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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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registern dafür keine Rubrik hatten. So auf die Sache ohne alle persönliche
Rücksicht gewandt, kam er allmälig dahin, im Interesse der Sache dem
Fanatismus seiner Genossen hier und da zu widersprechen. Er wiederholte
unaufhörlich, daß man den Krieg gegen die Vendöe nie beendigen würde,
wenn man ihn nicht menschlicher führte. Er unterfing sich, die Generale der
Heere und selbst die Offiziere eines Bureaus ohne Rücksicht auf Geburt und
Partei, allein nach Verdienst und Fähigkeit zu wählen. Er wagte es, hier
und da Edelleute zu besetzen und sogar zurückgekehrte Auswanderer anzu¬
stellen. Es hieß das, dem glühendsten Haß seiner Partei in das Gesicht
schlagen; diese Gefahr aber war für seine Unbeugsamkeit nur ein Reiz mehr,
das Rechte zu thun.

Es war nicht das Schreckcnssystem an M, welches den Sieg der fran¬
zösischen Truppen herbeiführte, sondern die Verbindung eines Mannes mit
demselben, dem es wirklich um das Vaterland zu thun war und der Einsicht
und Energie genug besaß, die entscheidenden Mittel zu ergreifen. Mehr noch
trug zu diesem Erfolg die Uneinigkeit der Verbündeten bei. Die Engländer,
denen es wirklich Ernst mit dem Kampf war, hatten doch die entschiedene
Neigung, die preußischen Truppen wie Soldnerscharen zu ihrem Dienst zu
verwenden, und die Oestreicher hintertrieben sogar die Fortsetzung des Sub-
sidienvertrags, durch den Preußen allein befähigt wurde, den Kampf fortzu¬
setzen; ja sie gebrauchten schon damals die Taktik, den kleinen deutschen
Höfen zu insinuiren. die preußischen Truppen seien mehr gegen sie als gegen
die Franzosen gerichtet. Hatte man es früher für eine moralische Unmöglich¬
keit gehalten, mit dem jakobinischen Regiment in Unterhandlungen zu treten,
so machte man sich mit diesem Gedanken immer vertrauter, je mehr es sich
befestigte. Auf Robespierres Namen häufte sich zwar in der öffentlichen
Meinung der ganze Fluch der Revolution, aber er schien auch am ersten dazu
geeignet, die Ordnung wieder herzustellen. Es war der Sturz Robespierres,
der Thugut bestimmte, sich von den.Unterhandlungen mit Frankreich wieder
zurückzuziehen.

Diesen Fall des Schreckenssystems hat Sybel wieder mit vollendeter
Meisterschaft dargestellt. Früher sah man in der That des 9. Thermidor
den Sieg der Gutgesinnten über die Terroristen; spätere Paradoxenjäger haben
die Vorstellung umgekehrt und Einzelne sind so weit gegangen. Robespierre
ein Opfer der guten Sache zu betrauern. Die Sache liegt sehr einfach.
D>e Fortsetzung des Schreckenssystcms und der Blutherrschaft wollten beide
Parteien, aber Robespierre wollte das Leben sämmtlicher Bürger in seiner
Hand haben und die Bergpartei wollte ihm gegenüber gesichert sein; sie über¬
ließ ihm alle Köpfe, die irgend verlangte, nur ihren eigenen nicht. Robes-
Pierre^wollte einen schweigenden Despotismus, wie den Philipps II.. seine


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registern dafür keine Rubrik hatten. So auf die Sache ohne alle persönliche
Rücksicht gewandt, kam er allmälig dahin, im Interesse der Sache dem
Fanatismus seiner Genossen hier und da zu widersprechen. Er wiederholte
unaufhörlich, daß man den Krieg gegen die Vendöe nie beendigen würde,
wenn man ihn nicht menschlicher führte. Er unterfing sich, die Generale der
Heere und selbst die Offiziere eines Bureaus ohne Rücksicht auf Geburt und
Partei, allein nach Verdienst und Fähigkeit zu wählen. Er wagte es, hier
und da Edelleute zu besetzen und sogar zurückgekehrte Auswanderer anzu¬
stellen. Es hieß das, dem glühendsten Haß seiner Partei in das Gesicht
schlagen; diese Gefahr aber war für seine Unbeugsamkeit nur ein Reiz mehr,
das Rechte zu thun.

