auf die Lebenszeit der Schriftsteller
und Künstler und noch dreißig weitere Jahre erstreckt war.

Bei allen diesen weitern Schritten ist jedoch vom Bunde der Gesichts¬
punkt der Gnade, der obrigkeitlichen Fürsorge nicht aufgegeben worden. , Die
Ausschußberichte zum letzten Bundesbeschluß vom 12. März 1857 sprechen sich
hierüber noch grade so gönnerhaft willkürlich aus, wie es die Commission
zum Beschluß vom 9. November 1837 gethan hatte. Sie sagen z. B.: „der
Ausschuß muß es uns jedenfalls schon sür eine gerechte Verbesserung
der Lage der dramatischen und musikalischen Autoren in Deutschland und
für angemessen und wünschenswerth halten, wenn die beregte Bestim¬
mung zum Bundesbeschluß erhoben wurde." An einem andern Orte heißt
es: „Gleichwie in den Bundesbeschlüssen gegen den Nachdruck und die unbe¬
fugte Nachbildung literarischer und artistischer Werke allmäli'g zu dem durch¬
greifenden Princip des lebenslänglichen Schutzes der Autoren über¬
gegangen ist, ebenso dürfte es sich auch empfehlen, in Beziehung auf den
Schutz gegen unbefugte Aufführung musikalischer und dramatischer Werke zu


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[0213] Dagegen ist die Commission der Ansicht, daß das Recht des Urhebers eines Werks der Wissenschaft und Kunst gegen unbefugte Vervielfältigung wie jedes ändere Eigenthum auf dessen Erben und Rechtsnachfolger übergehe." Was die Geschichte dieses Bundesbcschlusses nicht schon längst deutlich er¬ zählt hatte, war hier auf einmal gradezu ausgesprochen: Man reglenien- tirte polizeimäßig die ganze verdrießliche Angelegenheit, man stopfte den fa¬ talen Literaten und Verlegern endlich einmal den Mund. Der Gedanke, daß man nicht etwa ein Recht zu geben, daß man vielmehr nur ein aus der Natur der Verhältnisse hervorgewachscnes Recht anzuerkennen und Jahrhun¬ derte altes Unrecht zu beseitigen habe, daß man also nicht nach den Interessen des „großen Publicums" und nach polizeilichen Gesichtspunkten die Dauer dieses Rechts auf einzelne Jahre abmessen könne, vielmehr aus der Natur dieses Rechts selbst die Frage zu entscheiden habe, welche Dauer ihm zukom¬ men müsse — diese ganze Auffassung, von welcher auf dem Kongreß zu Brüs¬ sel Minorität sowol, wie Majorität ausging, ist dem deutschen Bund bei seinem Beschluß vom s. Novbr, 1837 nicht in den Sinn gekommen. Immer¬ hin war damit praktisch unendlich viel gewonnen. Vor allem war eine ge¬ meinsame Grundlage gegeben, auf der sich weiter bauen ließ. Ein weiteres Fortschreiten auf der einmal gefundenen Bahn erfolgte denn auch schon durch den Bundesbeschluß vom 22. April 1841, welcher die dramatischen und musi¬ kalischen Erzeugnisse zehn Jahre lang gegen unbefugte Ausführung schützte. Diesen Schutz dehnte sodann der Bundesbeschluß vom 12. März 1857 aus die Lebenszeit des Dichters und Componisten und noch weitere zehn Jahre aus, nachdem schon durch den Bundesbcschluß vom 19. Juni 1845 der Schutz der literarischen und artistischen Erzeugnisse auf die Lebenszeit der Schriftsteller und Künstler und noch dreißig weitere Jahre erstreckt war. Bei allen diesen weitern Schritten ist jedoch vom Bunde der Gesichts¬ punkt der Gnade, der obrigkeitlichen Fürsorge nicht aufgegeben worden. , Die Ausschußberichte zum letzten Bundesbeschluß vom 12. März 1857 sprechen sich hierüber noch grade so gönnerhaft willkürlich aus, wie es die Commission zum Beschluß vom 9. November 1837 gethan hatte. Sie sagen z. B.: „der Ausschuß muß es uns jedenfalls schon sür eine gerechte Verbesserung der Lage der dramatischen und musikalischen Autoren in Deutschland und für angemessen und wünschenswerth halten, wenn die beregte Bestim¬ mung zum Bundesbeschluß erhoben wurde." An einem andern Orte heißt es: „Gleichwie in den Bundesbeschlüssen gegen den Nachdruck und die unbe¬ fugte Nachbildung literarischer und artistischer Werke allmäli'g zu dem durch¬ greifenden Princip des lebenslänglichen Schutzes der Autoren über¬ gegangen ist, ebenso dürfte es sich auch empfehlen, in Beziehung auf den Schutz gegen unbefugte Aufführung musikalischer und dramatischer Werke zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/213>, abgerufen am 26.07.2024.