Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.Jahre früher oder später austreten lassen? Wir finden bei vielen, selbst un¬ Dreizehn Nummern des Kataloges fällen auf Carstens, die uns mit neun Jahre früher oder später austreten lassen? Wir finden bei vielen, selbst un¬ Dreizehn Nummern des Kataloges fällen auf Carstens, die uns mit neun <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0012" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/265821"/> <p xml:id="ID_5" prev="#ID_4"> Jahre früher oder später austreten lassen? Wir finden bei vielen, selbst un¬<lb/> bedeutenden Künstlern das Todesjahr im Katalog angegeben, folgerichtig<lb/> schließen wir, daß, wo dasselbe nicht verzeichnet ist, der Künstler noch als<lb/> Mitlebender gedacht werden muß. Also lebt Friedrich noch, auch Wächter<lb/> und Fügcr, auch sogar der alte Koch! Wenn aber Friedrich noch als „Pro¬<lb/> fessor" in Dresden fungiren kann, dann lebt auch die Romantik in ihrer ro-<lb/> hesten Form noch unter uns und wir waren Lügner oder Thoren, sie längst<lb/> als überwunden anzunehmen. Wenn Füger und Wächter noch unter uns<lb/> wandeln, so haben wir Davids Richtung nicht blos als eine historische Exi¬<lb/> stenz zu betrachten. Die Ausstellung ist doch nicht blos zu Nutz und From¬<lb/> men der Kunsthistoriker veranstaltet worden. Daß man an dieselben nicht<lb/> dachte, beweist schon der Umstand, daß man Friedrich und Runge in ent¬<lb/> gegengesetzte Winkel verbannte, die doch dieselbe Zelle im Narrenhause der<lb/> Romantik bewohnten. Ein solches Herzeleid hätte man wissentlich gewiß nicht<lb/> den Kunsthistorikern zugefügt. Die Laien, zu welchen die Mehrzahl der Be¬<lb/> sucher gewiß gehören, werden Dank der leichtfertigen Fabrikation des Kata¬<lb/> loges täglich zahlreiche Irrthümer w'nen und auf diese Art den beabsichtigten<lb/> Zweck der Ausstellung in das Gegentheil verkehren. Doch lassen wir diese<lb/> unerquicklichen Katalogsstudicn und wenden wir uns lieber zur Sache selbst<lb/> und zwar zunächst zu i>en Alten, zu dem alten Carstens insbesondere, bei<lb/> welchem die Wechselbezeichnung: Alt und Classisch eine so treffliche Urwelt-'<lb/> dung findet.</p><lb/> <p xml:id="ID_6" next="#ID_7"> Dreizehn Nummern des Kataloges fällen auf Carstens, die uns mit neun<lb/> verschiedenen Werken bekannt machen. Sein unglückliches Leben, die Selbst -<lb/> verzehrung seiner Kraft aus Mangel an einem großen Wirkungskreise, die<lb/> ausschließliche Betonung des antiken Elements in Motiven und Formen, die<lb/> Schildcruugsweise mit den elementaren Mitteln der Malerei, alles das brau¬<lb/> chen wir wol nicht ausführlicher zu schildern. Ist auch Carstens kein Name,<lb/> den jedermann auf der Lippe trägt, so wird doch im Allgemeinen seine histo¬<lb/> rische Stellung richtig bestimmt, seine Bedeutung gewürdigt. Den Nachdruck<lb/> darf man bei Carstens nicht auf seine Vorliebe für die Antike legen. Zahl¬<lb/> reiche Zeitgenossen theilten dieselbe mit ihm. Ihn unterscheidet vorzugsweise<lb/> ein vollendetes Verständniß des Plastischen, ein feines Gefühl für einfache<lb/> Formenschönheit. Das letztere war der Kunst des achtzehnten Jahrhunderts<lb/> beinahe vollständig abhanden gekommen.' Die Zopfkünstler malten nicht schlecht,<lb/> in einzelnen Füllen sogar vortrefflich; wenn wir ihre Werke mit den modernen<lb/> zusammenhalten, so werden wir bemerken, daß sie uns in technischer Beziehung<lb/> weit überragen. Sie hatten noch gar mannigfache Kunstgriffe und Recepte<lb/> überliefert erhalten, die seitdem verloren gingen, ihre Bildung ruhte mehr noch<lb/> auf einer handwerksmäßigen Grundlage und gestattete eine tüchtigere technische</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
