Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.blos deutlicher seine Gedanken, sondern verleiht denselben erst die rechte Unger tu Göttingen wagte jüngst den Versuch einer malerischen Harmonie¬ blos deutlicher seine Gedanken, sondern verleiht denselben erst die rechte Unger tu Göttingen wagte jüngst den Versuch einer malerischen Harmonie¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0122" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/265931"/> <p xml:id="ID_291" prev="#ID_290"> blos deutlicher seine Gedanken, sondern verleiht denselben erst die rechte<lb/> Stimmung.</p><lb/> <p xml:id="ID_292" next="#ID_293"> Unger tu Göttingen wagte jüngst den Versuch einer malerischen Harmonie¬<lb/> lehre und meinte, Accorde, Tonarten, den Satzbau, wie er im Kreise der Musik<lb/> nach bestimmten Gesetzen sich regelt, auch im Gebiet der Malerei nachweisen<lb/> zu können, nicht blos in nbstracter Theorie, sondern an concreten historischen<lb/> Erscheinungen. Giorgivnes, Ban Dycks, Ostades Kolorit sollte gewissen Ton¬<lb/> arten entsprechen, in einzelnen Bildern bestimmte Accordfolgen sich offen¬<lb/> baren. Der Versuch mißlang, zunächst weil de°r feinere Farbenmesser und eine<lb/> malerische Notenschrift mangelt, die Umschreibung von -Farbennuancen durch<lb/> das bloße Wort immer unklar und nebelhaft bleibt. Aber mit dem Grund¬<lb/> gedanken, mit der Annahme eines musikalischen Elements in der Malerei<lb/> hat es seine volle Nichtigkeit. Die alten holländischen Genremaler offenbaren<lb/> dasselbe in der glänzendsten Weise und verleihen dadurch ihren Werken einen<lb/> poetischen Schein, welcher durch kein stoffliches Interesse ersetzt werden könnte.<lb/> Der Farbcnwohllaut ist nicht etwa das einfache Resultat technischer Anstrengung,<lb/> kein bloßes Kunststück, durch berechnete Verdunklung des Ateliers, Oberlichter<lb/> zu erzeugen, sonst würden wir unter den modernen Belgiern lauter Ostades<lb/> zählen, sondern der Ausfluß der specifisch malerischen Phantasie, die sich im<lb/> Geurefach am wenigsten gebunden fühlt, hier am liebsten sich bethätigt. Auf<lb/> der Münchner Ausstellung wird ein harmonisch gestimmtes Kolorit, eine cha¬<lb/> rakteristische, ausdrucksvolle Farbe das Auge selten erfreuen. Es ist dies um<lb/> fo mehr zu bedauern, als grade die deutsche Anschauung den kräftigsten An¬<lb/> satz zum Humor, in sich birgt, dieser aber, wie überhaupt die bis zur feinsten<lb/> Besonderheit des Charakters fortgehende Schilderung, im Colorit das beste<lb/> Ausdrucksmittel besitzt. Der Glaube an die alleinseligmachende Schönheit<lb/> der Pifferari und Minctten ist glücklicherweise gelockert. Die wenigen Proben,<lb/> welche die Ausstellung von italienischen Genrebildern aus den frühern Jahr¬<lb/> zehnten ausweist, überheben uns der Mühe, ausführlicher gegen diese Richtung<lb/> zu spreche». Auch jetzt noch könnte der Blick unsrer Künstler für das kern¬<lb/> hafte unmittelbare Leben ihrer Umgebung an Schärfe zunehmen; aber so völlig<lb/> abgesperrt von demselben, so vollkommen besangen in der Atelierästhetik, die<lb/> über gelungene Posen abgegriffener Modelle nicht Höheres kennt, sind sie lange<lb/> nicht mehr. Die trockene Manier älterer düsseldorfer Genremaler findet gleich¬<lb/> falls nur noch wenige Bewunderer. Wir freuen uns über harmlose Gedanken,<lb/> wenn aber auch die malerische Charakteristik die Harmlosigkeit so weit treibt,<lb/> daß sie den Dilettantismus nicht verschmäht, so kehren wir uns ab von der¬<lb/> selben. Uebrigens ist in Düsseldorf selbst, wie namentlich Vautier beweist,<lb/> ein mächtiger Fortschritt bemerkbar. Eine andere Unart dagegen scheint 'noch<lb/> immer das Feld behaupten zu wollen, eine bis zum Geleckten glatte Malerei,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0122]
blos deutlicher seine Gedanken, sondern verleiht denselben erst die rechte
Stimmung.