Es war nicht das Schreckcnssystem an M, welches den Sieg der fran¬
zösischen Truppen herbeiführte, sondern die Verbindung eines Mannes mit
demselben, dem es wirklich um das Vaterland zu thun war und der Einsicht
und Energie genug besaß, die entscheidenden Mittel zu ergreifen. Mehr noch
trug zu diesem Erfolg die Uneinigkeit der Verbündeten bei. Die Engländer,
denen es wirklich Ernst mit dem Kampf war, hatten doch die entschiedene
Neigung, die preußischen Truppen wie Soldnerscharen zu ihrem Dienst zu
verwenden, und die Oestreicher hintertrieben sogar die Fortsetzung des Sub-
sidienvertrags, durch den Preußen allein befähigt wurde, den Kampf fortzu¬
setzen; ja sie gebrauchten schon damals die Taktik, den kleinen deutschen
Höfen zu insinuiren. die preußischen Truppen seien mehr gegen sie als gegen
die Franzosen gerichtet. Hatte man es früher für eine moralische Unmöglich¬
keit gehalten, mit dem jakobinischen Regiment in Unterhandlungen zu treten,
so machte man sich mit diesem Gedanken immer vertrauter, je mehr es sich
befestigte. Auf Robespierres Namen häufte sich zwar in der öffentlichen
Meinung der ganze Fluch der Revolution, aber er schien auch am ersten dazu
geeignet, die Ordnung wieder herzustellen. Es war der Sturz Robespierres,
der Thugut bestimmte, sich von den.Unterhandlungen mit Frankreich wieder
zurückzuziehen.

Diesen Fall des Schreckenssystems hat Sybel wieder mit vollendeter
Meisterschaft dargestellt. Früher sah man in der That des 9. Thermidor
den Sieg der Gutgesinnten über die Terroristen; spätere Paradoxenjäger haben
die Vorstellung umgekehrt und Einzelne sind so weit gegangen. Robespierre
ein Opfer der guten Sache zu betrauern. Die Sache liegt sehr einfach.
D>e Fortsetzung des Schreckenssystcms und der Blutherrschaft wollten beide
Parteien, aber Robespierre wollte das Leben sämmtlicher Bürger in seiner
Hand haben und die Bergpartei wollte ihm gegenüber gesichert sein; sie über¬
ließ ihm alle Köpfe, die irgend verlangte, nur ihren eigenen nicht. Robes-
Pierre^wollte einen schweigenden Despotismus, wie den Philipps II.. seine


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[0147] registern dafür keine Rubrik hatten. So auf die Sache ohne alle persönliche Rücksicht gewandt, kam er allmälig dahin, im Interesse der Sache dem Fanatismus seiner Genossen hier und da zu widersprechen. Er wiederholte unaufhörlich, daß man den Krieg gegen die Vendöe nie beendigen würde, wenn man ihn nicht menschlicher führte. Er unterfing sich, die Generale der Heere und selbst die Offiziere eines Bureaus ohne Rücksicht auf Geburt und Partei, allein nach Verdienst und Fähigkeit zu wählen. Er wagte es, hier und da Edelleute zu besetzen und sogar zurückgekehrte Auswanderer anzu¬ stellen. Es hieß das, dem glühendsten Haß seiner Partei in das Gesicht schlagen; diese Gefahr aber war für seine Unbeugsamkeit nur ein Reiz mehr, das Rechte zu thun. Es war nicht das Schreckcnssystem an M, welches den Sieg der fran¬ zösischen Truppen herbeiführte, sondern die Verbindung eines Mannes mit demselben, dem es wirklich um das Vaterland zu thun war und der Einsicht und Energie genug besaß, die entscheidenden Mittel zu ergreifen. Mehr noch trug zu diesem Erfolg die Uneinigkeit der Verbündeten bei. Die Engländer, denen es wirklich Ernst mit dem Kampf war, hatten doch die entschiedene Neigung, die preußischen Truppen wie Soldnerscharen zu ihrem Dienst zu verwenden, und die Oestreicher hintertrieben sogar die Fortsetzung des Sub- sidienvertrags, durch den Preußen allein befähigt wurde, den Kampf fortzu¬ setzen; ja sie gebrauchten schon damals die Taktik, den kleinen deutschen Höfen zu insinuiren. die preußischen Truppen seien mehr gegen sie als gegen die Franzosen gerichtet. Hatte man es früher für eine moralische Unmöglich¬ keit gehalten, mit dem jakobinischen Regiment in Unterhandlungen zu treten, so machte man sich mit diesem Gedanken immer vertrauter, je mehr es sich befestigte. Auf Robespierres Namen häufte sich zwar in der öffentlichen Meinung der ganze Fluch der Revolution, aber er schien auch am ersten dazu geeignet, die Ordnung wieder herzustellen. Es war der Sturz Robespierres, der Thugut bestimmte, sich von den.Unterhandlungen mit Frankreich wieder zurückzuziehen. Diesen Fall des Schreckenssystems hat Sybel wieder mit vollendeter Meisterschaft dargestellt. Früher sah man in der That des 9. Thermidor den Sieg der Gutgesinnten über die Terroristen; spätere Paradoxenjäger haben die Vorstellung umgekehrt und Einzelne sind so weit gegangen. Robespierre ein Opfer der guten Sache zu betrauern. Die Sache liegt sehr einfach. D>e Fortsetzung des Schreckenssystcms und der Blutherrschaft wollten beide Parteien, aber Robespierre wollte das Leben sämmtlicher Bürger in seiner Hand haben und die Bergpartei wollte ihm gegenüber gesichert sein; sie über¬ ließ ihm alle Köpfe, die irgend verlangte, nur ihren eigenen nicht. Robes- Pierre^wollte einen schweigenden Despotismus, wie den Philipps II.. seine 18*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/147>, abgerufen am 02.07.2024.