Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.ist aber für die Kurzweil der Beschauer gut gesorgt und das Prädicat der Den Genrebildern entsprechen auf einem andern Kunstgebiet ziemlich Grenzboten IV. 1858. 15
ist aber für die Kurzweil der Beschauer gut gesorgt und das Prädicat der Den Genrebildern entsprechen auf einem andern Kunstgebiet ziemlich Grenzboten IV. 1858. 15
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ist aber für die Kurzweil der Beschauer gut gesorgt und das Prädicat der
Originalität und reicher Erfindungsgabe für unsere Genremaler wohlverdient.
Hätten sie nur nach einer andern Seite hin sich minder genügsam erwiesen
und sauberes Jlluminiren mit der Kunst zu malen nicht für gleichbedeutend
genommen.
Den Genrebildern entsprechen auf einem andern Kunstgebiet ziemlich
genau die kleinen dramatischen Spiele und einactigen Bluetten des modernen
Bühncnrepertoirs. Alle Welt ist darüber einverstanden, daß bei diesen die
geistreiche Führung des Dialoges, die gewandte und spannende Schürzung
des an und für sich ziemlich gleichartigen Knotens vorzugsweise den Erfolg
sichert und auch das wesentliche Verdienst des Dichters bildet. Niemand würde
zweifeln, daß in Bezug auf die Genremalerei ein ähnliches Verhältniß gilt,
und aus die malerische Durchführung der Hauptnachdruck gelegt werden muß,
wäre nicht die Irrlehre verbreitet, unsere Maler seien vorzugsweise Dichter,
die Betonung der malerischen Form aber würde diesen Vorzug nicht klar und
deutlich genug erscheinen lassen. Warum greifen dieselben aber dann nicht
lieber gleich zu dem rechten Material und schreiben Gedichte, und überlassen
nicht Menschen, die auf den Ruhm, als Universalkünstler zu glänzen, bereit¬
willig verzichten, die Malerei? Die Verwirrung ist noch gestiegen durch die
absichtliche Verwechslung der technischen Geschicklichkeit mit eigentlicher Farben-
Poesie. Wenn jemand die letztere als Erforderniß des vollendeten Abbildes
aufstellt, so zucken die angeblichen Vertreter des wahrhaft Dichterischen in
der Malerei mitleidig die Achsel über den armen Wicht, der sich von der brillan¬
ten Technik blende» läßt, denunciren ihn wol auch mit salbungsvoller Miene
als Materialisten und behaupten, er wolle die Kunst zur Künstelei herabziehen.
Ja, wenn es möglich wäre, auf dem mechanischen Weg, wie man eben ein
Handwerk erlernt, diese Fertigkeit im Künsteln sich anzueignen: die Zahl der
Verächter der Farbenpoesie würde rasch abnehmen. Weiß man ja doch, daß
das drückende Bewußtsein, darin unfertig, nur halbausgebildet zu stehen — und
bei der schlechten Erziehung uuserer Künstler wäre es ein Wunder, wenn dies
anders sich verhielte — Trost sucht in der Geringschätzung des Unerreichbarem,
und daß der geheime Cultus nicht der Farbenpocsie etwa, sondern ganz ordinä¬
rer technischer Recepte, nirgend so viele Anhänger zählt, als in den Werkstätten
unsrer Künstler. Diese, wenn sie aufrichtig sind, müssen lachen über die Com-
Plimente, die ihrer dichterischen Phantasie gezollt werden. Ist doch die male-
^sche Durchführung ihre Hauptsorge, die gelungene Bewältigung der Form
insgeheim ihr größter Stolz. Freilich kommen sie selten zum Genuß des
letzteren, und deshalb bleibt von ihrer Seite die Versicherung: in der Malerei
sei das Malm nur-Nebensache, ohne Widerspruch. Wie der Musiker in Tönen
denkt, so drückt des Malers Empfindung die Farbe aus, sie versinnlicht nicht
Grenzboten IV. 1858. 15
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