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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Mit dieses Recht nur für die Lebenszeit des Autors und dessen Gattin, so
wie 50 Jahre lang nach deren Tod anerkannt hat. Wie stellt sich unser deut¬
sches Rechtsbewußtsein zu diesem Beschlusse der Majorität?

Man wende uns nicht ein, diese Frage sei grade für uns Deutsche durch
die bekannten Bundesbcschlüsse thatsächlich längst entschieden. Wir werden aus
der Geschichte dieser Bundesbeschlüssc, so wie aus den betreffenden Berichten
der Ausschüsse e.röchelt, daß der Bundestag bei allen seinen Beschlüssen diese
Frage stets umgangen hat, daß die Stellung, die er zum Recht der Schrift¬
steller und Künstler eingenommen, eine wesentlich andere war, als die des
Kongresses. Sollten wir also im Verlauf unserer Untersuchung uns sür die
Ansicht der Minorität erklären, so würden wir insoweit den Beschlüssen des
Kongresses nicht beitreten können, wir würden vielmehr von der Bundcsgesetz-
gcbung die entsprechende Erweiterung des Rechtsschutzes für die Erzeugnisse
der Wissenschaft und Kunst beanspruchen müssen.

Der Artikel 18 ä der Bundesacte vom 8. Juni 1815 bestimmt:


"Die Bundesversammlung wird sich, bei ihrer ersten Zusammenkunft,
mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreiheit und
Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nach¬
druck beschäftigen."

Zu dieser Beschäftigung hatte jedoch die Bundesversammlung lange keine
Zeit. Erst in der Sitzung vom 22. Juni 1813 wurde diese Angelegenheit
einem Ausschuß überwiesen, der dann in der Sitzung vom 22. Februar 181"
unter Vorlage eines vollständigen Gesetzentwurfs Bericht erstattete. Bemerkens¬
wert!) ist aus diesem Entwurf für uns nur die Bestimmung, daß die Rechte der
Schriftsteller und Verleger -- nicht-aber deren Erben-- einen zehn,.respective
fünfzehnjährigen Schutz genießen sollten, und sodann noch die Fassung des
Artikel 1, welcher lautete: "Jede Vervielfältigung der in den Staaten des deut¬
schen Bundes erscheinenden Druckschriften ze. durch den Druck :c. ohne die
Einwilligung ihrer Urheber :c. ist verboten. Jeder Eingriff dieser Art in die
Eigenthumsrechte der Verfasser und Verleger ist als strafbarer Nachdruck zu be¬
trachten." Mit Recht machte Preußen gegen die Fassung dieses Artikels
geltend: "daß durch die zu erlassende Verordnung nicht erst die Schriftsteller
und Verleger Rechte erhalten sollten, als wenn sie ohne eine solche Ver¬
ordnung gar keinen Anspruch auf dergleichen machen könnten;" es blieb mit
dieser Auffassung ziemlich isolirt. Die meisten Regierungen nahmen vielmehr
grade daran Anstoß, daß man durch ein für alle Bundesstaaten verbindliches
Gesetz die Rechte der Schriftsteller und Verleger ein für allemal feststellen und
nicht wie bisher den erforderlichen Schutz durch Privilegien gewähren wolle.
Von einzelnen Regierungen wieder gingen innerhalb der nächsten Jahre Jn-
structionen überhaupt nicht ein, und die Sache kam eben vollständig ins Stocken.


Mit dieses Recht nur für die Lebenszeit des Autors und dessen Gattin, so
wie 50 Jahre lang nach deren Tod anerkannt hat. Wie stellt sich unser deut¬
sches Rechtsbewußtsein zu diesem Beschlusse der Majorität?

Man wende uns nicht ein, diese Frage sei grade für uns Deutsche durch
die bekannten Bundesbcschlüsse thatsächlich längst entschieden. Wir werden aus
der Geschichte dieser Bundesbeschlüssc, so wie aus den betreffenden Berichten
der Ausschüsse e.röchelt, daß der Bundestag bei allen seinen Beschlüssen diese
Frage stets umgangen hat, daß die Stellung, die er zum Recht der Schrift¬
steller und Künstler eingenommen, eine wesentlich andere war, als die des
Kongresses. Sollten wir also im Verlauf unserer Untersuchung uns sür die
Ansicht der Minorität erklären, so würden wir insoweit den Beschlüssen des
Kongresses nicht beitreten können, wir würden vielmehr von der Bundcsgesetz-
gcbung die entsprechende Erweiterung des Rechtsschutzes für die Erzeugnisse
der Wissenschaft und Kunst beanspruchen müssen.

Der Artikel 18 ä der Bundesacte vom 8. Juni 1815 bestimmt:


„Die Bundesversammlung wird sich, bei ihrer ersten Zusammenkunft,
mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreiheit und
Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nach¬
druck beschäftigen."

Zu dieser Beschäftigung hatte jedoch die Bundesversammlung lange keine
Zeit. Erst in der Sitzung vom 22. Juni 1813 wurde diese Angelegenheit
einem Ausschuß überwiesen, der dann in der Sitzung vom 22. Februar 181»
unter Vorlage eines vollständigen Gesetzentwurfs Bericht erstattete. Bemerkens¬
wert!) ist aus diesem Entwurf für uns nur die Bestimmung, daß die Rechte der
Schriftsteller und Verleger — nicht-aber deren Erben— einen zehn,.respective
fünfzehnjährigen Schutz genießen sollten, und sodann noch die Fassung des
Artikel 1, welcher lautete: „Jede Vervielfältigung der in den Staaten des deut¬
schen Bundes erscheinenden Druckschriften ze. durch den Druck :c. ohne die
Einwilligung ihrer Urheber :c. ist verboten. Jeder Eingriff dieser Art in die
Eigenthumsrechte der Verfasser und Verleger ist als strafbarer Nachdruck zu be¬
trachten." Mit Recht machte Preußen gegen die Fassung dieses Artikels
geltend: „daß durch die zu erlassende Verordnung nicht erst die Schriftsteller
und Verleger Rechte erhalten sollten, als wenn sie ohne eine solche Ver¬
ordnung gar keinen Anspruch auf dergleichen machen könnten;" es blieb mit
dieser Auffassung ziemlich isolirt. Die meisten Regierungen nahmen vielmehr
grade daran Anstoß, daß man durch ein für alle Bundesstaaten verbindliches
Gesetz die Rechte der Schriftsteller und Verleger ein für allemal feststellen und
nicht wie bisher den erforderlichen Schutz durch Privilegien gewähren wolle.
Von einzelnen Regierungen wieder gingen innerhalb der nächsten Jahre Jn-
structionen überhaupt nicht ein, und die Sache kam eben vollständig ins Stocken.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/210>, abgerufen am 26.07.2024.