Unger tu Göttingen wagte jüngst den Versuch einer malerischen Harmonie¬
lehre und meinte, Accorde, Tonarten, den Satzbau, wie er im Kreise der Musik
nach bestimmten Gesetzen sich regelt, auch im Gebiet der Malerei nachweisen
zu können, nicht blos in nbstracter Theorie, sondern an concreten historischen
Erscheinungen. Giorgivnes, Ban Dycks, Ostades Kolorit sollte gewissen Ton¬
arten entsprechen, in einzelnen Bildern bestimmte Accordfolgen sich offen¬
baren. Der Versuch mißlang, zunächst weil de°r feinere Farbenmesser und eine
malerische Notenschrift mangelt, die Umschreibung von -Farbennuancen durch
das bloße Wort immer unklar und nebelhaft bleibt. Aber mit dem Grund¬
gedanken, mit der Annahme eines musikalischen Elements in der Malerei
hat es seine volle Nichtigkeit. Die alten holländischen Genremaler offenbaren
dasselbe in der glänzendsten Weise und verleihen dadurch ihren Werken einen
poetischen Schein, welcher durch kein stoffliches Interesse ersetzt werden könnte.
Der Farbcnwohllaut ist nicht etwa das einfache Resultat technischer Anstrengung,
kein bloßes Kunststück, durch berechnete Verdunklung des Ateliers, Oberlichter
zu erzeugen, sonst würden wir unter den modernen Belgiern lauter Ostades
zählen, sondern der Ausfluß der specifisch malerischen Phantasie, die sich im
Geurefach am wenigsten gebunden fühlt, hier am liebsten sich bethätigt. Auf
der Münchner Ausstellung wird ein harmonisch gestimmtes Kolorit, eine cha¬
rakteristische, ausdrucksvolle Farbe das Auge selten erfreuen. Es ist dies um
fo mehr zu bedauern, als grade die deutsche Anschauung den kräftigsten An¬
satz zum Humor, in sich birgt, dieser aber, wie überhaupt die bis zur feinsten
Besonderheit des Charakters fortgehende Schilderung, im Colorit das beste
Ausdrucksmittel besitzt. Der Glaube an die alleinseligmachende Schönheit
der Pifferari und Minctten ist glücklicherweise gelockert. Die wenigen Proben,
welche die Ausstellung von italienischen Genrebildern aus den frühern Jahr¬
zehnten ausweist, überheben uns der Mühe, ausführlicher gegen diese Richtung
zu spreche». Auch jetzt noch könnte der Blick unsrer Künstler für das kern¬
hafte unmittelbare Leben ihrer Umgebung an Schärfe zunehmen; aber so völlig
abgesperrt von demselben, so vollkommen besangen in der Atelierästhetik, die
über gelungene Posen abgegriffener Modelle nicht Höheres kennt, sind sie lange
nicht mehr. Die trockene Manier älterer düsseldorfer Genremaler findet gleich¬
falls nur noch wenige Bewunderer. Wir freuen uns über harmlose Gedanken,
wenn aber auch die malerische Charakteristik die Harmlosigkeit so weit treibt,
daß sie den Dilettantismus nicht verschmäht, so kehren wir uns ab von der¬
selben. Uebrigens ist in Düsseldorf selbst, wie namentlich Vautier beweist,
ein mächtiger Fortschritt bemerkbar. Eine andere Unart dagegen scheint 'noch
immer das Feld behaupten zu wollen, eine bis zum Geleckten glatte Malerei,
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