Jahre früher oder später austreten lassen? Wir finden bei vielen, selbst un¬
bedeutenden Künstlern das Todesjahr im Katalog angegeben, folgerichtig
schließen wir, daß, wo dasselbe nicht verzeichnet ist, der Künstler noch als
Mitlebender gedacht werden muß. Also lebt Friedrich noch, auch Wächter
und Fügcr, auch sogar der alte Koch! Wenn aber Friedrich noch als „Pro¬
fessor" in Dresden fungiren kann, dann lebt auch die Romantik in ihrer ro-
hesten Form noch unter uns und wir waren Lügner oder Thoren, sie längst
als überwunden anzunehmen. Wenn Füger und Wächter noch unter uns
wandeln, so haben wir Davids Richtung nicht blos als eine historische Exi¬
stenz zu betrachten. Die Ausstellung ist doch nicht blos zu Nutz und From¬
men der Kunsthistoriker veranstaltet worden. Daß man an dieselben nicht
dachte, beweist schon der Umstand, daß man Friedrich und Runge in ent¬
gegengesetzte Winkel verbannte, die doch dieselbe Zelle im Narrenhause der
Romantik bewohnten. Ein solches Herzeleid hätte man wissentlich gewiß nicht
den Kunsthistorikern zugefügt. Die Laien, zu welchen die Mehrzahl der Be¬
sucher gewiß gehören, werden Dank der leichtfertigen Fabrikation des Kata¬
loges täglich zahlreiche Irrthümer w'nen und auf diese Art den beabsichtigten
Zweck der Ausstellung in das Gegentheil verkehren. Doch lassen wir diese
unerquicklichen Katalogsstudicn und wenden wir uns lieber zur Sache selbst
und zwar zunächst zu i>en Alten, zu dem alten Carstens insbesondere, bei
welchem die Wechselbezeichnung: Alt und Classisch eine so treffliche Urwelt-'
dung findet.
Dreizehn Nummern des Kataloges fällen auf Carstens, die uns mit neun
verschiedenen Werken bekannt machen. Sein unglückliches Leben, die Selbst -
verzehrung seiner Kraft aus Mangel an einem großen Wirkungskreise, die
ausschließliche Betonung des antiken Elements in Motiven und Formen, die
Schildcruugsweise mit den elementaren Mitteln der Malerei, alles das brau¬
chen wir wol nicht ausführlicher zu schildern. Ist auch Carstens kein Name,
den jedermann auf der Lippe trägt, so wird doch im Allgemeinen seine histo¬
rische Stellung richtig bestimmt, seine Bedeutung gewürdigt. Den Nachdruck
darf man bei Carstens nicht auf seine Vorliebe für die Antike legen. Zahl¬
reiche Zeitgenossen theilten dieselbe mit ihm. Ihn unterscheidet vorzugsweise
ein vollendetes Verständniß des Plastischen, ein feines Gefühl für einfache
Formenschönheit. Das letztere war der Kunst des achtzehnten Jahrhunderts
beinahe vollständig abhanden gekommen.' Die Zopfkünstler malten nicht schlecht,
in einzelnen Füllen sogar vortrefflich; wenn wir ihre Werke mit den modernen
zusammenhalten, so werden wir bemerken, daß sie uns in technischer Beziehung
weit überragen. Sie hatten noch gar mannigfache Kunstgriffe und Recepte
überliefert erhalten, die seitdem verloren gingen, ihre Bildung ruhte mehr noch
auf einer handwerksmäßigen Grundlage und gestattete eine tüchtigere technische
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