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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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keine Bedeutung in Anspruch nehmen können, Frankfurt zählt schon seit
vielen Jahren als ein Sammelpunkt deutscher Kunstthätigkeit und erfreut sich
reicher Bildungsmittel, ohne aber bis jeizt irgend welchen Einfluß auf unsre
Kunst erringen zu können. Vielleicht diesem Zustand ist es zuzuschreiben, daß
bei jüngeren frankfurter Künstlern die Flucht in das Ausland so häufig vor¬
kommt. 'Nicht immer zu ihrem Vortheil. Wie das gewöhnlich geht, wird
die fremde Weise nur in manierirter Uebertreibung wiedergegeben und
die erworbene Fertigkeit in der Nachahmung fremder Äußerlichkeiten nicht
ohne einen gewissen Hochmuth dein Publicum gewiesen. Daß es nicht die
Talentlosen sind, die diesem Irrweg verfallen, geben wir bereitwillig zu, auch
die Hoffnung nicht auf, daß die maßvolle Sammlung später sich wieder gel¬
tend machen könne. Am wenigsten der manierirten Charge hold erscheint
Hausmann, dessen Pilger in der Campagna in Ton und Haltung zu den
trefflichsten Bildern der Ausstellung gehören, wogegen freilich seine überlebens¬
großen Domherrnköpfe sich als ein leidiges Bravourstück darstellen. Größere
Noth wird die unstreitig reichbegabte Natur Schreyers haben, sich zur gesun¬
den Einfachheit wieder zu erheben. Wenn man alles in einen graubraunen
Nebel hüllt, gewinnt man freilich einen einheitlichen Farbenton, aber die rechte
Harmonie wird nicht durch Umgehung der Natur, sondern durch das tieft
Eindringen in ihre Erscheinungsformen geschaffen. Wenden wir uns zu den
drei anerkannten Hauptschüler unsrer Kunst. Der düsseldorfer Kunst-
schöpfungen Betrachtung erweckt keine sonderliche Freude. Der Sonnenschein,
der ehedem über Düsseldorf erglänzte, hat trüben Wolken Platz gemacht, die
große Rolle, die es früher spielte, ist nahezu ausgespielt. Von diesem Ver¬
fall sind natürlich die zahlreichen Künstler, die blos für einige Zeit in Düssel¬
dorf einkehren, wenig berührt, auch der Zweig der Landschaftsmalern hält
noch in alter Rüstigkeit vor; aber die eigentlichen Helden der düsseldorfer Kunst
und die ihnen nächststehenden Schulen offenbaren ein für den Bestand der
Schule bedenkliches Sinken. Man kann zugeben, daß nicht die Mode allein
vor zwanzig und fünfundzwanzig Jahren die Beliebtheit der Düsseldorfer be¬
dingte, daß sie damals wirklich dem Leben näher traten, und was die Gemü¬
ther bewegte und fesselte, im Bilde festhielten. Wie hat sich aber das Leben
seitdem verändert, wie wenig sind Maler, die den alten Standpunkt bewahrt
haben, befähigt, uns noch zu befriedigen, wie doppelt unlebendig muß ihr Sinn
geworden sein, der alle Anregungen nicht blos nicht für sich, sondern gradezu
gegen sich hat. Und was das Schlimmste ist, diesen Männern, die für ihren
Kunstbcruf viel zu lange leben oder (wie wir verbessern wollen, um nicht in
den Geruch unchristlicher Gesinnungen zu gerathen) wirken, ist die Bildung
der jüngern Kräfte anvertraut. Lehrer wie Mücke, Hildebrandt, Schadow,
können auf entwicklungsbedürftige Talente unmöglich förderlich wirken. Was


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keine Bedeutung in Anspruch nehmen können, Frankfurt zählt schon seit
vielen Jahren als ein Sammelpunkt deutscher Kunstthätigkeit und erfreut sich
reicher Bildungsmittel, ohne aber bis jeizt irgend welchen Einfluß auf unsre
Kunst erringen zu können. Vielleicht diesem Zustand ist es zuzuschreiben, daß
bei jüngeren frankfurter Künstlern die Flucht in das Ausland so häufig vor¬
kommt. 'Nicht immer zu ihrem Vortheil. Wie das gewöhnlich geht, wird
die fremde Weise nur in manierirter Uebertreibung wiedergegeben und
die erworbene Fertigkeit in der Nachahmung fremder Äußerlichkeiten nicht
ohne einen gewissen Hochmuth dein Publicum gewiesen. Daß es nicht die
Talentlosen sind, die diesem Irrweg verfallen, geben wir bereitwillig zu, auch
die Hoffnung nicht auf, daß die maßvolle Sammlung später sich wieder gel¬
tend machen könne. Am wenigsten der manierirten Charge hold erscheint
Hausmann, dessen Pilger in der Campagna in Ton und Haltung zu den
trefflichsten Bildern der Ausstellung gehören, wogegen freilich seine überlebens¬
großen Domherrnköpfe sich als ein leidiges Bravourstück darstellen. Größere
Noth wird die unstreitig reichbegabte Natur Schreyers haben, sich zur gesun¬
den Einfachheit wieder zu erheben. Wenn man alles in einen graubraunen
Nebel hüllt, gewinnt man freilich einen einheitlichen Farbenton, aber die rechte
Harmonie wird nicht durch Umgehung der Natur, sondern durch das tieft
Eindringen in ihre Erscheinungsformen geschaffen. Wenden wir uns zu den
drei anerkannten Hauptschüler unsrer Kunst. Der düsseldorfer Kunst-
schöpfungen Betrachtung erweckt keine sonderliche Freude. Der Sonnenschein,
der ehedem über Düsseldorf erglänzte, hat trüben Wolken Platz gemacht, die
große Rolle, die es früher spielte, ist nahezu ausgespielt. Von diesem Ver¬
fall sind natürlich die zahlreichen Künstler, die blos für einige Zeit in Düssel¬
dorf einkehren, wenig berührt, auch der Zweig der Landschaftsmalern hält
noch in alter Rüstigkeit vor; aber die eigentlichen Helden der düsseldorfer Kunst
und die ihnen nächststehenden Schulen offenbaren ein für den Bestand der
Schule bedenkliches Sinken. Man kann zugeben, daß nicht die Mode allein
vor zwanzig und fünfundzwanzig Jahren die Beliebtheit der Düsseldorfer be¬
dingte, daß sie damals wirklich dem Leben näher traten, und was die Gemü¬
ther bewegte und fesselte, im Bilde festhielten. Wie hat sich aber das Leben
seitdem verändert, wie wenig sind Maler, die den alten Standpunkt bewahrt
haben, befähigt, uns noch zu befriedigen, wie doppelt unlebendig muß ihr Sinn
geworden sein, der alle Anregungen nicht blos nicht für sich, sondern gradezu
gegen sich hat. Und was das Schlimmste ist, diesen Männern, die für ihren
Kunstbcruf viel zu lange leben oder (wie wir verbessern wollen, um nicht in
den Geruch unchristlicher Gesinnungen zu gerathen) wirken, ist die Bildung
der jüngern Kräfte anvertraut. Lehrer wie Mücke, Hildebrandt, Schadow,
können auf entwicklungsbedürftige Talente unmöglich förderlich wirken. Was


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/155>, abgerufen am 05.07.2024.