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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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österlichen Thätigkeit die Abrechnungen von 1849--52 mit bestimmten Vor¬
behalten genehmigt hatte, entgegnete ihr die Negierung mit einem Auflösungs-
decret. Dieses motivirte natürlich die überraschende Maßregel mit keiner Silbe.
Dagegen sagte die officielle N. Münchner Zeitung: Wenn der Landtag mit
einer Thronrede eröffnet werde, hätten regelmäßig die Kammern Adressen an
den König gerichtet. Werde aber der Landtag ohne Thronrede eröffnet, so
sei das Adrcßerlassen nicht gebräuchlich, noch weniger aber herkömmlich, wäh¬
rend des Laufes der Verhandlungen von einer Kammer allein eine Adresse
an den Thron zu richten. Man wolle in solchen Adressen "nur seine Ansichten
und Wünsche in aufregender Weise" geltend machen, sie seien immer nur in
leidenschaftlich bewegten Zeiten und von den Führern der Opposition gestellt
worden. Gleiches sei auch vom jüngsten Adrcßantrag zu befürchten gewesen,
deshalb habe die Regierung guten Grund gehabt, "eine Discussion abzuschnei-
den, welche nachtheilig, wahrscheinlich aber auch im höchsten Grad auf¬
regend gewirkt haben würde."

Deutschland war damals viel zu sehr in Anspruch genommen vom orien¬
talischen Kampf und den immer weiter greifenden Betheiligungen der gesamm-
ten Culturwelt daran, um diesen baierischen Vorgängen besondere Aufmerk¬
samkeit zuzuwenden. Baiern selbst setzte zugleich seine Kriegsrüstungen mit
einer auffallenden Energie und in einem Umfang ins Werk, wie keiner der
andern Mittelstaaten,, als gälte es, die bürgerlichen Mahnungen der zweiten
Kammer an das Mißverhältniß zwischen den Militärkosten und den Stants-
krüften, so wie die reichsräthlichen Warnungen vor militärpolitischer Gro߬
mannssucht durch die soldatische Praxis gleichermaßen zu dementiren. Dieser
Anschein wuchs, da auffallenderweise zu diesen Anläufen nach einer activen
Machtstellung die politischen Ausführungen der inspirirter und "gutunterrich¬
teten" Presse und Publicisten den schroffsten Gegensatz bildeten, indem sie die
absolute Neutralität des Bundes und alle jene Principien, welche die nationalen
Wünsche und Bedürfnisse am meisten verleugneten, mit emphatischer Berufung
auf die materiellen Vortheile einer unbetheiligten Stellung Deutschlands ver¬
fochten. Man konnte also im Lande, wie außerhalb desselben in dieser mili¬
tärischen Entfaltung nichts weiter sehen, als ein absichtliches Zurschautragen
vollster Geringschätzung für alle parlamentarischen Kundgebungen grade Hin-
sichtlich des Militärwesens. Eben dadurch wuchs jedoch die Mißstimmung
über die "erfochtene orientalische Politik im gesammten Publicum so hoch,
daß man sich endlich zu journalistischen Erläuterungen veranlaßt sah. 'Die¬
selben erfolgten "auf Grund von Mittheilungen von unterrichteten und zuver¬
lässigen Personen" unter der Form der Ableugnung "einer entschiedenen Hin¬
neigung Baierns zu Preußens Politik und der gegentheiligen Haltung gegen
Oestreich". Namentlich wurde in Abrede gestellt, daß Baiern, "zu Preußens


österlichen Thätigkeit die Abrechnungen von 1849—52 mit bestimmten Vor¬
behalten genehmigt hatte, entgegnete ihr die Negierung mit einem Auflösungs-
decret. Dieses motivirte natürlich die überraschende Maßregel mit keiner Silbe.
Dagegen sagte die officielle N. Münchner Zeitung: Wenn der Landtag mit
einer Thronrede eröffnet werde, hätten regelmäßig die Kammern Adressen an
den König gerichtet. Werde aber der Landtag ohne Thronrede eröffnet, so
sei das Adrcßerlassen nicht gebräuchlich, noch weniger aber herkömmlich, wäh¬
rend des Laufes der Verhandlungen von einer Kammer allein eine Adresse
an den Thron zu richten. Man wolle in solchen Adressen „nur seine Ansichten
und Wünsche in aufregender Weise" geltend machen, sie seien immer nur in
leidenschaftlich bewegten Zeiten und von den Führern der Opposition gestellt
worden. Gleiches sei auch vom jüngsten Adrcßantrag zu befürchten gewesen,
deshalb habe die Regierung guten Grund gehabt, „eine Discussion abzuschnei-
den, welche nachtheilig, wahrscheinlich aber auch im höchsten Grad auf¬
regend gewirkt haben würde."

Deutschland war damals viel zu sehr in Anspruch genommen vom orien¬
talischen Kampf und den immer weiter greifenden Betheiligungen der gesamm-
ten Culturwelt daran, um diesen baierischen Vorgängen besondere Aufmerk¬
samkeit zuzuwenden. Baiern selbst setzte zugleich seine Kriegsrüstungen mit
einer auffallenden Energie und in einem Umfang ins Werk, wie keiner der
andern Mittelstaaten,, als gälte es, die bürgerlichen Mahnungen der zweiten
Kammer an das Mißverhältniß zwischen den Militärkosten und den Stants-
krüften, so wie die reichsräthlichen Warnungen vor militärpolitischer Gro߬
mannssucht durch die soldatische Praxis gleichermaßen zu dementiren. Dieser
Anschein wuchs, da auffallenderweise zu diesen Anläufen nach einer activen
Machtstellung die politischen Ausführungen der inspirirter und „gutunterrich¬
teten" Presse und Publicisten den schroffsten Gegensatz bildeten, indem sie die
absolute Neutralität des Bundes und alle jene Principien, welche die nationalen
Wünsche und Bedürfnisse am meisten verleugneten, mit emphatischer Berufung
auf die materiellen Vortheile einer unbetheiligten Stellung Deutschlands ver¬
fochten. Man konnte also im Lande, wie außerhalb desselben in dieser mili¬
tärischen Entfaltung nichts weiter sehen, als ein absichtliches Zurschautragen
vollster Geringschätzung für alle parlamentarischen Kundgebungen grade Hin-
sichtlich des Militärwesens. Eben dadurch wuchs jedoch die Mißstimmung
über die »erfochtene orientalische Politik im gesammten Publicum so hoch,
daß man sich endlich zu journalistischen Erläuterungen veranlaßt sah. 'Die¬
selben erfolgten „auf Grund von Mittheilungen von unterrichteten und zuver¬
lässigen Personen" unter der Form der Ableugnung „einer entschiedenen Hin¬
neigung Baierns zu Preußens Politik und der gegentheiligen Haltung gegen
Oestreich". Namentlich wurde in Abrede gestellt, daß Baiern, „zu Preußens


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/136>, abgerufen am 05.07.2024.