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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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die im Neuplatonismus ihre umfassendste Ausführung, fand, ging eine alle¬
gorische Erklärung des Volksglaubens Hand in Hand. Mit dieser Richtung auf
eine höhere Auffassung und Vergeistigung der Götter verband sich sehr natürlich
das Streben, den Farmer der verschiedenen Culte durch Symbolisirung eine
tiefere Bedeutung beizulegen, die äußerlichen Bußen und Sühnungen zu Mit¬
teln einer innern Reinigung und Heiligung zu erheben. Diesem Bedürfniß
einer innigern Gottesgemeinschast verdankten die Mysterien eine Wiedergeburt.
Zu den altberühmten Tempeln, in denen geheimnißvolle Weihen stattfanden,
strömten wieder die Andächtigen, die durch Theilnahme an den hier verheiße¬
nen Offenbarungen einer höhern Seligkeit im Jenseits theilhaft zu werden
hofften, namentlich haben die eleusinischen Mysterien ihr Ansehn bis in die
letzte Zeit des Alterthums behauptet. Die Vorstellungen von dieser Seligkeit
werden freilich bei den meisten materiell genug geblieben sein. Ein kürzlich
wieder entdecktes Grabgewölbe in der Nähe von Rom enthält Gemälde, die
das andere Leben derer darstellen, die in die Mysterien des Sabagios eingeweiht
waren. Eine Figur mit der Beischrift: der gute Engel (ein Beispiel, wie jü¬
dische und christliche Vorstellungen sich in die universelle Theokratie der spätesten
Zeiten verwebt haben) führt eine Verstorbene zu einem Gastmahl von sechs
Seligen von verschiedenem Alter und Geschlecht, denen Knaben Speisen vor.
setzen, über diesen Figuren liest man: die durch das Gericht der Guten gerich¬
teten. Ein anderes Bild zeigt ein ähnliches Mahl, an dem "sieben fromme
Priester" (des Sabagios und Mithras) Theil nehmen. Wie die morgenlän-
dischen Gottesdienste überhaupt, so traten auch ihre Mysterien in den religiö¬
sen'Zuständen der letzten Jahrhunderte am meisten in den Vordergrund. Hier
wurde von den Einzuweihenden Enthaltsamkeit und Bußen, sogar Ascese
gefordert, und grade diese Strenge gab ihnen ohne Zweifel die meiste An¬
ziehungskraft für die Gemüther der Gläubigen, weil diese glauben durften,
durch die gebrachten Opfer der Gemeinschaft der Gottheit und der Seligkeit,
nach der sie strebten, würdiger geworden zu sein. Die Natur der Mysterien
bringt es mit sich, daß wir wenig von ihnen wissen, am meisten von den
beiden angesehensten, denen der Isis und der Taurobolien. Von den erstem
theilt Appulejus in dem mehrerwähnten Roman etwas mit, dessen Held, durch
Isis' Gnade aus der Eselgestalt entzaubert, sich zu ihrem Diener weihte. Die
Priester verhießen den Theilnehmern sogar schon im irdischen Leben ungetrübtes
Glück; wen die Göttin in ihren Schutz genommen habe, der sei den Wechsel¬
fällen des Schicksals entzogen und wie in sicherm Hafen geborgen. Die Auf¬
nahme unter die Eingeweihten wird als sehr schwierig dargestellt. Wer sie
wünscht, darf sie nicht eher hoffen, als bis die Göttin ihm im Traum ihre
Zustimmung zu erkennen gegeben hat, und eben so wenig darf sie ein Priester voll¬
zieh", ohne auf dieselbe Weise.den Befehl dazu erhalten zu haben, wer es


die im Neuplatonismus ihre umfassendste Ausführung, fand, ging eine alle¬
gorische Erklärung des Volksglaubens Hand in Hand. Mit dieser Richtung auf
eine höhere Auffassung und Vergeistigung der Götter verband sich sehr natürlich
das Streben, den Farmer der verschiedenen Culte durch Symbolisirung eine
tiefere Bedeutung beizulegen, die äußerlichen Bußen und Sühnungen zu Mit¬
teln einer innern Reinigung und Heiligung zu erheben. Diesem Bedürfniß
einer innigern Gottesgemeinschast verdankten die Mysterien eine Wiedergeburt.
Zu den altberühmten Tempeln, in denen geheimnißvolle Weihen stattfanden,
strömten wieder die Andächtigen, die durch Theilnahme an den hier verheiße¬
nen Offenbarungen einer höhern Seligkeit im Jenseits theilhaft zu werden
hofften, namentlich haben die eleusinischen Mysterien ihr Ansehn bis in die
letzte Zeit des Alterthums behauptet. Die Vorstellungen von dieser Seligkeit
werden freilich bei den meisten materiell genug geblieben sein. Ein kürzlich
wieder entdecktes Grabgewölbe in der Nähe von Rom enthält Gemälde, die
das andere Leben derer darstellen, die in die Mysterien des Sabagios eingeweiht
waren. Eine Figur mit der Beischrift: der gute Engel (ein Beispiel, wie jü¬
dische und christliche Vorstellungen sich in die universelle Theokratie der spätesten
Zeiten verwebt haben) führt eine Verstorbene zu einem Gastmahl von sechs
Seligen von verschiedenem Alter und Geschlecht, denen Knaben Speisen vor.
setzen, über diesen Figuren liest man: die durch das Gericht der Guten gerich¬
teten. Ein anderes Bild zeigt ein ähnliches Mahl, an dem „sieben fromme
Priester" (des Sabagios und Mithras) Theil nehmen. Wie die morgenlän-
dischen Gottesdienste überhaupt, so traten auch ihre Mysterien in den religiö¬
sen'Zuständen der letzten Jahrhunderte am meisten in den Vordergrund. Hier
wurde von den Einzuweihenden Enthaltsamkeit und Bußen, sogar Ascese
gefordert, und grade diese Strenge gab ihnen ohne Zweifel die meiste An¬
ziehungskraft für die Gemüther der Gläubigen, weil diese glauben durften,
durch die gebrachten Opfer der Gemeinschaft der Gottheit und der Seligkeit,
nach der sie strebten, würdiger geworden zu sein. Die Natur der Mysterien
bringt es mit sich, daß wir wenig von ihnen wissen, am meisten von den
beiden angesehensten, denen der Isis und der Taurobolien. Von den erstem
theilt Appulejus in dem mehrerwähnten Roman etwas mit, dessen Held, durch
Isis' Gnade aus der Eselgestalt entzaubert, sich zu ihrem Diener weihte. Die
Priester verhießen den Theilnehmern sogar schon im irdischen Leben ungetrübtes
Glück; wen die Göttin in ihren Schutz genommen habe, der sei den Wechsel¬
fällen des Schicksals entzogen und wie in sicherm Hafen geborgen. Die Auf¬
nahme unter die Eingeweihten wird als sehr schwierig dargestellt. Wer sie
wünscht, darf sie nicht eher hoffen, als bis die Göttin ihm im Traum ihre
Zustimmung zu erkennen gegeben hat, und eben so wenig darf sie ein Priester voll¬
zieh», ohne auf dieselbe Weise.den Befehl dazu erhalten zu haben, wer es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/182>, abgerufen am 26.07.2024.