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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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ohne diesen wagte, würde eine Todsünde begehen. Hatte die Göttin ihren
Willen kundgegeben, so begannen die Ceremonien mit der Eröffnung geheimni߬
voller, mit Hieroglyphen bedeckter Bücher; aus diesen theilte der Priester dem
Einzuweihenden mit, welche Vorbereitungen er zu machen habe, T)ann folgte
ein Bad, abermalige geheime Eröffnungen, eine zehntägige Enthaltsamkeit von^
Wein, gewissen Speisen und Wollust, Beim Anbruch des zur Weihe bestimm-*
ten Tages wurde der Prosclyt von seinen Freunden beschenkt, und nun in
einer Hülle von grober Leinwand ins Innere des Tempels geführt. Was
hier vorging, darf der Verfasser natürlich den Lesern nicht verrathen. Nur
so viel deutet er an. daß man symbolisch sterben mußte, dann aber durch die
Gnade der Göttin, in deren Hand die Schlüssel des Todes und des Lebens
liegen, aufs neue geboren wurde, um die Bahn des Heils zu betreten. "Ich
betrat die Grenze des Todes, und nachdem ich Proserpinens Schwelle beschüt¬
ten, kehrte ich durch alle Elemente hindurchgetragen, zurück. Um Mitternacht
sah ich die Sonne mit Hellem Licht strahlen, ich schaute die Götter der Unter¬
welt und des Himmels von Angesicht zu Angesicht und betete sie an." Am
Morgen wurde der Neugeweihte vor das Bild der Göttin in der sogenannten
olympischen Tracht gestellt, in welche allerlei Thiere, als indische Drachen und
Greifen eingestickt waren; in der Rechten hielt er eine brennende Fackel, über¬
dies trug er einen Kranz von Palmblättern, die sein Haupt gleich Strahlen
umgaben. Später begibt sich der neue Jsisdicner nach Rom. wo er auch in
die Mysterien des Osiris aufgenommen wird. Abermalige Träume, aber¬
malige Bezahlungen von Gebühren (die nicht unbedeutend gewesen zu sein
scheinen) finden dabei Statt. Wie viel man bei jenen Andeutungen über die
Isismysterien einer überreizten Phantasie, wie viel den Phantasmagorien
(die ohne Zweifel dabei stattfanden) zuschreiben soll, wie viel dabei symbolischer
Ausdruck ist. das wird natürlich ein ewiges Räthsel bleiben.

Noch .viel strenger als die Büßungen der Jsisdicner waren diejenigen,
die der Aufnahme in die Mithrasmysterien vorausgingen, Fasten, Geißelungen
und andere selbstaufgelegte Martern verschiedener Art, die zum Theil auf den
Reliefs der Mithreen dargestellt sind. Die Eingeweihten rückten nach und nach
Zu verschiedenen Stufen vor, es gab einen Grad der Löwen, der Naben, der
Väter; die Vorsteher der einzelnen scheinen Väter der Löwen u. s. w. geheißen
ZU haben.

Auch die Taurobolien und Kriobolien (Stier- und Widderopser) stellten
symbolisch eine Wiedergeburt durch eine Reinigung dar. Das Opfer des Stiers
6alt zunächst der großen Mutter, das des Widders dem Atys, aber die Cere¬
monie wurde auch mit andern Culten, namentlich dem des Mithras in Ver¬
bindung gesetzt. Der Einzuweihende stieg in einer' bestimmten Tracht mit
einem goldnen Kranze in eine Grube, die mit einem durchlöcherten Breterbodcn


ohne diesen wagte, würde eine Todsünde begehen. Hatte die Göttin ihren
Willen kundgegeben, so begannen die Ceremonien mit der Eröffnung geheimni߬
voller, mit Hieroglyphen bedeckter Bücher; aus diesen theilte der Priester dem
Einzuweihenden mit, welche Vorbereitungen er zu machen habe, T)ann folgte
ein Bad, abermalige geheime Eröffnungen, eine zehntägige Enthaltsamkeit von^
Wein, gewissen Speisen und Wollust, Beim Anbruch des zur Weihe bestimm-*
ten Tages wurde der Prosclyt von seinen Freunden beschenkt, und nun in
einer Hülle von grober Leinwand ins Innere des Tempels geführt. Was
hier vorging, darf der Verfasser natürlich den Lesern nicht verrathen. Nur
so viel deutet er an. daß man symbolisch sterben mußte, dann aber durch die
Gnade der Göttin, in deren Hand die Schlüssel des Todes und des Lebens
liegen, aufs neue geboren wurde, um die Bahn des Heils zu betreten. „Ich
betrat die Grenze des Todes, und nachdem ich Proserpinens Schwelle beschüt¬
ten, kehrte ich durch alle Elemente hindurchgetragen, zurück. Um Mitternacht
sah ich die Sonne mit Hellem Licht strahlen, ich schaute die Götter der Unter¬
welt und des Himmels von Angesicht zu Angesicht und betete sie an." Am
Morgen wurde der Neugeweihte vor das Bild der Göttin in der sogenannten
olympischen Tracht gestellt, in welche allerlei Thiere, als indische Drachen und
Greifen eingestickt waren; in der Rechten hielt er eine brennende Fackel, über¬
dies trug er einen Kranz von Palmblättern, die sein Haupt gleich Strahlen
umgaben. Später begibt sich der neue Jsisdicner nach Rom. wo er auch in
die Mysterien des Osiris aufgenommen wird. Abermalige Träume, aber¬
malige Bezahlungen von Gebühren (die nicht unbedeutend gewesen zu sein
scheinen) finden dabei Statt. Wie viel man bei jenen Andeutungen über die
Isismysterien einer überreizten Phantasie, wie viel den Phantasmagorien
(die ohne Zweifel dabei stattfanden) zuschreiben soll, wie viel dabei symbolischer
Ausdruck ist. das wird natürlich ein ewiges Räthsel bleiben.

Noch .viel strenger als die Büßungen der Jsisdicner waren diejenigen,
die der Aufnahme in die Mithrasmysterien vorausgingen, Fasten, Geißelungen
und andere selbstaufgelegte Martern verschiedener Art, die zum Theil auf den
Reliefs der Mithreen dargestellt sind. Die Eingeweihten rückten nach und nach
Zu verschiedenen Stufen vor, es gab einen Grad der Löwen, der Naben, der
Väter; die Vorsteher der einzelnen scheinen Väter der Löwen u. s. w. geheißen
ZU haben.

Auch die Taurobolien und Kriobolien (Stier- und Widderopser) stellten
symbolisch eine Wiedergeburt durch eine Reinigung dar. Das Opfer des Stiers
6alt zunächst der großen Mutter, das des Widders dem Atys, aber die Cere¬
monie wurde auch mit andern Culten, namentlich dem des Mithras in Ver¬
bindung gesetzt. Der Einzuweihende stieg in einer' bestimmten Tracht mit
einem goldnen Kranze in eine Grube, die mit einem durchlöcherten Breterbodcn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/183>, abgerufen am 05.07.2024.